Beiträge von astrometer im Thema „Aktueller Sonnensturm war einer der schwersten der letzten 500 Jahre“

    Hallo Leute,


    über https://spaceweather.com (Datum vom 21.5.) kam gerade der Aufruf, Polarlichtsichtungen aus niedrigen (nördlichen und südlichen) Breiten zu melden. Dazu ein sehr stimmungsvolles PL-Foto, aufgenommen auf Tivoli, Namibia.


    Unsere gemäßigten mitteleuropäischen Breiten sind da weniger interessant und wohl auch ausreichend beprobt. Aber vielleicht war ja gerade jemand in Urlaub oder hat Astrofreunde in Äquatornähe…


    CS

    Jörg

    … die Sonne hat heute den größten CME des aktuellen Fleckenzyklus hervorgebracht - schaut mal hier gegen Ende des Films: soho.nascom.nasa.gov/data/LATEST/current_c3.mp4

    Hallo Holger,


    weil mich das von Dir verlinkte Video wirklich interessierte, hab ich heute den ganzen Tag über versucht es anzuschauen: mit drei verschiedenen Endgeräten (alle Apple) und in drei verschiedenen WLANs. Es wurde nie vollständig geladen, lief bestenfalls nur bis zur Mitte und brach dann ab. Jetzt gebe ich auf.


    Wenn es wirklich der bisher größte CME des aktuellen Aktivitätsmaximums ist, wird wohl in den nächsten Tagen davon zu hören sein. Vielleicht schon morgen im Spaceweather. Polarlichtrelevant scheint das aber nicht zu sein, sonst hätte die Polarlichtvorhersage längst eine Vorankündigung auf der Startseite.


    CS

    Jörg

    Kann man die Strahlungsmenge quantifizieren ? Wieviel Dosis hat geschätzt die Besatzung auf der ISS abbekommen ?

    Ja, daran hab ich auch schon gedacht. Sogar unmittelbar während des Polarlichts. Wäre ich dort oben gewesen, hätte ich wahrscheinlich wider alle Vernunft permant in der Cupola gehangen und den Anblick genossen. Zum Glück finden Polarlichter nicht zeitgleich mit den Strahlungsausbrüchen, sondern immer nach diesen statt (siehe # 30). In der ISS ist es wohl üblich, bei Strahlungsalarm in die Sojus bzw. Dragons zu gehen. Weil im interplanetaren Raum die Strahlung noch ungebremster wirkt als im Erdorbit, gibt es Konzepte für den bemenschten Marsflug, das Innere der Schiffe mit den Lebensmittelvorräten bzw. nach deren Verzehr mit den Toilettenbeuteln zu „tapezieren“. – Ja, wozu Sch…. gut sein kann. 😂


    Ich denke, viele von uns sehen Raumfahrt immer noch zu science-fiction-mäßig verklärt. Ein Jahr oder länger in so einer Blechdose zu leben, dabei trotz Training einen Teil seiner Muskeln zu verlieren, ständig einen „dicken Kopf“ zu haben und die Hygiene auf ein fast wasserloses Minimum reduzieren zu müssen, ist kein Vergnügen. Hinzu kommt das Bewusstsein, sich während dieser Zeit einem Strahlungsbombardement auszusetzen, das innerhalb eines Jahres die Dosis eines gesamten Lebens auf der Erde übersteigt.


    CS

    Jörg

    Beim Thema schwerer Sturm, wie muss denn ein Anfänger den X9. Flare einordnen der grad auf der Vorhersageseite des AKM eingelaufen ist …

    Hallo Andreas und alle Mitleser,


    um nochmal genauer auf Deine Frage zurückzukommen: Spaceweather hat in seiner heutigen Ausgabe (15.5.24) genau diesen Flare thematisiert. Demnach führte seine starke Strahlung zu einer Ionisierung der oberen Schichten der Erdatmosphäre, was den Kurzwellenempfang in Nordamerika beeinträchtigte.


