Beiträge von astrometer im Thema „Ferngläser - ein Erfahrungsbericht ... oder eine Ode an die Freude“

    Hallo Norman,


    nee, die roten Akzente sind wirklich Zufall, wobei da der aktuelle Designtrend zu Hilfe kam. Viele Hersteller haben offenbar die verkaufsfördernde Wirkung roter Eloxierungen erkannt. Wahrscheinlich ist es für die überwiegend männlichen Kunden einfacher, ihre Frauen von einer neuen Anschaffung zu überzeugen, wenn das Teil nicht nur schwarz ist, sondern hübsche Akzente hat. ;)


    CS, Jörg

    Hallo Stathis,


    ich lache da überhaupt nicht, sondern ziehe anerkennend den Hut. Das ist genau das, was uns Astrosüchtlinge auszeichnet: in nahezu jeder Situation eine praktikable Lösung finden. Ganz bestimmt hatten die Knüppel ein ähnlich hervorragendes Schwingungsverhalten wie Eschenholz, also war Deine Konstruktion ein Berlebach für Arme, sprich ohne Industrie-Finish, und ich nehme mal an, Du hast Venus damit tatsächlich gefunden.

    Auch ich habe früher hemmungslos improvisiert, und wenn es davon noch bildliche Überlieferungen gäbe, würde ich sie hier mit der gleichen Altersschamlosigkeit zeigen.


    Hallo Rene,


    mit den Doppelsternen weist Du auf einen besonders sensiblen Bereich der Fernglasbeobachtung hin, und das ist die „Genauigkeit des Einblicks“, die nötig ist,um wirklich die maximal mögliche Leistung der Optik abrufen zu können. Ich bin relativ früh darauf gekommen, denn mit rund -8 dpt Fehlsichtigkeit bin ich bei den meisten Ferngläsern darauf angewiesen, die Brille aufzubehalten. Folglich kommt ein weiteres optisches Element in den Strahlengang, das in der Praxis nie genau zentriert ist und auch immer eine gewisse Verkippung aufweist. Je steiler man nach oben schaut, um so größer wird das Risiko einer ungünstigen Brillenglaslage.

    Ohne Brille hat man dieses Problem zwar nicht, doch es bleibt der suboptimale Einblick beim Blick steil nach oben. Denn im Optimalfall müssen beide Pupillen genau in die optischen Achsen der beiden Fernglashälften gebracht werden. Das ist Millimetersache und um so schwieriger, je unentspannter die Beobachtungshaltung ist. Natürlich versuchen die Fernglashersteller dem Rechnung zu tragen, in dem sie ihre Konstruktionen so gestalten, dass man auch freihändig-stehend ein hinreichend gutes Bild bekommt. Allerdings sind Sterne als Punktlichtquellen gnadenlos. Sie offenbaren kleinste Ungenauigkeiten. Ein Beispiel: Albireo mit dem Canon 10x42 L IS WP: Freihändig – keine Chance ihn zu trennen, Arme aufgestützt und Bildstabilisierung eingeschaltet – blickweise getrennt, mit Zenitspiegel und Stativ – klar und deutlich zwei Sterne.


    Und noch etwas zur Wahrnehmung schwacher Objekte. Ich habe letzte Nacht die Region um Cas und Cep intensiv abgegrast und dabei viele kleine Sternhaufen gefunden, die mir früher nur mit dem 100mm-Miyauchi aufgefallen sind. Faszinierend, diese kleinen Biester sind auch mit 42mm alle sichtbar, doch wenn man freihändig drüberschwenkt, fallen sie nicht auf.


    CS, Jörg

    Nachtrag nach drei Stunden unter einem SQM-21,10-Himmel:


    Es ist immer wieder faszinierend, was ein gutes Glas mit nur 42mm Öffnung zeigt, wenn es man es nicht halten muss. Selbst zur eingeschalteten Bildstabilisierung ist der Unterschied noch gewaltig, weil man sich zum Sehen wirklich Zeit lassen kann.

