Beiträge von astrometer im Thema „Astrotheke versus APQ Jena“

    … Von daher sehe ich durchaus einen Sinn im neuen APQ Polychromaten und ich denke man wird den Unterschied auch in den Fotos erkennen.

    Hallo Gerd,


    bitte nicht falsch verstehen. Ich wollte den Polychromaten nicht die Existenzberechtigung abstreiten. Sie sind ohne Zweifel das Beste vom Besten, und wenn ich im Lotto gewinnen würde, wäre einer meiner nächsten Wege zu APQ.


    Ich finde aber, dass es auch anders und kostengünstiger geht. Visuell wird der Unterschied zu einem guten Fluoritapo kaum zu spüren sein und fotografisch kann man sich ein vergleichbar großes oder sogar größeres und schnelleres System als Spiegeloptik für einen Bruchteil des Geldes bauen lassen. Obstruktion wäre in diesem Fall vernachlässigbar und die Genauigkeitsanforderungen sind fotografisch etwas geringer als im Hochvergrößerungsbereich. Immer vor dem Hintergrund, dass diese Instrumente am Grund der irdischen Atmosphäre eingesetzt werden.


    CS

    Jörg

    Also ist so ein 300mm APO Bino quasi problemlos was die technische Ausführung angeht ...

    Hallo Drehn,


    so problemlos ist das leider nicht. Es gibt eine Anekdote, wonach Roland Christen, der Chef von Astro Physics, die Produktion seiner 180er Apos schon nach kurzer Zeit wieder eingestellt hat – auf Geheiß seiner Frau, weil er nur noch am Ärgern und Fluchen war, denn die Herstellung so großer Apos hat durchaus ihre Tücken und verläuft wohl fast nie reibungslos. 


    Und ich habe gelesen, dass bei TEC die Schleifmaschinen quasi in Zeitlupe laufen, damit sich das Glas/Fluorit nicht erwärmt. Angeblich haben diese Edelmanufakturen alle einen „Friedhof“ mit versauten Rohlingen. 


    CS, Jörg

    Hallo Gerd, Roland und alle, die von einem Polychromaten träumen,


    es ist wahrscheinlich das Schicksal jedes Spitzenprodukts, irgendwann von etwas besserem entthront zu werden. Was hätte Galileo gesagt, hätte er durch einen guten Fraunhofer schauen können? Und was hätte Fraunhofer beim Blick durch einen heute standardmäßigen China-Apo gesagt?


    Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass der Herstellungsaufwand trotz aller rechen- und fertigungstechnischen Helferlein immer höher wird. Das erklärt auch die Preisentwicklung. Und fraglich ist, ob die Verbesserungen dann wirklich ohne weiteres sichtbar sind. Zum einen, weil Verbesserungen an der Spitze nur mit immer höherem Aufwand erreicht werden können und dennoch immer kleiner werden. Und weil sie tatsächlich wahrzunehmen, Erfahrung erfordert. Ob Leute mit dem nötigen Geld für einen Polychromaten die immer mitbringen, ist zu bezweifeln. Es ist ja schon so, dass bei den Apos eine Portion Subjektivität im Spiel ist, wenn es darum geht, sie zu bewerten. Auch weil die realen atmosphärischen Bedingungen die Wahrnehmung limitieren. Viel macht auch das Gefühl aus, dass es nicht besser geht. Mit anderen Worten: Der Scheich in seiner Wüstensternwarte bezahlt vor allem die Gewissheit, dass ihn sein Geld an die optische Spitze gebracht hat. Hätte er einen gleichgroßen Apo daneben stehen, würde er objektiv betrachtet vielleicht gar keinen Unterschied feststellen. Subjektiv aber schon. Und das ist fast ein optisches Grundgesetz…😀


    CS

    Jörg

    Hallo Marc,


    zu den Aktivitäten von APQ Jena bzw. Ralph Mündlein kann ich nichts Aktuelles sagen – aus dem einfachen Grund, weil ich mit mehreren erstklassigen Apos (TEC, AP, Takahashi, TMB) versorgt und mit ihnen glücklich bin.


    Aber ein paar allgemeine Gedanken zum Thema hätte ich anzubieten:


    1. Die Chinesen haben mittlerweile gelernt, brauchbare Apos zu fertigen und sie bieten diese zu Preisen an, die für die Premium-Manufakturen nicht realisierbar sind.


    2. Der Einsatzschwerpunkt von Aporefraktoren hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr in Richtung Astrofotografie verschoben. In diesem Bereich sind die Anforderungen an die optische Qualität nicht ganz so groß wie für visuelle Beobachtungen bei hohen Vergrößerungen.


    3. Das Funktionieren der Marktwirtschaft verlangt regelmäßige Verbraucher. Das heißt, Hersteller und Händler sind darauf angewiesen, immer wieder etwas zu verkaufen. Teleskope, die so gut sind, dass man nie wieder etwas Besseres bekommt, ruinieren das System. Ganz besonders, wenn es sich um einen Nieschenmarkt mit kleinem Kundenkreis handelt.


    Zum Thema Seeing/Standort: Je größer die Öffnung, umso seltener die Stunden, in denen das Teleskop visuelle Bilder an seinen optischen Grenzen abliefert. Mit 100 mm gelingt das noch relativ regelmäßig, mit 130 mm schon seltener, mit 180 mm vielleicht ein paarmal im Jahr und mit 300 mm möglicherweise einmal in einem Jahrzehnt. Auf jeden Fall so selten, dass man irgendwann glaubt, eine „Gurke“ zu haben. Und wohlgemerkt: Das gilt für häufiges Beobachten. Wer seine Instrumente nur aller paar Monate benutzt, kommt vielleicht nie in den Genuss einer Ausnahmenacht.


    Dennoch wäre es in meinen Augen ein Fehler, nur weil der Himmel nicht perfekt ist, sich mit unvollkommener Optik zufrieden zu geben. Denn auch dann liefert ein Highend-Gerät bessere Bilder als ein Billigprodukt. Und es nimmt einem den sonst permanent nagenden Zweifel, dass es vielleicht noch besser ginge…


    Das alles ist aber in starkem Maß eine Mentalitätsfrage. Bin ich Perfektionist oder eher nicht? Wo liegt mein Schwerpunkt beim Beobachten? Oder geht es mir als Optikfan nur darum, immer wieder ein neues Spielzeug zu haben?


    Und finanziell darf man ohnehin nicht drüber nachdenken. Wer hier das Thema Astrotechnik rational sieht, kommt schnell davon ab.


    CS

    Jörg