Beiträge von Heljerer im Thema „Beweisführung der Erddrehung durch Mondbeobachtung“

    Soviel ich weiss, war es die Inquisition. Die Kirche war höchstens Mittäter

    Die römische Inquisition war eine Institution der Kirche. Ein Prozess der römischen Inquisition stand direkt unter der Verantwortung des Papstes.


    Die Hexenverfolgung wurde von weltlichen Gerichten betrieben. Da die Hexenverfolgung hauptsächlich in Mitteleuropa stattfand, war die römische Inquisition daran nicht direkt beteiligt. Näheres ist hier nachzulesen. Ich meine mich daran zu erinnern, dass während der schlimmsten Zeit der Hexenverfolgung der Papst sogar zwei Gesandte nach Deutschland geschickt hat, um dem Hexenwahn Einhalt zu gebieten. Das müsste ich aber nochmal recherchieren.


    Die Hexenverfolgung zeigt aber, dass es eben nicht so einfach ist, derartige historische Phänomene zu verstehen. Offensichtlich spielte es aber eine Rolle, ob es in den betreffenden Ländern eine Zentralgewalt gab oder nicht. In Ländern mit Zentralgewalt (z.B. Spanien und Vatikanstaat) fanden kaum Hexenverfolgungen statt. In Ländern ohne starke Zentralgewalt (vor allem Deutschland) hat die Hexenverfolgung besonders gewütet. Das lässt sich auch heute noch beobachten. Im 20. und frühen 21. Jahrhundert wurden mehr Menschen wegen Hexerei ermordet als während der gesamten Hexenverfolgung der frühen Neuzeit. Die Hexenmorde finden auch heute noch vor allem in Ländern schwacher Zentralgewalt (z.B. in Afrika und Indien) statt.

    Hallo zusammen!


    Es geht mir hier nicht darum die Verfehlungen innerhalb der katholischen Kirche schönzureden. Vielmehr geht es mir um eine differenzierte Beurteilung, die den jeweiligen Zeitgeist berücksichtigt. Dante hat in seiner göttlichen Komödie (Anfang des 14. Jahrhunderts) die Korruption etlicher Päpste angeprangert und dementsprechend in der Hölle schmoren lassen. Diese Päpste wurden also auch schon von ihren Zeitgenossen nicht als feine Kerle beurteilt. Andererseits werden aber andere von Dantes Zeitgenossen in den Himmel versetzt. Einer der vielen Fehler des "Gründungsmythos Naturwissenschaft" ist, dass die katholische Kirche wie ein monolithischer Block behandelt wird. Auch wird der Grad an wissenschaftlicher - in unserem Zusammenhang vor allem astronomischer - Bildung der Theologen im Mythos völlig falsch dargestellt. Viele der hochrangigen Theologen waren wissenschaftlich auf der Höhe ihrer Zeit und konnten problemlos an entsprechenden Diskussionen teilnehmen.


    Papst Urban VIII war schon als Kardinal mit Galilei befreundet und sehr an dessen Forschungen interessiert. Liest man sich die damalige Korrespondenz durch, so erscheinen die Argumente des Papstes oft moderner als die von Galilei. Der Papst hat Galilei klargemacht, dass er gerne bereit ist, dessen Theorien auch theologisch zu prüfen, falls er entsprechende Beweise vorbringen kann. Mit anderen Worten: Falls Galilei wirklich die Bewegung der Erde beweisen kann, müssten entgegenlautende Bibelstellen von Theologen einer Neuinterpretation unterzogen werden. Ohne Beweise dürfe Galilei seine Lehren nur als reine Hypothese bezeichnen. (Würden die meisten von uns wahrscheinlich heute genauso sehen.) Galilei behauptete, dass die Gezeiten die Bewegung der Erde bewiesen. Eine Theorie, die schon aus damaliger Sicht ein völliger Witz war. Der Zensur hat er zu verdanken, dass der Titel seines Werkes von 1632 von "Dialog über die Gezeiten" in "Dialog über die zwei Weltsysteme" umbenannt wurde. Wäre die lächerliche Theorie schon, wie geplant, im Titel genannt worden, wäre es vielleicht nie zum Mythos Galilei gekommen.


