Nachdem gestern klarer Himmel herrschte und solche Bedingungen genuetzt werden wollen (das Astrowetter in der Genferseeregion ist aufgrund des haeufigen Hochnebeleinfalls nicht wirklich vorhersagbar), stand eine Kurzspechtlerei zu meinem Standardbeobachtungsplatz am Jura am Programm. Oben angekommen, sind die Bedingungen schon recht gut - zwar stoert im Sueden und Westen die obligate Lichtglocke der Genferseeregion, Richtung Osten und Norden ist der Himmel aber schoen dunkel und zeigt Sterne weit jenseits der 6.0. Allerdings bewegt sich aufgrund des kraeftigen NE-Winds das Seeing am oberen Limit - besser wie 2" wirds nie, in den schlechtesten Momenten gehts sogar auf 3-4" rauf. An Detailsbeobachtungen bei hohen Vergroesserungen ist daher nicht zu denken ...
Was aber nicht so schlimm ist, da mein Tages-(bzw. Nacht-)programm ohnehin zum ueberwiegenden Teil aus grossflaechigen Emissionsnebeln im Bereich des Schwans besteht. Spezielles Augenmerk wird dabei auf das unterschiedliche Ansprechverhalten der Nebel auf OIII bzw. H-beta gelegt; zum Einsatz kommt dabei wie immer mein guter alter 10" Starfinder.
Zum Einsehen wird einmal <b>Sh2-101 </b>angesteuert, eine HII-Region knapp 1 Grad E von eta Cygni. Sichtbar ist ein recht grosser, nebliger Schimmer, der ein sehr spitzwinkliges Dreieck aus 9m-Sternen umhuellt und bei 45x im OIII und H-beta gleichermassen gut zur Geltung kommt. Entsprechend ist der Anblick im UHC (der ja sowohl H-beta als auch OIII durchlaesst) am besten; zudem wirkt der Nebel hier auch wesentlich groesser als mit anderen Filtern der Fall.
Weiter dann Richtung Osten zum Komplex um <b>NGC 6871</b>. Eine brilliante Gegend mit etlichen interessanten Zielen sowohl fuer Low-Power als auch Detailbeobachtungen! NGC 6871 sowie die beiden Haufen <b>Biurakan 1</b> und <b>Biurakan 2</b> erscheinen bei 45x als deutliche Verdichtungen im Sternfeld, wobei NGC 6871 deutlich langgestreckt ist, Biurakan 1 eine dreieckige Form erkennen laesst und Biurakan 2 eher von rundlicher Form ist und einen auffaelligen Sternknoten in seinem Zentrum besitzt. Nordoestlich davon schliesst sich ausserdem noch <b>NGC 6883 </b>an, der zumindest bei geringen Vergroesserungen aber nicht ganz mit den anderen genannten Haufen mithalten kann. Suedlich und SW von Biurakan 2 sowie SW von NGC 6871 heben sich zudem eine Vielzahl von Dunkelwolken als dunkle Flecken bzw. Schlaeuche von teils betraechtlicher Ausdehnung kontrastreich vom Milchstrassenhintergrund ab.
Bei 175x verschwimmt der Haufencharakter von NGC 6871 & Co. etwas, allerdinge gibts dafuer etliche kleine Sterngruppen bzw. -haufen zu bewundern, die bei 45x kaum bzw. gar nicht auffallen. So zB der Haufen um <b>ADS 13292 </b>(2', 10 Mitglieder erkennbar), Ruprecht <b>172 </b>SE von NGC 6883 (kleiner, halb aufgeloester Nebelfleck) sowie, innerhalb des Sterngewusels NGC 6883 2 kleine, halb aufgeloeste <b>Sternknoten</b>, von denen der oestliche sich in einem Sternmuster aehnlich der noerdlichen Krone befindet. Abgerundet wird die Region durch den schwachen Reflexionsnebel Bernes 20, der im NE-Teil einer kleinen Dunkelwolke sitzt und als schwache, diffuse Aufhellung um einen 12m-Stern erscheint.
Damit hat sichs allerdings mit Kleinzeux und es steht grossflaechiges am Programm. Zunaechst mal ist der ausgedehnte Emissionsnebelkomplex im Bereich von 28 Cygni auf dem Programm; speziell angetan hat es mir dabei der Nebelbogen westlich des Wolf-Rayet Sterns <b>WR 134</b>, der mir letztens am DSS aufgefallen ist und den ich auch gleich als erster aufsuche. Und in der Tat: Der doch relativ unbekannte Nebel entpuppt sich als ueberraschend einfaches Ziel und ist bei 45x schoen als 10'x5' grosser, diffuser Bogen zu erkennen. Speziell der Nebelteil W von WR 134 ist dabei auffaellig, doch auch der sich N von WR 134 dahinziehende und nach NE hin auslaufende Sporn kann ansatzweise verfolgt werden. Richtung S hingegen verschwimmt der Nebel mit einem diffusen Band, dass sich Richtung SE bis hin zu NGC 6883 erstreckt und dort diffus auslaeuft. Auch an einigen weiteren Stellen der Umgebung zeigt sich ein diffuses Leuchten, wobei hier allerdings die Unterscheidung zwischen 'echter' OIII-Emission und durch das dichte Sternfeld hervorgerufenen 'Ghosts' doch recht schwer faellt. Lediglich in der Region um NGC 6871 laesst sich noch halbwegs gut erahnen, was tatsaechlich OIII-Emission ist und was nicht.
