Hallo allerseits,
ich hielt mich in den letzten Tagen am Observatoire Lyon in Frankreich auf, und moechte ein paar Impressionen der alten Sternwarte mit Euch teilen.
DIe Sternwarte wurde mit einigen anderen Sternwarten (Nizza, Bordeaux und weitere) zu napoleonischer Zeit gegruendet, und sie diente zunaechst der Zeiterfassung. Es gibt auch noch Ueberreste der alten Meridianteleskope, die hierzu verwendet wurden. DIe Sternwarte wurde, wie viele Sternwarten aus dieser Epoche, schnell von der Expansion der assoziierten Stadt eingeholt. Lyon ist eine Metropole und die Sternwarte so gerade ausserhalb. Astronomische Aktivitaeten heute basieren auf ein 0.6m-Teleskop eines lokalen Astronomievereins und ein 1m-Teleskop, das fuer Studentenausbildung und Oeffentlichkeitsarbeit dient. Die eigentliche Forschung findet in einem nuechternen Buerogebaeude statt, wo die Astronomen ihre Daten auswerten, die an heutigen Observatorien gewonnen werden. Dazu gibt es einen Laborbau mit Integrationshalle, in dem Instrumente fuer die modernen Teleskope gebaut werden. Eines davon war MUSE (VLT), und ein neues wird BlueMUSE werden - ein ortsaufloesender Spektrograf, der immerhin eine Quadratbogenminute am HImmel ortsaufloesend spektral abdecken wird, und das im extrem blauen Bereich.
Vom Weiten erschient ein wasserturmaehnlches Gebilde. Dies ist tatsaechlich kein Teleskop, sondern ein Wasserturm! Er vorsorgte urspruenglich das Sternwartengelaende mit Wasser, als das Observatorium noch auf dem Lande war und separat mit Wasser versorgt werden musste.
Der "kleine Meridiankreis". Hier wurde die Zeit bestimmt, indem der Transit von Himmelsobjekten gemessen wurde.
Das instrumentengeschichtlich signifikanteste Bauwerk kommt etwas barock daher. Der weisse Kasten laesst sich abfahren, und darunter kommt eine parallaktische Montierung zum Vorschein, die lange Haelse hat. Vorn sitzt ein Objektiv (ich schaetze um die 50cm Durchmesser), und das Licht von diesem wird ueber zwei Spiegel in einen ortsfesten Fokus im Gebaeude geleitet. Der Beobachter sitzt im geschlossenen und warmen Raum am Schreibtisch und schaut durch ein "Mikroskop", das aber in Wirklichkeit das Okularende des Teleskops darstellt. Leider konnte ich keine Detailbilder machen, da das Geraet derzeit restauriert wird und das Betreten der Baustelle streng verboten ist. Jedoch stellt dieses Teleskop das letzte originale und noch uhrwerksbetriebene, und dabei funktionierende, Coudeteleskop Frankreichs dar. Die Franzosen haben das erfunden, und "Coude" heisst einfach "Knick" oder "Ellenbogen", ist also nicht nach einer Person benannt.
Edit: Wozu gibt es Wikipedia ? Im Link ein BIld, das mehr zeigt als 103 blumiger Worte meinerseits. Laut Quelle 36.6cm Durchmesser und um sieben Meter Brennweite.
Nebenan ein paar Sternwarten, wie wir sie kennen - denkmalgeschuetzt und ein bisschen den Charme des Vergangenen verbreitend.
Ich konnte nicht in Erfahrung bringen, was sich in der linken und der kleinen mittleren Kuppel (ca. 4m Durchmesser) befindet. Im Doppelbau rechts befindet sich ein 1m-Teleskop der Sternwarte sowie ein 60cm-Teleskop eines lokalen Astrovereins.
Ich hatte heute die Gelegenheit, das 1m-Teleskop zu besuchen:
Es ist ein Ritchey-Chretien, das vor ueber 50 Jahren in Marseille in einer Schiffswerft gefertigt wurde. Ich nehme an, die Optik kam woanders her ... vielleicht REOSC, aber ich konnte das nicht in Erfahrung bringen. Es wurden zwei Instrumente gebaut. Nummer 1 ging ins Gornergratobservatorium in der Schweiz, Nummer 2 nach Chile. Beide Instrumente sind inzwischen ausgemustert. Nummer 1 ist hier in Lyon, Nummer zwei in Burkina Faso in Afrika.
Das Teleskop diente einige Zeit als Testplattform fuer neu entwickelte Instrumente. Heute dient es der Studentenausbildung und der Oeffentlichkeitsarbeit. Unten haengt ein 2"-Okular von Clave dran. Normalerweise, so wurde gesagt, haengt da ein Klappspiegel. So laesst sich ein Livebild auf einen Bildschirm uebertragen, oder aber direkt durchs Okular schauen. Ich vermute, die meisten Astrotreffler wurden den zweiten Weg bevorzugen. Seufz. Ich war tagsueber dort, und es war sowieso bewoelkt.
Nun noch ein Blick in die heutige Forschung: DIeses Gebaude beinhaltet einen grossen Reinraum - quasi eine klimatisierte und luftgefilterte Montagehalle mit Portalkran, die zum Aufbau grosser Instrumente dient. Hier wurde MUSE komplett zusammengebaut und getestet, bevor es ans VLT ging. Das gleiche Schicksal wird BlueMUSE ereilen, das eingangs erwaehnte Spektrometer, das eine Quadratbogenminute spektral abzubilden vermag.
Nach Fertigstellung in ca. 10 Jahren wird das Geraet zerlegt, um am VLT auf dem Cerro Paranal in Chile das "Licht der Welt" zu erblicken!
Hier nochmal eine Impression, wie es ca. 20 Autominuten entfernt aussieht! Kein Wunder, dass in Lyon selber kein astronomischer Forschungsbetrieb mehr moeglich ist. Die Stadt hat ihre Sternwarte laengst eingeholt, wie so so vielen zeitgenoessischen Sternwarten passiert ist.