    Ich hatte das Setup nach etlichen Tests zu Hause auf dem Balkon und im urbanen Flachland heute erstmals unterm Erzgebirgshimmel (700 m über NN) und bin echt begeistert. Natürlich liefern meine größeren Instrumente mehr Details, aber beispielsweise die Plejaden (mit Plejadennebel!) sind in keinem so schön, weil in den größeren viel zu groß. Schwächere offene Sternhaufen, die freihändig als Nebelflecken erscheinen, offenbaren plötzlich ganz schwache Sterne. M 31 fast 3 Grad lang und mit Unregelmäßigkeiten in den äußeren Bereichen. M 32 klar von Sternen zu unterscheiden und M 110 ganz deutlich. Und erst M 33! Groß, erstaunlich hell und bei indirektem Sehen mit klarer Andeutung der Spiralstruktur.

    Wer regelmäßig im Hochgebirge beobachten kann, wird vielleicht müde lächeln. Natürlich sind die Bedingungen dort nochmals besser. Ich war heute schon froh, dass die 2 km entfernte Bobbahn ihr Flutlicht 20 Uhr ausgeschaltet hat. Ich sehe die Lampen zwar nicht direkt, aber der Lichtdom ist schon penetrant. Auch Dresden im Norden strahlt gewaltig, heute besonders, weil es im Elbtal dunstig war und das Licht noch stärker nach oben gestreut wurde. Dafür schien das Böhmische Becken gestrichen voll Hochnebel gewesen zu sein, denn im Süden war‘s überraschend dunkel.


    Noch ein paar Bemerkungen zum etwas anderen Charakter der Feldstecherbeobachtung mit Stativ und Spiegel. Gegenüber dem freihändigen Schauen verliert man natürlich Geschwindigkeit und Spontanität, und ich kann verstehen, das manche das nicht missen wollen. Wenn man hinter einem Stativ sitzt und nach Süden guckt, ist nix mit schnell mal im Westen oder Norden schauen. Da muss erst der Stuhl umgesetzt werden. Auch wenn man gerade die Mittelsäule hochgekurbelt hat, um in geringerer Höhe zu beobachten, ist der schnelle Blick in den Zenit unbequem, weil man den Hintern heben und mit eingeknickten Knien durchgucken muss. Im Grunde ist es nicht anders als wenn man hinter einem Teleskop sitzt, da gelten die gleichen Einschränkungen. Freihändig stehend kann man dagegen ganz schnell viele DSO sammeln. Die hat man dann flüchtig gesehen, mehr aber auch nicht. Wenn man dagegen bewusst schauen und das Maximum an Wahrnehmung herausholen will, führt m. E. kein Weg an Stativ und Spiegel vorbei.


    CS, Jörg


    PS: Weder Frost noch Tau, dafür aber ein immer stärkerer Wind, der einen mürbe macht, wenn er so durch den Wald orgelt und man ganz alleine ist mit all den Geräuschen…

    Hallo zusammen,


    hier mal zwei Bilder meines seniorengerechten Feldstecher-Setups vor der heutigen Deep-Sky-Beobachtung. Die Spiegelheizung werd ich wahrscheinlich gar nicht brauchen, denn hier bläst der Böhmische Wind mit 30 Stundenkilometer, also wird’s keinen Tau geben. Aber wahrscheinlich Frost. Aktuell sind es noch 5 Grad, doch die fühlen sich wegen des Windes wie knapp über Null an.



    CS, Jörg

    Hallo Holger,


    genau sowas meine ich: eine demilitarisierte Variante des FLAK-Prinzips. Allerdings müsste die schon sehr stabil gebaut werden, damit nicht jede kleine Bewegung des darin sitzenden Beobachters das Bild erschüttert. Das ist wahrscheinlich wirklich nur etwas für Übersichtsvergrößerungen. Bei Planeten kann ich mir nicht vorstellen, dass man damit glücklich wird.


    Natürlich haben solche Konstruktionen für die meisten von uns etwas Faszinierendes. Aber ehrlich, wenn sie in der Praxis tatsächlich so gut wären, gäbe es viel mehr Realisierungen. Stabilität setzt nun mal Masse voraus, und die können wir leider für transportable Lösungen gar nicht gebrauchen. Ich denke, ein realistisches Projekt dieser Art wäre ein bequemer sesselartiger Stuhl wie in dem von Dir verlinkten Projekt, vor den ein kleineres 45-Grad-Bino arretiert werden kann. Die 45 Grad übrigens, damit man den Sitz für Zenitbeobachtungen nur 45 Grad nach hinten neigen muss. Bei 20x bis 30x würde man das sicher noch hinreichend stabil bauen können. Aber größere Teleskope müssten zwingend vom Sitz des Beobachters entkoppelt werden.