Nach einer nicht erfolgreichen Beobachtung von LBN 206 (SW von P Cyg) gehts weiter zu <b>NGC 6888 </b>- und der ist heute eine Wucht. Bei 45x + OIII erscheint die ovale Nebelblase gross und deutlich stukturiert, mit hellem Filament an der N-NW Kante und einigen dunkleren Flecken im Nebelinneren. Ein super Objekt und sicherlich das Highlight des heutigen Abends!
Weiter gehts zur ausgedehnten Nebelregion um <b>gamma Cygni</b>. Hier laesst sich der unterschiedliche Anregungszustand einzelner Nebelwolken, der sich in deren OIII- und H-beta Helligkeiten niederschlaegt, recht gut verfolgen. Interessanterweise sind die OIII- und H-beta - hellen Gebiete nicht klar voneinander getrennt, sondern munter durchmischt: So reagieren die diffusen, schwachen Nebelteile NW und NE von NGC 6888 deutlich auf den OIII - Filter, waehrend hingegen etwa der Nebelteil um die Reflexionsnebel vdB 130 und GM 2-39 klar heller im H-beta - Filter erscheint. Interessant ist auch das Verhalten der beiden parallelen, hellen Nebelstreifen E von gamma Cyg, die beide im H-beta heller und auch wesentlich ausgedehnter erscheinen; auffaellig ist dies vor allem beim NW-Teil, der einen in Richtung NGC 6910 ziehenden Sporn aufweist, der nur mit H-beta, nicht aber mit OIII beobachtbar ist. Noch extremer faellt der OIII-H-beta Kontrast beim hellsten Nebelteil NW von gamma Cyg aus: hier beschraenkt sich die OIII-Emission auf ein relativ kleines, aber recht helles Gebiet, waehrend bei der H-beta Emission das Helligkeitsmaximum weitaus weniger praegnant, das emittierende Gebiet jedoch weitaus ausgedehnter ist und sich bis hinunter zum dichten Haufen IC 1311 (und darueber hinaus!) verfolgen laesst.
Gebietswechsel. Noerdlich von IC 1318 steht mit dem <b>Propellernebel</b> ein weiterer interessanter Nebelteil des gamma-Cyg (bzw Cyg OB2) - Komplexes. Dieser ist sowohl mit H-beta als auch UHC eine Aufhellung sichtbar, einen Propeller kann ich allerdings beim besten Willen nicht entdecken. Noch etwas weiter im Norden stehen das langgestreckte Filament <b>LBN 313 </b>und <b>LBN 325</b>, von denen allerdings nur letzterer schwach mit H-beta erkannt werden kann.
Nach einem Abstecher <b>Sh2-112</b>, der recht hell im OIII erscheint und von einem hellen, N-S orientierten Filament dominiert wird, steht als Abschluss noch ein Besuch bei <b>Sh2-115 </b>auf dem Programm. Eine harte Nuss, aber bei genauerem Betrachten ist zumindest der Nebelteil S des im selben Feld stehenden Haufens Berkeley 90 schwach, aber doch eindeutig erkennbar.
Nachdem es mittlerweile arschkalt ist und auch ein paar Wolken herantraben, beschliesse ich, Sharpless 91 fuer diesmal sausen zu lassen und stattdessen noch <b>Sh2-157</b>, den Daniel, Uwe und Ralf so nett in ihrem HTT-Skyguide beschrieben haben, einen Kurzbesuch abzustatten ... Ohne Filter ist vom Nebel noch keine Spur, dafuer knallen die dort ansaessigen Sternhaufen (<b>NGC 7510, MK 50, M 52</b>) so richtig schoen rein. Ausserdem zu sehen ist auch der kleine Nebelteil <b>Sh2-157a</b>; der knallt allerdings nicht wirklich rein, sondern erscheint lediglich als schwaches Leuchten um eine kleine Sterngruppe. Erst bei 75x + H-beta - Einsatz kommt er halbwegs gut rueber und wirkt dann wie das H-beta - Pendant eines Abell - PNs. Ganz anders der 'Rest' von Sh2-157: der H-beta hilft da net recht viel, umso mehr aber der OIII: Bei 45x zeigt sich dann naemlich deutlich der langgestreckte Nebelarm E von MK 50 zu erkennen, ebenso die schwaecheren Arme E und W davon. Ebenfalls sichtbar ist ein diffuses Gebiet S von Sh2-157a, das so halb mit den Filamenten verbunden erscheint und nach S hin diffus auslaeuft. Cooles Teil, das definitiv die Erwaehnung im Skyguide verdient hat !!
So long ... das wars im groben von gestern. Hoffe, das Lesen hat Spass gemacht & ich konnte den einen oder anderen zum Nachbeobachten anregen ...
In diesem Sinne: CS!
Matthias