Hallo Stefan
Ok. Ja, dann ist es durchaus möglich oder sogar wahrscheinlich, dass du die EQ6 - bzw. wohl jede andere Montierung auch - jeweils neu kalibrieren muss. Damit meine ich Einnorden und ein Sternealignement durchführen. Ich lasse mich aber gerne eines anderen belehren und bin gespannt, was du dann diesbezüglich zu berichten hast
Ich versuche dir relativ knapp möglichst zutreffend weiterzuhelfen. Meine Ausgangslage (damit du dir etwa vorstellen und mit deiner Situation vergleichen kannst):
Montierung: iOptron CEM25P
Bedienung Montierung: via Handcontroller (kein Laptop)
Kamera / Teleskop / Brennweite Teleskop: Nikon D7500 (DSLR) / William Optics RedCat / 250 mm
Autoguiding: Ja, mittels Lacerta MGEN3 (via separates Guiding-Leitrohr, 260mm Brennweite)
Zu deiner Frage wegen dem Tracking: Deine Montierung dürfte sehr ähnlich funktionieren wie meine. Via Handsteuerbox - wenn alles vorbereitet ist (siehe nachfolgende Auflistung) - aus dem Verzeichnis auswählen, was man anfahren möchte (z.B. Sonnensystem / Planeten oder Ziele aus dem Messier-Katalog, Ziele aus dem NGC-Katalog, usw.). Das Ziel mit Enter bestätigen und die Montierung fährt zum Ziel. Je nach dem wie gut du zuvor die nachfolgenden Punkte der Auflistung abgearbeitet hast, und je nach eingesetzter Brennweite, trifft deine Montierung das Ziel dann mehr oder weniger (punkt)genau. Je grösser die Brennweite, die du einsetzt, desto genauer musst du die nachfolgenden Punkte abarbeiten bzw. desto weniger "Toleranz" kannst du dir leisten, damit deine Montierung das Ziel auch wirklich im ersten Anlauf trifft
Anleitung Einnorden und Sterne-Alignement
Wenn du dein Material bereit hast, stellst du mal deine Montierung auf. Damit meine ich: Platz aussuchen, Stativ korrekt aufstellen. Nur das Stativ - ohne Montierung, also ohne "Motor"! Dann Folgendes in der aufgeführten Reihenfolge (!):
- Stativ ungefähr nach Norden ausrichten
Ich lege dafür ganz simpel mein iPhone auf die flache Fläche / Verbindungsplatte meiner Montierung, worauf ich später den Motor, also die eigentliche Montierung, platziere. Mittels Kompass des iPhone richte ich die Montierung nach Norden aus. Dafür orientiere ich mich am "Verbindungszapfen", der aus der Verbindungsplatte nach oben heraussteht (dieser verbindet später die Montierung mit dem Stativ).
Noch immer mit dem iPhone auf der flachen Fläche / Verbindungsplatte meiner Montierung starte ich die iPhone-App "Wasserwaage". Damit bringe ich die Montierung ins Lot, stelle sie also waagerecht hin. Wenn ich das Stativ in der einen Ausrichtung des iPhone im Lot habe (z.B. Nord-Süd), drehe ich das iPhone 90 Grad nach rechts, so dass es quer statt längs auf der Fläche liegt. Dann bringe ich das Stativ erneut ins Lot. Das mache ich, bis das Stativ in beiden Achsen des iPhone (also längs und quer) im Lot ist.
- Montierung auf Stativ aufsetzen
Jetzt kommt der "Kopf", also die Montierung / der Motor auf das Stativ. Wenn man nicht gerade Matsch als Untergrund hat, sollte dies weder die grobe Einnordung verändern noch das Stativ aus dem Lot bringen. Sicherheitshalber bei der EQ6 einen Blick auf die eingebaute Wasserwaage richten (ich glaube, die hat sowas?).
- Montierung ungefähr einnorden
Wichtig: Bis jetzt ist noch keine Kamera und kein Teleskop auf dem Stativ montiert! (das macht es ggf. einfacher)
Der Nordstern "Polaris" sollte jetzt bereits im Polsucher sichtbar sein.