    Hallo Rene,


    das regelmäßige Radfahren nehme ich mir seit 20 Jahren immer wieder vor. Leider ohne Erfolg. Bin ein Sportmuffel, und das ändert sich wohl auch nicht mehr.


    Sag mal, wie lange hältst Du den im Bild gezeigten Blick steil nach oben aus? Ich frage, weil astronomische Wahrnehmung ja viel mit dem Sammeln von Bildinformationen zu tun hat. Unser Hirn funktioniert da fast nach dem lucky-imaging-Prinzip: Erst in der Verarbeitung vieler flüchtiger Eindrücke entsteht ein bleibender Gesamteindruck. Das mag bei der visuellen Planetenbeobachtung noch stärker ausgeprägt sein, funktioniert aber bei lichtschwachen Objekten ganz ähnlich. Im Alltag, bei genügend Licht und der 1x-Vergrößerung unserer Augen läuft die neuronale Bildverarbeitung schnell und unauffällig ab. Nachts, im Grenzbereich der Wahrnehmung, braucht unser „Zentralrechner“ aber mehr Zeit und Power für diese Aufgabe. Deshalb sollten wir – um im Computerbild zu bleiben – unnötige andere Programme schließen. Für mich heißt das, möglichst im Sitzen und in entspannter Haltung zu beobachten. So vermeide ich, dass der Gleichgewichtssinn arbeiten muss, um die Austrittspupille nicht zu verlieren. Und es gibt auch keine „Fehlermeldungen“ von der Nackenmuskulatur.


    CS, Jörg

    Das hab ich auch sofort gedacht, als ich das Bild sah, Norman.

    Auf jeden Fall bist Du zu beneiden, Rene, dass das bei Dir (noch) so gut geht. Ich bin kürzlich mal eine Stunde auf dem Mountainbike meines Sohnes gefahren: Der Hintern wegen der Beinlänge sehr weit oben, der Kopf gefühlt viel zu tief. Wenn ich was durch meine Brille sehen wollte (was bei -8 dpt. im Straßenverkehr überlebenswichtig ist), musste ich den Kopf fast zenitblickweit in den Nacken legen. – Hat drei Tage gedauert, bis der Schmerz weg war.

    Was ich damit sagen will: Irgendwie geht natürlich alles, aber die Frage ist, wie lange man das durchhält und wieviel Wahrnehmung bei solcher Haltung noch übrig bleibt. Mit etlichen Jahren Beobachtungserfahrung würde ich sagen, nicht viel. Da ist eine Kombi aus Liegestuhl und niedrig aufgestelltem Parallelogramm doch wesentlich entspannter. (Ich will euch nicht schon wieder mit meinem Zenitspiegel nerven.) Selbst freihändig ist der Liegestuhl besser. Vor allem, wenn man so ein modernes Luxusding hat, in dem man nur durch Gewichtsverlagerung die Neigung verändern kann. Klar, statt des Nackens tun hier irgendwann die Arme weh, besonders wenn man mit einem 70mm-Glas beobachtet. Na ja, perfekt wäre wahrscheinlich nur eine Art Zahnarzt-Behandlungsstuhl mit fest montiertem Fernglas und Joystick-Steuerung in Azimut und Höhe. Aber den einigermaßen solide zu bauen, wäre doch sehr zeit- und kostenaufwendig. Da bekommt man bestimmt für weniger Geld ein gutes 90-Grad-Bino mit Kurbelsäulenstativ. In der 70/82mm-Klasse ist das noch so leicht, dass man es in einem Stück nach draußen tragen bzw. demontiert mit dem Fahrrad transportieren kann.


    CS, Jörg

    Hallo Rene,

    Eine Frage zu dem Spiegel habe ich. Wie weit runter zum Horizont kannst Du damit beobachten?

    Wenn es der Unterbau hergibt, bis zum Horizont. Dann geht der Einblick allerdings senkrecht nach unten. In der Praxis nehme ich aber einfach den Spiegel vor dem Fernglas weg. Er ist ganz schnell demontiert, nur werkzeugfrei zwei große M8-Rändelmuttern lösen, den mit der CFK-Abedeckung geschützten Spiegel runternehmen und geradsichtig weiterbeobachten. Den Lasersucher braucht man dann nicht mehr, aber für die seitenverkehrte 90-Grad-Variante ist er extrem nützlich. Man muss nicht durchschauen oder darüber peilen, sondern nur beim Ausrichten den Lasertaster drücken.

