Der Übergang vom geozentrischen Weltbild zum heliozentrischen Weltbild fand sehr langsam statt. Es gab nicht das eine entscheidende Argument. Es war eher so, dass die Indizien für das heliozentrische Weltbild immer zahlreicher wurden. Die Diskussion fing schon lange vor Kopernikus an. Das heliozentrische Weltbild wurde von Aristarch von Samos im 3. Jahrhundert v. Chr. begründet. Kopernikus hat Aristarch auch ausdrücklich als Urheber genannt. Deshalb wurde Kopernikus von seinen Zeitgenossen auch gelegentlich als "der moderne Aristarch" bezeichnet. Auch im Mittelalter wurde schon diskutiert, ob es nicht einfacher wäre, die Erde als rotierend und die Fixsternsphäre als stillstehend anzusehen (z.B. Nikolaus von Oresme im 14. Jahrhundert). Schon damals war man sich bewusst, dass zwischen beiden Weltmodellen durch reine Beobachtung der Bewegungsverläufe nicht entschieden werden kann.
Kopernikus konnte in seinem Buch 1543 kein einziges neues Argument für den Heliozentrismus vorweisen. Kopernikus' Leistung besteht ja nicht darin, das heliozentrische Weltbildes entwickelt zu haben. Seine Leistung ist, dass er für das heliozentrische Weltbild einen mathematischen Formalismus entwickelt hat, mit dessen Hilfe man die Planetenbewegungen berechnen kann. Die Methode wurde gerne als Formalismus akzeptiert. Wahrheit wurde dem heliozentrischen Weltbild 1543 aber nicht zugebilligt.
Hauptsächliches Argument dagegen: In einer heliozentrischen Welt müsste eine Fixsternparallaxe beobachtbar sein, was aber nicht der Fall war. Daher muss im heliozentrischen Universum die Fixsternsphäre unermesslich groß sein. Auch immer präzisere Messungen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts konnten keine Parallaxe nachweisen. Zu dieser Zeit ging Tycho Brahe von einem Sterndurchmesser von 2' aus. (Ein Experiment, das ich bei Gelegenheit mal machen werde: Mit Tychos Peilmethode den scheinbaren Durcmesser eines Sternes messen. Ich vermute, dass die 2' ganz einfach die Größe des Beugungsscheibchens auf der Netzhaut sind.) Zusammen mit dem notwendigen großen Abstand der Fixsternsphäre ergibt ein scheinbarer Sterndurchmesser von 2' einen unglaublich großen tatsächlichen Sterndurchmesser. Außerdem hat Tycho Brahe argumentiert: Warum soll denn ausgerechnet der schwere Klotz von Erde durchs Weltall rasen, während die leichten feurigen Himmelskörper, Sonne und Sterne, stillstehen?
Witzigerweise haben die Kopernikaner im 16. Jahrhundert in Ermangelung wissenschaftlicher Argumente gerne theologisch argumentiert.
Letztendlich kam der endgültige Durchbruch des heliozentrischen Weltbildes erst zustande, nachdem die komplette Physik erneuert wurde. Auf Grundlage der vorherigen aristotelischen Physik war es geradezu absurd von einer beweglichen Erde auszugehen. Denn Beobachtungen alleine, ohne übergeordnetes Theoriegebäude, können niemals nachweisen, dass sich die Erde bewegt.
Gruß
Wolfgang