Beiträge von Atlas im Thema „Einkaufen in der VR China“

    Hallo Bernhard,


    das China-Bild, das Du in Deinem Beitrag zeichnest, ist ungefähr zur Hälfte falsch. Ich vermute, daß Du noch nie dort warst und auch die Sprache nicht kennst, so daß Du der einseitigen Berichterstattung in den westlichen Medien ausgeliefert bist. Ich greife einige der von Dir angesprochenen Themen auf.


    Kinder:

    Zunächst mal bestimmt man in China die Zahl seiner Kinder inzwischen selbst, sofern es nicht mehr als 3 sein sollen. Auf dem Land sind auch mehr erlaubt, und auch die ethnischen Minderheiten durften stets mehr Kinder haben als normale Chinesen. Die Ein-Kind-Politik der 80er und 90er Jahre war hart, aber ohne sie gäbe es heute nicht 1,4, sondern 2,8 Milliarden Chinesen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen wird Kinder haben staatlich gefördert. Die Obergrenze von 3 Kindern wird auch bald fallen und sie ist ohnehin bloß theoretisch, denn in den großen Städten kann man sich so viele Kinder wegen der hohen Kosten für Erziehung und Ausbildung kaum leisten. Und wer hat bei uns schon mehr als 3 Kinder?


    Wohnung:

    Es gibt in China einen freien Wohnungsmarkt. Wohnungen sind als Kapitelanlage sehr beliebt. Welche Wohnung man kauft oder mietet, hängt davon ab, wieviel man bezahlen kann – ganz wie bei uns.


    Uiguren:

    Uigure sein an sich ist kein Problem. Die Chinesen sind stolz auf ihre ethnische Vielfalt und stellen sie gern und oft zur Schau. Es gibt dort offiziell 56 Nationen mit vielen verschiedenen Sprachen und Kulturen. In den Zentren der großen Städte gibt es an jeder zweiten Straßenecke ein uigurisches Restaurant (Xinjiang heißt das dort). Das sind nicht die billigen Essbuden, sondern gehobene Lokale, die sehr gern besucht werden. Wovor die Chinesen sich fürchten, sind Islamisten und Separatisten, die von Saudi Arabien oder der Türkei finanziert werden. In Xinjiang, wo die Uiguren wohnen, hat es in den 2000er Jahren viele islamistisch motivierte Terroranschläge gegeben, bei denen Hunderte von Menschen getötet wurden. Dagegen richten sich die Maßnahmen der Regierung.


    Offene Grenzen:

    Aus meinem Erfahrungsbereich kann ich sagen, daß die chinesische Regierung jedes Jahr in großer Zahl gut dotierte Stipendien bereitstellt, damit die jungen chinesischen Akademiker im Westen promovieren können. Ich kenne kein anderes Land, das so großzügig Auslandsstipendien gewährt. Nach der Promotion in Deutschland gehen die allermeisten Chinesen dann zurück nach China, weil sie mit einem deutschen Doktortitel gute Anstellungschancen an chinesischen Top-Universitäten haben.


    In letzter Zeit sind übrigens sehr prominente chinesische Wissenschaftler aus den USA nach China zurückgekehrt. Einer davon ist Shing-Tung Yao. Den kennen die Stringtheoretiker wegen der Calabi-Yao Mannigfaltigkeit, die nach ihm benannt ist. Er hat seinen Chair in Harvard aufgegeben, um in Peking ein Mathematik-Institut an die Weltspitze zu führen.


    Freie Meinungsäußerung und Internetzensur:

    Was Du dazu schreibst, ist leider richtig. Daß die Chinesen die US Tech Giganten (Google, Facebook etc.) raus halten wollen, kann ich noch nachvollziehen. Doch die Zensur ist einfach lächerlich und gehört dringend abgeschafft. Die Regierung sollte mehr Vertrauen zum Volk entwickeln. Man kann die Internetzensur allerdings mit einem VPN client umgehen. Und Zeitungen mit Meinungsvielfalt gibt es noch: Ich empfehle die South China Morning Post. (Ich mache mir seit ein paar Jahren aber auch zunehmend Sorgen um die Meinungsvielfalt in den westlichen Medien.)


    Man kann der kommunistischen Partei Chinas sicher manches anlasten, aber man muß auch sehen, daß sie in den letzten 30 Jahren mehrere hundert Millionen Menschen aus der Armut geholt hat. Das ist ein Erfolg, der in der Menschheitsgeschichte einmalig sein dürfte. Ich frage mich, warum das demokratisch regierte Indien, das sonst in vieler Hinsicht mit China vergleichbar ist, bisher nichts Ähnliches geschafft hat.



    Viele Grüße

    Johannes