Hallo Caro,
vielen Dank erst mal dafür, dass du so detailliert auf meinen Beitrag und die Fragen eingegangen bist, in vielem stimmen wir vermutlich überein, das Statement am Ende der Presserklärung von I. Banik finde ich auch sehr irritierend. Die Debatte um kosmologische Modelle ist sehr interessant, und ich habe ein Weile gebraucht bis mir klar wurde was mich häufig irritiert.
Du schreibst oben, man hört sich gegenseitig an, diskutiert, zeigt Widersprüche auf. So sollte es sein, doch in wie weit entspricht dieses positive Bild der Realität? Die wenigen Verfechter von MOND setzen sich sehr intensiv mit dem Standardmodell auseinander, vorzugsweise den Schwächen, denn sie wollen es widerlegen. Die Protagonisten des Standardmodells werden gelegentlich auch die Resultate alternative Modelle zur Kenntnis nehmen, doch interessieren sie sich wirklich dafür, hoffen sie, dass sie für ihre eigenen Arbeit etwas lernen können, ihre Modelle verbessern? Da bin ich skeptisch, in vielen Lehrbüchern der Astrophysik und Kosmologie wird MOND komplett ignoriert. Die Frage, wann ist eine Theorie widerlegt, was sind die Kriterien wird auch kaum thematisiert. Warum wird nicht geschrieben wo MOND versagt, aber auch dargestellt wo MOND überraschender Weise korrekte Ergebnisse liefert und Vorhersagen macht die später durch Beobachtungen bestätigt werden?
Oder nochmal aus einer anderen Perspektive, warum stimmen die Ergebnisse einer falschen Theorie in manchen Bereichen so gut mit den Beobachtungen überein, besser als die des Standardmodells, steckt etwas dahinter, und wenn ja, was? Es geht mir hier weniger um MOND, ich bin dem Modell auch skeptisch gegenüber, sondern um die Frage, ob das Standardmodel konzeptionell etwas Fundamentales übersieht oder dahinter sich eine umfassendere Theorie verbirgt, die wir heute noch nicht sehen. Der wissenschaftliche Nachwuchs interessiert sich voranging für offene Fragen und die Schwierigkeiten von Modellen, weil er dann selbst mit der Klärung etwas Wichtiges beitragen kann, es fällt ihm leichter mit Denkmustern zu brechen. Am Platz kann es nicht liegen, wenn Astrobücher MOND oder allgemeiner Modelle mit modifizierter Graviation unter den Tisch fallen lassen. Der 'Demtröder', das Standardlehrbuch der Experimentalphysik für Studienanfänger muss in einem Band das breite Spektrum von Kern-, Teilchen- und Astrophysik abdecken, doch dort wird MOND erwähnt. Vielleicht ist es aus der Distanz einfacher über Alternativen und Probleme zu berichten, und ich habe mich gefreut, dass du trotz deiner Skepsis die o.g Arbeiten vorgestellt hast.
Bald gibt es hoffentlich Neues zu dem Thema, es wird spannend wenn das James Webb Teleskop erste Ergebnisse liefert, Blicke in das ganz junge Universum, die uns hoffentlich zeigen wie damals Galaxien aussahen und wie deren Entwicklung abläuft .
Beste Grüße
Thomas