Beiträge von Robert Ganter im Thema „Analoger Kompass mit Winkelmesser zur ausrichtung am Teleskop“

    Hallo zusammen, hallo Kalle,


    zum Thema GPS und Intertialkompass (Beschleunigungssensor):

    mag ja sein, dass die Erde pro Tag einmal um sich selber rennt ^^ , das tun ein stationärer GPS Empfänger und die GPS Satelliten aber auch - relativ zur rennenden Erde.

    Alle GNSS (global navigation satellite system) Systeme, also GPS, GLONASS, Galileo und Baidu arbeiten nach dem Prinzip der Triangulation mit den Unbekannten "Position Satelliten", Zeit, "Laufzeit Signal" (Distanz, aber leider auch Laufzeiten durch unterschiedliche Medien), Dopplershift.

    Alle GPS Satelliten (eines Systems) senden übrigens auf der gleichen Frequenz, der Empfänger "hört" also ein Kuddelmuddel von Signalen auf der gleichen Frequenz. Das Geheimnis liegt in der Codierung der Signale: jeder Satellit moduliert das Nutzsignal (Ephemeriden, Satellitendaten) (GPS: 50bits/s) mit einem den Empfängern bekannten Pseudozufallscode (GPS, zivilier Code: 1.024Mbit/s, für jeden Satelliten ein Code), die mit digitalen Korrelatoren wieder separiert werden können (für die Mathematiker: die Codes sind orthogonal zueinander und daher linear unabhängig).

    Die Auswertung der Signale im GPS Empfänger ist ein hochkomplexes Verfahren, das in einem iterativen Prozess Fehler, in erster Linie durch die grosse Unbekannte "Laufzeit durch die Atmosphäre" hervorgerufen, herausrechnet.

    Kurzum: man kann dank der ganzen Rechnerei davon ausgehen, dass man bei stationärem Einsatz N "stationäre" Triangulationspunkte zur Verfügung hat, aus denen man

    a: seine Position im Raum bestimmen kann

    b: seine Richtung im Raum *nicht* bestimmen kann. Alle mir bekannten GPS Empfänger errechnen Richtung, Geschwindigkeit (1. Ableitung) und Beschleunigung (2. Ableitung) durch zwei oder mehr Messpunkte, die sich natürlich signifikant (also über dem Rauschen, im Fachjargon DOP (Dilution of Precision) genannt) unterscheiden müssen. Ich wage zu bezweifeln, dass aus den (aus den übertragenen Ephemeriden) bekannten Geschwindigkeits- resp. Beschleunigungsvektoren der Satelliten eine ausreichend genaue Richtungsinformation berechnet werden kann. Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren, das wäre eine durchaus interessante Alternative zu Magnetsensoren.


    Ich mache also ein sehr grosses Fragezeichen, wenn ein *stationärer* GPS Empfänger aus den GPS Daten eine Richtung errechnet haben will. In diesem Fall würde ich eher von einem zusätzlich verbauten Kompasssensor ausgehen, der diese Aufgabe erledigt.


    Damit noch kurz zu diesem Thema: Beschleunigungssensoren reagieren *nicht* auf Magnetfelder (im Rahmen dessen, was normalerweise so an Magnetfeldern auftritt). Diese messen die (Erd)beschleunigung (das Schwerefeld) in drei Achsen und keine Magnetfelder. Leider reicht das für einen Kompass nicht, da man in guter Näherung davon ausgehen darf, dass das Schwerefeld immer Richtung Erdmittelpunkt zeigt (z.B. Z-Achse). In X- und Y-Richtung passiert (fast) nichts. Ohne, wie bei Trägheitsplattformen üblich, Kalibrierung *vor* Einsatz gehts also nicht.

    Aus diesem Grund ist in den Sensoren in Smartphones zusätzlich ein 3-D Magnetsensor verbaut, der das Erdmagnetfeld misst. Leider aber auch magnetische Objekte in seiner Nähe. Mit etwas Softwarezauber scheinen es aber die Hersteller digitaler Schminkspiegel geschafft zu haben, das mehr oder weniger so zu kaschieren, so dass es im Normalfall ausreicht.

    Ich habe das mal schnell an meinem Iphone ausprobiert: Kompass-App, dann mit starkem Magneten in die Nähe rumgefuchtelt. Ätsch: aus Süden wird plötzlich Westen. War wohl nichts.


    Zusammenfassend:

    GNSS stationär: Position, über längere Zeit gemittelt meist <2m, bei schlechten Bedingungen (Schneefall, Nebel, Regen, Häuserschluchten) auch mal >30m

    Trägheitsplattform (Kreisel, Beschleunigungssensoren): ohne Kalibrierung: Erdbeschleunigung, mit Kalibrierung vor Einsatz: Position im Raum (mathematisch: Beschleunigung 2x integrieren. Wegen der Integration über längere Zeit instabil).

    Kompass mit magnetischem Material in der Nähe: unbrauchbar.


    Für den Hausgebrauch würde ich trotzdem den Kompass meines Smartphones nehmen. Als erste Näherung ist das genau genug, um Polaris im Polsucher zu sehen und dann die Feinjustierung durchzuführen. Wer natürlich Polaris nicht sehen kann, hat ein Problem, das ist mir schon klar.


    Herzliche Grüsse Robert