    Erstaunlich, dass das Fernglas einen Tag im Laden im Schaufenster überstanden hat 8)

    Ganz einfach: Abends nach Ladenschluss gesehen, und am andern Tag zur Ladenöffnung da gewesen. Wenn man als Ossi was haben wollte, musste man Prioritäten setzen. Und ja, ich hatte Glück mit meinem Papa. Als ich geboren wurde, war er schon 49. Und die Anregung mit der Astronomie kam von ihm.


    CS, Jörg

    Hallo in die Fernglasguckerrunde,


    schönes Plädoyer für die Fernglasbeobachtung, die Du da geschrieben hast, lieber Rene. Bei mir hat das Fernglasfieber 1965 angefangen – mit einem Noctovist 8 x 30 von Ruhnke Rathenow, das meine Eltern und ich eines Abends im Schaufenster eines bereits geschlossenen Dorf-Fotoladens gesehen hatten. Mein Vater ist dann am Folgetag mit dem Bus dorthin gefahren (wir hatten kein Auto) und hat es für 156 Ostmark geholt. Es war das einzige Exemplar, das der Laden seit Jahren bekommen hatte. DDR-Mangelwirtschaft sagen wir heute dazu, damals war das für uns normal …

    Innerhalb des folgenden halben Jahrhunderts hat das Noctovist viele (schönere) Geschwister bei mir bekommen. Einige benutze ich regelmäßig, vor allem das Canon 10x42 IS WP, für das man dank Bildstabilisierung kein Stativ braucht und mein optisch bestes Glas, das Nikon 8x32 EGD. Aber auch die anderen dürfen in größeren Abständen mal an die Luft und können sich dann miteinander messen. Gewisse Seheindrücke müssen immer wieder aufgefrischt werden, damit man sie nicht vergisst.


    So genial einfach die Fernglasbeobachtung auch ist, es gibt zwei Dinge, die mich von Anfang an gestört haben: die Geradsichtigkeit und das unvermeidbare Gezitter, wenn man kein Stativ verwendet. Als junger Kerl hab ich es ja noch irgendwie geschafft, beim steilen Blick nach oben die Augen einigermaßen vernünftig hinter die Okulare zu bekommen. Aber mit zunehmendem Alter und stärker werdender Minusbrille, die irgendwann unerlässlich wurde, um ein scharfes Bild zu haben, wurde das immer schwerer. Hinzu kommt, dass mir das bildstabilisierte Canonglas eindrucksvoll gezeigt hat, wie viel an Wahrnehmung man beim freihändigen Beobachten (mit nicht stabilisierten Gläsern) verschenkt.

    Also klar, es muss ein Stativ drunter. Aber das ist nur bis etwa 30 Grad Höhe komfortabel, danach wird‘s anstrengend, vor allem, wenn man mit großen Schritten auf die 70 zugeht und sich nie so recht für sportlich-akrobatische Kompensationsübungen begeistern konnte. Irgendwie musste sich die 90-Grad-Abwinkelung, die am Teleskop so einfach ist, doch auch für geradsichtige Ferngläser verwirklichen lassen. Um es abzukürzen: Ich hab mir einen Fernglaszenitspiegel gebaut. (Hier beschrieben: Endlich gebaut: Zenitspiegel für Ferngläser) Und der hat meine Beobachtungsfreude mit diesen binokularen Miniteleskopen enorm gesteigert. Alles, was dazu gehört, passt in einen kleinen Alukoffer. Im Feld ist der Spiegel in 5 Minuten auf dem Stativ montiert. Das Fernglas noch drauf, und schon kann es losgehen.



    Einziger Haken, der Spiegel zeigt gnadenlos die kleinen Schwächen und Macken der Gläser, die ja primär für den freihändigen Gebrauch konzipiert sind. Dafür laufen Premiumgläser wie meine oben genannten Favoriten zu Höchstform auf. Es ist wirklich frappierend, wieviel Detail ein im astronomischen Sinn winziges 8x32 zeigen kann. Das war auch für mich – nach fünf Jahrzehnten als Beobachter – eine völlig neue Erfahrung.


    CS, Jörg