Beiträge von Lucifugus im Thema „Vespera - Ein neues EAA Teleskop von Vaonis“

    Servus Winni (und servus beinand),


    ich erlaube mir, deine Aussage ein bisserl zu konkretisieren/verändern:


    "Der Blick nach oben fehlt komplett, das Ganze hat mit dem Hobby Astronomie soviel zu tun wie ..."


    Wie arbeiten denn Astronomen? Sie sitzen beispielsweise in einem Zimmer mit Deckenbeleuchtung, dort wiederum vor einem PC und freuen sich, dass sie Beobachtungszeit bei einem der Roboterteleskope, sei es in Chile, sei es im Weltraum erhalten haben. Oder noch weniger Astronomie ist es, Daten dieser Roboterteleskope auszuwerten? Seien es Fotografien, seien es Spektren, seien es Parallaxenangaben...
    Astronomie bedeutet Datenanalyse, Astronomie ist eine Wissenschaft.


    Was bedeutet für mich persönlich das Hobby? Ich selber genieße es, einen Stuhl und einen Tisch aufzustellen. Ich genieße es, einfach da zu sitzen und stundenlang den Himmel anzusehen, während die Montierung nebst Teleskop nebst Kamera arbeitet. Ich genieße es auch, durch das Okular live zu sehen. Ich genieße die frische Luft, die Dunkeladaption der Augen, die Grenzgröße, die ich wahrnehme und mit der anderer Nächte vergleiche. Ich nutze es, um runterzukommen, zu entschleunigen, zu entspannen.


    Ich würde aber niemals behaupten, dass das viel mit Astronomie zu tun hat. Ich könnte genauso beim Angeln entschleunigen. Nur angle ich nicht... Ich hocke nachts draußen.


    Und manchmal bin ich auch astronomisch tätig - wenn ich die Datensätze analysiere, wenn ich prüfe, was ich auf meinem Fotos an Strukturen erkennen kann. Wissenschaftlich ist das aber auch (noch) nicht. Vielleicht später, wenn ich mich mal an Kalibrierungen wage (Helligkeitsmessungen, Dokumentation von Veränderlichen Sternen...).


    Was ich auch sehe: ich brauche aktuell knapp unter einer Stunde, um mein Teleskop im Dunklen komplett aufzubauen, einzunorden, zu justieren und ein Drei-Sterne-Alignment zu machen. Erst dann kann ich anfangen, Daten zu sammeln. Dazu gehört auch die Fotografie oder auch die Beobachtung nebst Notizen/Skizzen. Berufsastronomen hätten von dieser leeren Zeit nichts... die wollen Daten auswerten.


    Ich kann daher die Vergleiche, was bei unserem Hobby noch Astronomie sein soll und was nicht mehr, absolut nicht nachvollziehen. Hauptsache, man hat Freude am Hobby. Und ja, die kann man auch im Wohnzimmer haben, wenn man auf dem Riesen Fernseher mit OLED-Technik Nebel und Sternhaufen live elektronisch beobachtet. Und selbst wenn man Bilder aus dem Netz ansieht, hat auch das mit Astronomie zu tun. Man erfreut sich am Bild und lässt sich faszinieren. Ich schaue auch Hubble-Bilder an und lasse mich faszinieren. Auch das ist Teil des Hobbys Astronomie.


    Lasst doch jeden dieses Hobby so ausleben, wie man mag. Ohne Neiddebatte, Drinks am Pool als Argument oder wie groß die Brieftasche ist. Ich selber bin technisch zu ungeschickt, um ein Teleskop selbst zu basteln. Ich habe meines fertig gekauft. Betreibe ich dann nicht das "echte" Hobby Astronomie?


    Das Ganze erinnert mich an "meine" Musikszene, in der es immer wieder hieß, welche Stilrichtung, welche Band true "trve" sei (ich höre Metal). Dabei sind all diese Diskussionen völlig irrelevant. Wichtig ist, was einem selber gefällt. Deshalb ist es ein Hobby. Wäre es ein Beruf, sähe es anders aus. Und wäre die Astronomie mein Beruf, würde ich vermutlich jahrelang Infrarotdaten auswerten und vielleicht gar nicht am Teleskop sitzen, nichtmal an einem der sauteuren Roboterteleskope, deren Bilder sich die Hobbyleute so gerne anschauen. Vermutlich würde ich dann trozdem mal nachts draußen sitzen, aber dann wäre das wiederum nur ein Hobby. Als Astronom wäre mein 8-Zöller ein nettes Spielzeug, nicht mehr.


    Und so ist es ja auch für mich. Mein Teleskop ist letzten Endes nichts als ein teures Spielzeug für Erwachsene, die nachts zu viel Zeit haben. Mich eingeschlossen. Wobei... ich nutze das Teleskop und auch die Fotos auch beruflich, nämlich für die Schule, an der ich unterrichte. Und für mein Astronomie-Seminar. Und ja, gerade was das Seminar angeht, wäre ich froh, die Schule hätte ein kleines Roboterteleskop. Leicht zu transportieren, schnell aufzubauen und alle Schülerinnen und Schüler können per W-Lan gleichzeitig beobachten. Ein Teleskop vor 15 wartenden Schülerinnen und Schülern als Vorturner im Dunklen aufzubauen, einzunorden usw., während im Publikum Ungeduld entsteht, ist nicht wirklich entspannend.


    Vermutlich habe ich mich jetzt als absolut untrue geoutet. Ich steh aber dazu, dass ich ein in meinen Augen geniales ("nur") Hobby habe.

    Liebe Grüße,

    Christoph