    Der Flare ging von der auch für die jüngsten Polarlichter verantwortlichen AR 3664 aus, die zum Zeitpunkt des Ausbruchs bereits teilweise erdabgewandt war. Aber anders als die CMEs breitet sich Strahlung radial aus. Das heißt mit Lichtgeschwindigkeit in alle Richtungen. Sie ist also innerhalb von acht Minuten da, während sich die CMEs in Schwaden bewegen und wesentlich langsamer sind.


    CS

    Jörg

    Hallo Andreas,


    das von den Flares freigesetzte Material muss ja erstmal bei der Erde ankommen. Das dauert meist um die zwei Tage, aber weil die Geschwindigkeit unterschiedlich ist, kann es auch schneller gehen oder länger dauern. Ganz am Anfang der Seite Polarlichtvorhersage für Deutschland steht eine verbale Einschätzung von „sehr gering“ (meistens) über „gering“, „erhöht“, „hoch“ und „sehr hoch“ bis „extrem hoch“ (sehr selten, zuletzt 2024 Mai 10). Ab „hoch“ versuche ich immer rauszugehen. Ist natürlich wetter- und auch mondphasenabhängig. Bei Vollmond ist schwaches, nur fotografisches PL schwer einzufangen. Und es reicht nicht, irgendwann am Nachmittag zu schauen, denn es kann sich sehr schnell ändern. Erst vor ein paar Wochen ist es mir passiert, dass ich dadurch ein PL verpasst habe.

    Als nächstes sehe ich mir immer den Abschnitt „Vorhersagen des SWPC“ an. Hier ist das Diagramm „Polarlicht Aktivität in Mittleren Breiten interessant, weil es eine Vorhersage für die kommenden zwei Tage enthält. 

    Aber weil Vorhersagen nicht immer zutreffen, richte ich mich am Ende immer nach dem Abschnitt „Polarlicht-Aktivität“ und hier speziell nach der Grafik oben links: „Echtzeit Aktivität (Mag)“. Dieses Diagramm habe ich dann auch auf dem Handy offen, wenn ich draußen bin.


    Auf die LASCO-Bilder und das Polarlichtoval achte ich meist gar nicht. Aber von all diesen Hilfen abgesehen, ist es nie ganz vorhersehbar, ob und wie sich ein PL entwickelt.


    CS

    Jörg

    Ein Carrington-Ereignis heute ... ? Ich würde nicht drauf wetten.

    Hallo Ralf und alle Mitleser,


    … ich auch nicht. Für 1859 haben wir schließlich keine numerischen Daten zu Sonnenwind, Erdmagnetfeld usw. Nur die visuelle Beobachtung einer riesigen Fleckengruppe und die Beschreibung von Polarlichtern und den Auswirkungen auf die gerade aufgekommene Telegrafie.


    Laut https://spaceweather.com (Seite vom 9. Mai) hatte die den 2024er Sturm verursachende AR 3644 recht genau die Dimensionen der von Carrington gezeichneten Fleckengruppe. Okay, Foto gegen Zeichnung… Wir alle wissen, dass Dinge, auf die wir fokussiert sind, subjektiv größer wahrgenommen und folglich auch gezeichnet werden. Aber wenn Carrington ein bisschen übertrieben haben sollte, wäre die aktuelle Gruppe im Vergleich ja noch größer. (Wegen des Cipyrights kann ich das Vergleichsbild nicht verlinken, aber unbedingt anschauen, es ist eindrucksvoll.)


    Andererseits sagt die Größe allein noch nicht aus, wie intensiv die Eruptionen tatsächlich waren, wie dicht die Teilchenwolke blieb, wie schnell sie auf die Erde zukam und wie genau sie den Planeten traf. Eine Menge von Unwägbarkeiten, die wir nur ausräumen könnten, wenn wir Daten hätten.


    Fazit: Ob die Sonne unserer technisierten Zivilisation schaden kann, wissen wir immer noch nicht. Deshalb sollten wir vorsichtig sein. Aber es besteht wohl trotzdem kein Grund zur Panikmache.


