Beiträge von Heljerer im Thema „Wärmebildkamera als neues Werk(spiel)zeug“

    Hallo Kalle,


    das ist schon klar, wie der Wärmeaustausch durch Strahlung berechnet wird. Das "Problem" ist aber etwas tiefergehend. Die Lösung der partiellen Differentialgleichung für den instationären Wärmetransport geht von einem konstanten Wärmeübergangskoeffizienten an der Plattenoberfläche aus. Selbstverständlich könnte man diese Voraussetzung auch fallen lassen. Dann gibt es aber keine analytische Lösung mehr. In solchen Fällen müsste man dann mit Differenzenverfahren oder mit finiten Elementen an die Sache rangehen. Die analytischen Verfahren (teils auch als Näherungslösungen) haben der Charme, dass man in der täglichen Ingenieurspraxis innerhalb kürzestes Zeit zu einem Ergebnis kommt. Notfalls macht man geeignete Abschätzungen und Vereinfachungen. (Z.B. kann man die Kochdauer für ein weichgekochtes Ei gut berechnen, indem man dessen kleinsten Durchmesser nimmt und dann die instationäre Wärmeleitung für eine entsprechende Kugel rechnet. Genauso kann man ein Stück Fleisch beim Sous-Vide-Garen als Mittelding zwischen Platte und Kugel vereinfachen und so - sogar ziemlich präzise - die Kerntemperatur berechnen.)


    Da die analytische Lösung für die Abkühlung der Platte einen konstanten Wärmeübergangskoeffizienten voraussetzt, ist es sinnvoll den Strahlungswärmeaustausch einfach in Form eines zusätzlichen (temperaturunabhängigen) Wärmeaustauschkoffizienten zu berücksichtigen. Das ist der von mir schon angegebene Wert von 5 W/m²K, der einfach zum konvektiven Wärmeübergangskoeffizienten addiert wird.


    Man kann sich leicht klarmachen, dass dieser Wert für moderate Oberflächentemperaturen und Umgebungstemperaturen als mittlere Näherung sehr gut passt. Es gilt:


    a = s (ea Ta^4 - eu Tu^4)/(Ta - Tu)


    a: Wärmeübergangskoeffizient
    e: Emissionskoeffizient; ea für Oberfläche, eu für Umgebung
    s: Stefan-Bolzmann-Konstante
    Ta: Oberflächentemperatur
    Tu: Umgebungstemperatur


    Mit e = 0,9 bis 1 und moderate Umgebungs- und Oberflächentemperaturen ergibt sich für a stets ein Wert von 5 W/m²K +/- 1 W/m²K. Der Fehler von +/- 1 W/m²K spielt in der Praxis für die Berechnung der Plattenabkühlung gar keine Rolle.


    In der normalen Ingenieurspraxis z.B. bei der Wärmeabgabe von Behältern und Rohrleitungen geht man genauso vor. 5 W/m²K für Strahlung plus Wert für Konvektion - fertig. Bei höheren Oberflächentemperaturen geht das natürlich nicht mehr. Aber das ist ein anderes Thema.



    Viele Grüße
    Wolfgang

    Hallo Gerhard!


    Gutes Programm. Hätte ich das Programm vorher gekannt, hätte ich mir Arbeit sparen können. Die Crux ist aber trotzdem nach wie vor die Abschätzung der Wärmeübergangskoeffizienten. Bei definierter Strömung (z.B. im Fall "Fön" oder im Fall "parallel angeströmte Platte") lässt sich der Wärmeübergangskoeffizient sehr gut berechnen. Bei undefinierten Bedingungen (z.B. wenn der Spiegel durch die Wände der Spiegelbox abgeschirmt wird o.ä.) kann man allerdings nur grobe Schätzungen machen.


    Viele Grüße
    Wolfgang

    Hallo Stathis!


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Stathis</i>
    <br />Ist bei der Rechnung die Wärmestrahlung auch berücksichtigt?
    Den VDI Wärmeatlas hatte ich vor gefühlt 80 Jahren in den Fingern. Gibt es den heute in digitaler Form? Aber du schreibst 2002, das ist ja auch schon eine Weile her.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Die Wärmestrahlung ist normalerweise einfach pauschal mitberücksichtigt. Prinzipiell kann man es bei Wärmeaustauschberechnungen, wenn man will, bis zum Erbrechen betreiben. In der Regel hört man aber relativ zeitig mit dem Ausfeilen solcher Berechnungen auf, da man das "allgemeine Grundrauschen der Natur" sowieso nie Simulieren kann. Im vorliegenden Fall geht es ja in erster Linie um die Auskühlzeit des Spiegels. Da passt das. Wenn es um die Unterkühlung und das Tauproblem geht, passt das natürlich nicht. Dann ist ja gerade die Differenz zwischen konvektiver Wärmeübertragung und Wärmeübertragung durch Strahlung der entscheidende Faktor.