    Galileis Problem war erstens, dass er starrköpfig daran festhielt, dass seine Theorie Vorrang gegenüber der Bibel haben müsse, obwohl er keinen schlüssigen Beweis vorbringen konnte. Zweitens hatte Galilei ein kleines Persönlichkeitsproblem, das darin bestand, dass er zeitlebens seine Gegner lächerlich gemacht hat und sobald sie am Boden lagen noch ein paarmal nachgetreten hat. Diese Behandlungsmethode wollte sich der Papst nicht gefallen lassen :/ :/. Drittens hatte Galilei das Problem, dass er sich mitten in der Zeit der Gegenreformation befand, in der die katholische Kirche um ihre Vorherrschaft kämpfte. Hätte Galilei von seinen drei Problemen nur eines nicht gehabt, wäre er wahrscheinlich ungeschoren davon gekommen. Das zeigen die vielen anderen Kopernikaner, die nie mit der Inquisition in Konflikt geraten sind.


    Gruß

    Wolfgang

    Einen lacher gibt es, wenn man die Geschichte der Geisteskrankheiten mal anschaut. So glaubten die Indianer bei einem Schizophrenen, dass es kontakt habe mit den Ahnen.

    Man muss mit der Beurteilung - und vor allem der Verurteilung - der Vergangenheit sehr vorsichtig sein. Wenn man sich wirklich die Mühe macht und sich intensiv mit den Gegebenheiten einer bestimmten Zeit auseinandersetzt, ist plötzlich vieles nicht mehr so lächerlich, wie es auf den ersten Blick durch die moderne Brille erscheint. Ich wäre übrigens lieber ein Schizophrener bei den Indianern als ein Schizophrener im Amerika der 1950er Jahre gewesen. Nicht nur Schizophrene sondern auch verhaltensauffällige Jugendliche wurden damals zigtausendfach einer Lobotomie unterzogen. Prominentestes Opfer war Rosemary Kennedy, die Schwester von John F. Kennedy.


    Die Naturwissenschaftler haben sich einen Gründungsmythos zurechtgelegt. Nach diesem Mythos haben sich die Naturwissenschaften in einem hehren Kampf im Zeichen der Wahrheit entwickelt. Die Gegner waren reaktionäre Kräfte, die an Zauberei, Astrologie und überhaupt alles Irrationale geglaubt haben. Inbegriff dieses Gegners war die katholische Kirche. All ihre Macht hat der Kirche aber nichts geholfen. Dank Märtyrer wie Galileo Galilei und Giordano Bruno gingen die Naturwissenschaften am Ende als Sieger hervor. Soweit der Mythos. Die moderne Wissenschaftsgeschichtsschreibung hat diesen Mythos mittlerweile weitgehend zerstört. Die Wissenschaftsgeschichte ist hochgradig komplex. Interessant finde ich z.B. die Wendung, die die Geistesgeschichte zum Beginn der Neuzeit genommen hat. Der Mythos sagt, dass mit der Neuzeit Schritt für Schritt alles Irrationale, Magische zurückgedrängt wurde. In Wirklichkeit hat genau das Gegenteil stattgefunden. Die Gelehrten des Mittelalters waren vergleichsweise rational (Natürlich eine andere Rationalität als die heutige). Mit dem Fund und der Übersetzung antiker hermetischer Schriften glaubte man in der frühen Neuzeit den Schlüssel zu höchstem Wissen gefunden zu haben. Damit entstand eine sehr starke Strömung in Richtung Magie , Astrologie, Kabbala, Alchemie, Hexenglauben u.s.w. Dieser Strömung stand die katholische Kirche weitgehend ablehnend gegenüber. In der Zeit der Gegenreformation war die Kirche dann auch nicht zimperlich mit derartigen "Magiern", vor allem dann, wenn sie aus den eigenen Reihen kamen, wie z.B. Giordano Bruno.