Wenn er dies nicht ist: Polhöhe kontrollieren (einzustellende Grad sind = Breitengrad des eigenen Standorts; ggf. ist die angezeichnete Skala an der Montierung nicht ganz korrekt - sich also wegen der Skala nicht verrückt machen lassen!)
Wenn Polaris aufgrund seitlicher Abweichung nicht im Polsucher ist: Zuerst versuchen, mittels Stellschrauben an der Montierung die Montierung seitlich zu "verschieben" bzw. mechanisch mittels den Schrauben seitlich korrekt auszurichten, bis Polaris im Polsucher erscheint (dabei wird das Stativ nicht bewegt). Reicht die seitliche Toleranz der Stellschrauben nicht aus, um Polaris in den Polsucher zu bringen, muss die Montierung inkl. Stativ manuell verstellt werden. Dann ist aber zu prüfen, ob sich Stativ und Montierung noch immer im Lot befinden!
- Kamera, Teleskop und sonstiges Equipment montieren
Jetzt kommt das Teleskop, die Kamera und das restliche Equipment auf die Montierung. Alles anschliessen, inkl. Kabel.
Kamera und Teleskop mit dem / den Gegengewicht(en) austarieren, so dass keine einseitige Kraft herrscht.
- Montierung genau einnorden
Jetzt wird Polaris innerhalb des Polsuchers an seine korrekte Position gebracht: Mittels Zuhilfenahme des Handbuchs oder - einfacher! - einer App fürs Smartphone findet man heraus, wie die Montierung in Höhe und seitlicher bzw. horizontaler Ausrichtung mittels vorgenannter Stellschrauben fein ausgerichtet werden muss, damit Polaris innerhalb des Polsuchers genau auf die aktuell nötige Position zu liegen kommt. Ich benutze dafür die iPhone App "PS Align Pro" in der "Pro Version", weil ich damit - abhängig von meinem exakten Standort und der Uhrzeit - ganz einfach und für genau meinen Polsucher korrekt angezeigt bekomme, wo im Polsucher Polaris genau stehen muss - also auf welchem Kreis (falls dein Polsucher mehrere Kreise eingezeichnet hat) und darauf auf welcher Uhrenposition (z.B. 5 Uhr oder 10 Uhr).
Es ist wichtig, Polaris genau auf die aktuell gültige Position im Polsucher zu bekommen!
- Sternealignement durchführen
Ich führe dann ein 3-Sterne-Alignement durch. Wenn ich vorher alles korrekt gemacht habe, stellt dies kaum ein Problem dar: Meine Montierung schlägt mir - via Handsteuerbox - jeweils mehrere Sterne vor. Sie weiss aber nicht, wie mein Horizont aussieht, also ob z.B. hinter mir ein hohes Haus / Berg steht oder ob vielleicht links von mir der Himmel leider von Wolken verdeckt ist. Bevor ich also einen der vorgeschlagenen Sterne auswähle und die MOntierung diesen anfährt, überprüfe ich mit einer Handy-App (z.B. "SkyView Lite" oder "Stellarium"), ob der vorgeschlagene Stern auch effektiv für mich an meinem Standort sichtbar ist. Wenn ja, bestätige ich den Stern und die Montierung fährt den Stern an. Beim ersten Stern dürfte die Montierung trotzdem noch ein wenig danebenliegen. Das heisst, ich orientiere mich am Nachthimmel (ggf. wieder unter Zuhilfenahme der vorgenannten Apps) wo der zuvor ausgewählte Stern am Himmel ist und wohin meine Montierung (Teleskop) effektiv zeigt. Mittels Handsteuerbox -> Pfeiltasten korrigiere ich die Ausrichtung der Montierung, bis der Stern auf dem Bildschirm meiner Kamera exakt in der Mitte ist (bei der DSLR: LiveView einschalten und - wenn möglich - Gitternetzlinien der Kamera einblenden und den Stern damit exakt in der Mitte positionieren). Dann an der Handsteuerbox das Alignement der Montierung auf den 1. Stern mit OK bestätigen. Dann schlägt die Kamera eine Auswahl von Sternen für den 2. Alignement-Stern vor. Das Vorgehen wiederholen (zuerst schauen, ob der vorgeschlagene Stern am eigenen Standort sichtbar ist), dann mit OK bestätigen, usw.