    Ob es den VDI-WA in digitaler Form gibt, weiß ich nicht. Ich habe hier auf der Arbeit eine lose Blattsammlung und ein gebundenes Buch. Dass das Teil von 2002 ist, macht nichts. Mit den jeweils neuen Auflagen werden immer nur Kapitel ergänzt. Es ist noch nie passiert, dass eine Berechnungsmethode fundamental geändert wurde.


    Viele Grüße
    Wolfgang

    Hallo Emil!


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Emil Nietlispach</i>
    <br />Ich habe mit meinem 50cm/4cm Spiegel manchmal Anpassungsprobleme. Möchte aber keinen Ventilator einbauen, um die Simplizität des Gerätes zu wahren. Ob es da merklich besser wäre, den Spiegel etwas in den fast immer vorhandenen Wind in den Bergen zu stellen, bevor man ihn zum Beobachten einbaust, weiss ich nicht. Deshalb mein Interesse am obigen Beispiel mit sanftem Luftstrom.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Bei Wärmeübergangsberechnungen hat man oft das Problem, dass die Strömungsverhältnisse nicht wirklich bekannt sind. Im Fall des Föns kennt man die Strömungsverhältnisse. Bei einem Gitterrohr-Dobson, der frei in der Landschaft steht, sieht das schon anders aus. Gleiches gilt für die Wärmeübertragung durch Strahlung. Daher ist man solchen Betrachtungen immer auf eine vereinfachte Modellvorstellung angewiesen.


    Konkret für dein Beispiel:
    Außentemperatur: 5 °C
    Spiegeltemperatur, Start: 20 °C
    Spiegeldurchmesser: 500 mm
    Spiegeldicke: 40 mm
    Vereinfacht wird der Spiegel als parallel angeströmte Platte betrachtet.
    Der Einfluss der Wärmestrahlung wird pauschal mit zusätzlichen 5 W/m²K berücksichtigt. (Üblicher Wert, wie er z.B. im VDI-Wärmeatlas bei der Wärmeübertragung an isolierten Leitungen verwendet wird.)


    Damit ergeben sich folgende Wärmeübergangskoeffizienten:
    leichte Brise (2,5 m/s): 19 W/m²K
    schwache Brise (4,5 m/s): 28 W/m²K
    mäßige Brise (7,0 m/s): 38 W/m²K
    frische Brise (9,0 m/s): 45 W/m²K
    starker Wind (12,0 m/s): 56 W/m²K


    Spiegeltemperatur nach 30 min., Oberflächentemperatur / Kerntemperatur:


    Innenraum: 14,0 °C / 14,7 °C
    leichte Brise (2,5 m/s): 10,9 °C / 11,8 °C
    schwache Brise (4,5 m/s): 9,0 °C / 9,9 °C
    mäßige Brise (7,0 m/s): 7,7 °C / 8,6 °C
    frische Brise (9,0 m/s): 7,1 °C / 7,9 °C
    starker Wind (12,0 m/s): 6,4 °C / 7,1 °C


    Man sieht an diesen Zahlen: Eine Erhöhung der Luftgeschwindigkeit reduziert die Auskühlzeit erheblich. Der begrenzende Faktor ist nicht die Wärmeleitung innerhalb des Spiegels. Das wird klar, wenn man die Wärmeleitfähigkeit testweise einfach mal auf unendlich setzt. Dann ergibt sich für "starken Wind" nach 30 min. eine Temperatur von 6,0 °C (identisch für Oberfläche und Kern). Das ist gegenüber dem realen Wert für Glas nur geringfügig kälter. Bei dickerem Glas würde das sicherlich etwas anders ausschauen.


    Viele Grüße
    Wolfgang

    Hallo Emil!


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Emil Nietlispach</i>
    <br />Ist die Stärke des Luftstroms entscheidend?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Natürlich! Der Luftvolumenstrom ist von den Einflussparametern (Düsendurchmesser, Abstand, Luftvolumenstrom, mal abgesehen von der Spiegeldicke) die wichtigste Größe. Bei den normalen Spiegellüftern ist leider der Volumenstrom nicht bekannt. Den müsste man gezielt messen.