    CS

    Jörg

    Hallo Dieter,


    an das Polarlicht von November 1989 – das himmlische Honecker-Rücktritts-Feuerwerk – kann ich mich auch noch sehr gut erinnern. Und ich konnte es sogar am gleichen Beobachtungsort genießen wie das vorgestern. Allerdings war das 1989 für mich längst nicht so grandios wie das jüngste. Aber das will nichts heißen. Vielleicht gab es ja eine Phase, die ich damals verpasst habe. Die beiden im Herbst 2003 waren – auch wieder nach meinem subjektiven Empfinden – ebenfalls stärker als 1989.


    Klar, Du hast völlig recht: Für den größten Teil des 500-Jahre-Zeitraums fehlen uns schlicht und ergreifend die objektiven Daten. Vor Carrington gibt es weder Daten noch eine Verbindung zur Sonnenaktivität. Hinzu kommt, dass die Menschen tief abergläubisch waren und es vielleicht gar nicht wagten, so etwas aufzuschreiben. Herausgekommen wäre vielleicht: „Und der Himmel loderte rot vom Widerschein der Hölle.“ - Da meist nur die von Beruf Gläubigen lesen und schreiben konnten, wird so etwas oft vermieden worden sein, um nicht den Leibhaftigen zu rufen.


    CS

    Jörg

    Hallo Leute,


    der Sonnensturm 2024 Mai 10/11 gehörte zu den schwersten der vergangenen 500 Jahre. Das wird auf der heutigen Seite von https://spaceweather.com aus der Tatsache gefolgert, dass die davon ausgelösten Polarlichter sogar noch in der Karibik sichtbar waren. So etwas habe es zuvor nur 1859 (Carrington-Ereignis) und 1921 gegeben.


    Selbst noch auf Florida konnten die Polarlichter mit dem Smartphone fotografiert werden. Zu bedenken ist, dass die verantwortlichen Sturmphasen andere waren als für uns Europäer. Es wäre also möglich, dass der nordamerikanische Kontinent noch etwas stärkeren Sonnenwind abbekommen hat. Ein herausragendes Merkmal dieses Sturms war ja auch seine Dauer. Es gab nämlich auch kürzere, die für uns einfach zur falschen Tageszeit stattfanden.


    Zu bedenken ist außerdem, dass wir erst seit wenigen Jahrzehnten ein funktionierendes Vorhersagesystem haben. Hinzu kommen weltweite Vernetzung via Internet und Mobilfunk, ein höherer Bildungsgrad und die schiere Zahl derer, die zum Himmel schauen. In meiner Kindheit gab es gerade mal 2,5 Mrd. Menschen, jetzt sind wir 8 Mrd. Ich will damit sagen, dass es gut möglich ist, dass es eigentlich viel mehr solcher Stürme gab, aber ein großer Teil unbemerkt blieb, weil sie sich über dem pazifischen Raum oder dem noch dünn besiedelten Nordamerika austobten. Bis vor kurzem bedurfte es ja unter den wenigen einer willigen Seele, die so etwas dokumentiert, damit es eine Chance hatte, als Information die Nachwelt zu erreichen.


    Und noch ein Gedanke: Unsere angeblich anfällige Infrastruktur scheint diesen Sonnenssturm ganz gut weggesteckt zu haben. Keine durchgebrannten Trafos (wochenlange Blackouts!), abstürzenden Flugzeuge und von Teilchen gegrillte Astronauten. Oder hab ich da was verpasst? Wenn nicht, wäre das ein erfreuliches Argument gegen die gerne betriebene Panikmache.


    Schön ist jedenfalls, wie viele von uns dank guten Wetters und günstiger Mondphase diese Polarlichter sehen konnten. Und auch erfreulich viele Menschen, die eigentlich eher abseits unserer Astroblase stehen. Und die es genauso wenig vergessen werden wie wir, die wir regelmäßig in die Sterne schauen.


    CS

    Jörg