Die Abweichugn beim ersten Stern und ggf. auch beim zweiten Stern dürfte noch mehr oder weniger gross sein. Spätestens den dritten Stern sollte die Montierung aber auf Anhieb ziemlich gut treffen.
- Ziel auswählen, Tracking starten
Jetzt über die Handsteuerbox das Ziel auswählen, welches man beobachten bzw. fotografieren will. Dafür stehen in der Regel eben über die Handsteuerbox verschiedene Kataloge zur Auswahl (Sonnensystem, Messier-Katalog, NGC, usw.). Ziel auswählen und mit OK bestätigen. War die zuvor getätigte Arbeit gut bis sehr gut, müsste die Montierung nun das Ziel genau treffen. Sobald dies der Fall ist, starte ich das Tracking auf das Ziel mit erneuter Bestätigung an der Handsteuerbox (ich glaube, es heisst was mit Tracking).
So.... Das hört sich jetzt nach viiiiieeeel Vorarbeit an. Aber es liest sich mit der Zeit langsamer, als man es ausführt
Meine Fehlerquellen
Wenn das Sterne-Alignement fehlschlägt, d.h., die Abweichung zum 1. Stern ist (normal) gross, beim zweiten Stern immer noch gross und wenn ich beim 2. Stern "meine" Korrektur der Montierung vorschlage, bricht das Sterne-Alignement mit "fehlgeschlagen" ab, dann waren dies jeweils die Ursachen:
- Ungenaue Einnordung: Polaris muss sich im Polsucher an der korrekten Stelle befinden! Wenn du nicht gerade nur mit Weitwinkelobjektiv (20 - 30 Millimeter) fotografierst, reicht es nicht aus, wenn sich Polaris einfach irgendwo im Polsucher befindet.
- falsche GPS-Daten: Die Montierung muss genau wissen, wo sie sich befindet. Ein eingebautes GPS-Modul kann sich täuschen. Es lohnt sich, die genauen GPS-Daten zu ermitteln und diese korrekt einzugeben (Format beachten, es gibt unterschiedliche Darstellungen / Format!). Hilfsmittel: Smartphone App (Genauigkeit der Ortung anzeigen lassen), zuhause ggf. mittels Kartenmaterial / Google Maps die Koordinaten notieren
- Falsche Uhrzeit: Die Uhrzeit muss an der Handsteuerbox exakt eingegeben werden! Die Montierung nimmt sonst an, die Sterne würden sich an einer anderen Position befinden.
- Falsche Zeitzone: Du musst korrekt eingeben, in welcher Zeitzone du dich aktuell befindest (UTC+X).
- Sommerzeit / Winterzeit: Die Einstellung an der Handsteuerbox muss auch diesbezüglich stimmen. Sonst weicht deine Montierung bzw. ihre Ausrichtung um eine Stunde ab. Und in einer Stunde stehen die Sterne ganz woanders! In meiner Montierung heisst diese Einstellung übrigens "DST", was für mich zuerst unklar war. Kommt aber von "Daylight Saving Time" und kennt zwei Werte: Y (yes) oder N (no), also entweder es herrscht jetzt Sommerzeit oder Winterzeit.
Ich hoffe, das hat geholfen. Wenn du bis hierher gelesen hast, hast du dir eine Mütze Schlaf verdient
Gruss
Filippo
p.s.: Ich hoffe, es hat sich in meiner Schilderung kein Fehler eingeschlichen. Zudem wäre es interessant, Feedback eines Nutzers einer EQ6 zu erhalten, ob das Beschriebene auch für EQ6-Nutzer funktioniert.