    Am besten wäre eine beidseitige Anströmung mit zwei Ventilatoren. Das wäre bei meinem Gitterrohrdobson sogar möglich. Bei mir sieht aber so ein Beobachtungsabend ganz entspannt aus. Daher habe ich es gar nicht eilig.


    Der Zweck einer Wärmeaustauschberechnung, so wie ich sie gemacht habe, ist, dass man sehr schnell ein Gefühl dafür entwickelt, wie sich welcher Parameter auswirkt. Man kann z.B. wunderbar die Auskühlzeiten bei verschiedenen Spiegeldicken vergleichen. Der Vorteil der Rechnung gegenüber dem Experiment ist auch, dass man Informationen über die Kerntemperatur - und nicht nur über die Oberflächentemperatur - bekommt.


    Ansonsten gilt natürlich wie meistens in der angewandten Wissenschaft: Nicht "Experiment <i>oder</i> Berechnung" sondern "beides Hand in Hand".


    Viele Grüße
    Wolfgang

    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Emil Nietlispach</i>
    <br />Interessant wäre der Einfluss eines Kaltluftstromes. Mit Föhn anblasen.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Auch hierzu eine kleine Rechnung:


    Durchmesser Föndüse: 50 mm (kommt nicht so genau darauf an)
    Volumenstrom: 90 m³/h (Hab ich aus den Daten eines Föns, der bei Amazon verkauft wird. Soll ja auch nur ein Beispiel sein!)
    Abstand Fön - Rohling: 100 mm
    Durchmesser Rohling: 159 mm


    berechneter Wärmeübergangskoeffizient: 76 W/m²K
    Oberflächentemperatur nach 12 min.: 19,4 °C (anstatt 16,4 °C ohne Fön)


    Leider funktioniert die von mir verwendete Berechnungsmethode nur, wenn der Wärmeübergangskoeffizient auf Vorder- und Rückseite (annähernd) gleich ist. Das ist aber beim einseitigen Anblasen mit Fön nicht der Fall. Daher musste ich ein paar Abschätzungen einfließen lassen. Das Ergebnis dürfte im Rahmen dessen, was hier interessiert, trotzdem genau genug sein.


    Bitte immer bedenken, dass die Kerntemperatur des Rohlings/Spiegels hinter der Oberflächentemperatur hinterherhinkt! Je dicker umso mehr!


    Viele Grüße
    Wolfgang


    Alle Berechnungen nach:
    VDI-Wärmeatlas, Berechnungsblätter für den Wärmeübergang, Springer-Verlag, 9. Aufl., 2002


    Berechnung der Rohlingstemperatur nach Abschnitt Ec (Instationäre Wärmeleitung in ruhenden Körpern)


    Berechnung des Wärmeübergangskoeffizienten für die Prallströmung (Fön) nach Abschnitt Gk (Wärmeübergang bei Prallströmung)

    Hallo Kurt!


    Ich habe gerade mal einen Vergleich zwischen deinen Messdaten und einer Berechnung für die instationäre Wärmeleitung innerhalb deines Rohling gemacht.


    Berechnungsgrundlagen:
    Plattendicke: 25 mm
    Wärmeleitfähigkeit: 1,2 W/mK
    Dichte: 2230 kg/m³
    spez. Wärmekapazität: 0,83 kJ/kgK
    Wärmeübergangskoeffizient: 10 W/m²K (Anhaltswert für ruhige Raumluft)
    Umgebungstemperatur: 21,6 °C (gemäß deinem Bild Nr.8 Mittelwert zwischen 13:16 Uhr und 13:45 Uhr)
    Starttemperatur Rohling: 14,3 °C
    Zeitdauer: 29 min. (von 13:16 Uhr bis 13:45 Uhr)


    Ergebnisse:
    Oberflächentemperatur, berechnet: 18,2 °C
    Oberflächentemperatur, gemessen: 18,4 °C
    Kerntemperatur, berechnet: 18,0 °C


    Fazit: passt!


    Für den Wärmeübergangskoeffizient habe ich den üblichen Anhaltswert für Innenräume genommen. An dieser Stelle könnte man sich noch austoben und dadurch die Rechengenauigkeit etwas steigern. Z.B. spielt es eine Rolle, ob der Rohling senkrecht steht oder waagrecht liegt. Erfahrungsgemäß lohnt der Mehraufwand aber nicht.


    Viele Grüße
    Wolfgang


    Nachtrag:
    berechnete Oberflächentemperatur nach 12 min.: 16,4 °C