    Man darf bei der Beurteilung der Vergangenheit nicht vergessen, dass die Menschen ja damals nicht wissen konnten, in welcher Richtung die Wahrheit zu finden sein wird. Einen Blick in die Zukunft konnte niemand werfen. Die Ironie ist: Wir könnten heute ohne weiteres einen detaillierten Blick in die Vergangenheit werfen, tun es aber nicht, weil wir lieber bei unserem bequemen Geschichtsmythos bleiben.


    Gruß

    Wolfgang

    Der Übergang vom geozentrischen Weltbild zum heliozentrischen Weltbild fand sehr langsam statt. Es gab nicht das eine entscheidende Argument. Es war eher so, dass die Indizien für das heliozentrische Weltbild immer zahlreicher wurden. Die Diskussion fing schon lange vor Kopernikus an. Das heliozentrische Weltbild wurde von Aristarch von Samos im 3. Jahrhundert v. Chr. begründet. Kopernikus hat Aristarch auch ausdrücklich als Urheber genannt. Deshalb wurde Kopernikus von seinen Zeitgenossen auch gelegentlich als "der moderne Aristarch" bezeichnet. Auch im Mittelalter wurde schon diskutiert, ob es nicht einfacher wäre, die Erde als rotierend und die Fixsternsphäre als stillstehend anzusehen (z.B. Nikolaus von Oresme im 14. Jahrhundert). Schon damals war man sich bewusst, dass zwischen beiden Weltmodellen durch reine Beobachtung der Bewegungsverläufe nicht entschieden werden kann.


    Kopernikus konnte in seinem Buch 1543 kein einziges neues Argument für den Heliozentrismus vorweisen. Kopernikus' Leistung besteht ja nicht darin, das heliozentrische Weltbildes entwickelt zu haben. Seine Leistung ist, dass er für das heliozentrische Weltbild einen mathematischen Formalismus entwickelt hat, mit dessen Hilfe man die Planetenbewegungen berechnen kann. Die Methode wurde gerne als Formalismus akzeptiert. Wahrheit wurde dem heliozentrischen Weltbild 1543 aber nicht zugebilligt.


    Hauptsächliches Argument dagegen: In einer heliozentrischen Welt müsste eine Fixsternparallaxe beobachtbar sein, was aber nicht der Fall war. Daher muss im heliozentrischen Universum die Fixsternsphäre unermesslich groß sein. Auch immer präzisere Messungen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts konnten keine Parallaxe nachweisen. Zu dieser Zeit ging Tycho Brahe von einem Sterndurchmesser von 2' aus. (Ein Experiment, das ich bei Gelegenheit mal machen werde: Mit Tychos Peilmethode den scheinbaren Durcmesser eines Sternes messen. Ich vermute, dass die 2' ganz einfach die Größe des Beugungsscheibchens auf der Netzhaut sind.) Zusammen mit dem notwendigen großen Abstand der Fixsternsphäre ergibt ein scheinbarer Sterndurchmesser von 2' einen unglaublich großen tatsächlichen Sterndurchmesser. Außerdem hat Tycho Brahe argumentiert: Warum soll denn ausgerechnet der schwere Klotz von Erde durchs Weltall rasen, während die leichten feurigen Himmelskörper, Sonne und Sterne, stillstehen?


    Witzigerweise haben die Kopernikaner im 16. Jahrhundert in Ermangelung wissenschaftlicher Argumente gerne theologisch argumentiert.


    Letztendlich kam der endgültige Durchbruch des heliozentrischen Weltbildes erst zustande, nachdem die komplette Physik erneuert wurde. Auf Grundlage der vorherigen aristotelischen Physik war es geradezu absurd von einer beweglichen Erde auszugehen. Denn Beobachtungen alleine, ohne übergeordnetes Theoriegebäude, können niemals nachweisen, dass sich die Erde bewegt.


    Gruß

    Wolfgang

    Über die Mondparallaxe kann man die Drehung der Erde nicht beweisen. Die Messergebnisse wären unabhängig davon, ob die Erde (kopernikaniches Weltbild) oder die Fixsternsphäre (ptolemäisches Weltbild) rotiert.


    Im Ptolemäus' Almagest wurde übrigens die Größe der Mondsphäre schon einigermaßen richtig angegeben. Die Größe wurde aus der Mondparallaxe berechnet.


    Gruß

    Wolfgang