Beiträge von Kalle66 im Thema „Sind Cassegrain-Typen weniger anfällig für Tubusseeing als Newtons? (und zwar allein durch ihr optisches Design)“

    Stephan,

    bei 100 Bar, sofern die Klemmschraube das jenseits von 1 Bar überhaupt hält, fliegt Dir das Okular mit Überschall durchs Auge.


    Der Brechungsindex von Luft ist n = 1,00027 und ist meines Wissens mit n-1 proportional zum Luftdruck p. Oder anders gesagt, die Formel zur Abhängigkeit geht über eine Konstante k mit n = 1 + k *p.

    Bei p = 1 Bar wäre die Konstante k dann 0,00027 und dann liegt n bei 100 Bar eher bei n = 1 + 0,00027*100 = 1,027.


    Unterwasserkameras zeigen auch in 1000 m Wassertiefe (= 100 Bar) scharfe Bilder. Die werden regelmäßig so konstruiert, den Wasserdruck durch Luftdruck im Objektiv auszugleichen, weil sonst der Wasserdruck die Frontlinse deformiert. 100 Bar entsprechen 20 t Gewichtskraft auf eine 50mm Linse.


    Kurz: Dein Teleskop würde das optisch kaum merken (okay, es fliegt Dir vorher schon um die Ohren, wenn du nicht als Tubus ein Kanonenrohr nimmst), aber ich würde mich nicht ans Okular stellen, lass Dir dann beim Okularwechsel gern den Vortritt. Die Mündungsgeschwindigkeit einer 500er Smith & Wesson ist langsamer.

    Genau, um die gehts mir. Faktor 6, 2 oder 1

    Das sind Faktoren, die du jetzt hier in den Raum stellst, aber mit nichts begründest. Wie kommst du auf solche Zahlen? Meine Vermutung ist eher, dass ohne Großrechnersimulation für zigtausend Euro du das noch nicht mal auf den Faktor 10 genau quantifizieren kannst.

    Strukturiere doch mal, mit diversen nachvollziehbaren Einzel-Annahmen. Ich mach mal den Anfang mit z.B.


    • Z.B. Anzahl der Glas/Luft-Grenzflächen: SC hat 4 (2x Schmidtplatte + FS + HS), Newton hat 2. Die neigen zu einer gewissen Eigendynamik bzgl. Seeing, sollte man getrennt bewerten.
    • Lineare Abhängigkeit: Tubuslänge zu Tubusmantelfläche, welche den Energiebeitrag der Außenflächen zur Schlierenbildung liefert (cet.par. Tubusdurchmesser, Material usw.)
    • Ob per Faltung Schlieren mehrfach durchlaufen werden oder ungefaltet dafür mehrere, das dürfte aufs Gleiche rauskommen. (Isotropie der Schlierenbildung im Tubus als Annahme)
    • Teleskope haben nach dem Primärspiegel einen Lichtkegel, in dessen Querschnitt an jeder Stelle das Nutzsignal (als Wellenfront) steckt, insofern kommt es nicht auf das Volumen des Kegels, sondern nur noch auf die Höhe=Brennweite an. Störungen unterscheiden sich da nur nach der Art (sprich sind Zernike 1 bis 4 oder 5 bis 10 betroffen?), nicht vom Umfang.
    • Verlängerungsfaktoren (der Brennweite) vergrößern auch Seeingstörungen.
    • Bodenseeing kannst du schon mit einem Newton testen: Auf Stativ vs. Dobson. Ich vermute ab 1m Bodenabstand tut sich da nicht viel, bei leichtem Wind erst recht nicht. Man muss schon topografisch einen Kältesee als Beobachtungsort erwischen. Bei leichter Hanglage ist der Effekt vernachlässigbar.
    • Denk auch an die 150 Watt, die der Beobachter am Okular selbst abstrahlt. Hinter einem SC sitzend ist es nicht der Boden, sondern dieser Körper. Als ich auf einem Teleskoptreffen mit meinem Dobson den Jupiter anpeilte, merkte ich Seeing, weil einer 5m entfernt vor dem Dobson "drunter" stand.

    Du kannst auch gewisse Analogien machen, z.B. eine thermische wärmere Blase hat Auftrieb, würde in Zenitstellung auf der Innenseite einer Schmidtplatte "kleben" wie Luftblasen unter einer Eisplatte im Teich. Bei einem Newton kann dadurch ein Kamineffekt entstehen, der für Durchzug sorgt. Im SC bewegen sich die thermischen Blasen wie in einer Lavalampe. usw.

    Im Tubus könntest du Rauch-Versuche machen, um die Schlierenbildung sichtbar zu machen.


    Dann kannst du Annahme für Annahme auf ihre Brauchbarkeit abklopfen, modifizieren oder verwerfen.

    Gerd,

    du denkst zu kompliziert und mir scheint, dass du jetzt Kümmel spalten willst.


    Hier ein Beispiel ...

    Die Tubuslänge eines Cassegrain Systems wird neben dem Verlängerungsfaktor auch beeinflusst von der Öffnungszahl des HS und von der Fokuslage hinter HS.

    Was soll das jetzt? Das mit der Fokuslage gilt doch auch für Newtons. Und selbst die haben mit Komakorrektor oder Barlow Verlängerungsfaktoren, die man im Fall der Fälle berücksichtigen darf. Und ein Lowrider käme auch kürzer in der Tubuslänge.


    Es ist auch völlig egal, ob der Strahlenkegel noch weit ist und mehrere thermische Schlieren den Strehl runterfahren oder kurz vorm Fokus eine einzige Schliere das System einfach nur defokusiert und einen Farblängsfehler oder Asti einbaut. Ich mach gerade keine Annahmen über Größe und Verteilung der Schlieren (ob mittig oder nur am Rand).


    Viel mehr als eine grobe qualitative Aussage ist doch nicht drin.

    Ein Verlängerungsfaktor vergrößert zwar diesen Fehler absolut gesehen aber er vergrößert im gleichen Maß auch das Beugungsscheinchen.

    Systeme mit gleicher Brennweite haben gleiche Beugungsscheiben. Unter sonst gleichen Bedingungen (ceterus paribus) bezüglich der Schlierendynamik eines geschlossenen Tubus, spielt dann die Baulänge des Tubus keine Rolle mehr. Dafür sorgt der Verlängerungsfaktor.

    Bleibt aber beim Vergleich von SCs mit Newtons trotzdem Kümmelspalterei, weil die c.p.-Bedingung von Newtons nie erfüllt wird. Die sind nun mal allesamt vorne offen.


    Das ist jetzt meine These.


    Wer es genauer wissen will, muss es per Versuch testen und messen/filmen. Ich täte mich nicht wundern, wenn dann Effekte zu Tage treten, an die bisher niemand auch nur ansatzweise gedacht hat. Also ab in die Klimakammer, Schlierenkamera*** hinstellen und Doktorarbeit drüber schreiben ...


    *** durchsichtigen Tubus basteln und quer zum Teleskop ein zweites mit Beobachterkamera installieren, welches nur die Schlieren z.B. im Phasenkontrast im gläsernen Tubus erkennen soll. Von mir aus von Rundtubus auf Quadertubus wechseln.