Beiträge von Heljerer im Thema „Krise der Physik?“

    Hallo Dirk!
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Dobsenschubser</i>
    sowas wie ein Kepler, Newton, Curie, Einstein wird bestimmt regelmäßig geboren.
    Leider haben solche Gehirne in unserem "Miss"-bildungssystem kaum noch eine Chance sich zu entfalten. Es wird nur noch Wissen in die Köpfe gedroschen. Kreativität zugunsten von braver Leistungserbringung geopfert. Die Schulen kotzen eine kleine Gruppe gedrillte Eliten und eine große Anzahl von Konsumenten aus.
    Der Rest geht halt unter.
    Ich habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Vielleicht ändert sich unsere Gesellschaft ja doch noch ;-)<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Das nenne ich Optimismus![:D]


    Gruß
    Wolfgang

    Hi!


    Diese Krise, von der hier die Rede ist, ähnelt der Situation der Wissenschaft zu verschiedenen Zeitpunkten in der Vergangenheit. Selbstverständlich muss man bei historischen Analogien immer vorsichtig sein. Die Zeit wiederholt sich nicht und meiner Meinung nach gibt es auch keine tiefergründigen Grundmuster. Das gilt in der Wissenschaftsgeschichte genauso wie in der politischen Geschichte. Dennoch lassen sich in der Geschichte oft gewisse Parallelen ziehen.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">»Dem Dialog zwischen Physik und Philosophie ist lange Zeit leider nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt worden«<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Die philosophische Grundausrichtung der jeweiligen Forscher hat schon immer bestimmt, welche Widersprüche man ausgehalten hat oder welche man als Krise erkannt hat. Da gibt es nun die bewussten oder eben unbewussten Platoniker, die glauben, die wahre Welt sei im Grunde mathematisch und damit im Prinzip vollständig zu entschlüsseln. Für solche Denker gelten hehre Prinzipien wie "Symmetrie". Wenn auf der Suche nach der Wahrheit plötzlich solche Prinzipien außer Kraft gesetzt scheinen, sehen sie sich in der Krise.


    Es geht letztlich um die Frage, ob ich die Natur zumindest prinzipiell überhaupt exakt beschreiben und entschlüsseln kann.


    Das ptolemäische Weltbild zeigte schon im 15. und 16. Jahrhundert Krisenerscheinungen in der Form, dass man Diskrepanzen zwischen Berechnungsergebnissen und Beobachtungen feststellen konnte. Man sah damals darin mehrheitlich aber keine Krise. Man ging erstens davon aus, dass man halt nur lange genug an den Parametern rumschrauben müsste, um es wieder ins Lot zu bringen. Zweitens waren die meisten universitären Gelehrten Aristoteliker und eben keine Platoniker. Sie gingen davon aus, dass die Epizykeltheorie - modern gesprochen - sowieso nur ein empirisches Modell ist, das keinen Anspruch auf Absolutheit hat. Später Galilei und Kepler sahen das anders. Beide haben ihren Theorien Absolutheitanspüche gegeben, die sie im Laufe der Geschichte wieder verloren haben.


    Boyle im 17. Jahrhundert ging davon aus, dass man den Geheimnissen der Natur durch Experimente auf die Spur kommen kann, dass es aber keine absolute Wahrheit hinter den Dingen gibt. Newton machte da in Boyles Augen etwas, das nicht gelingen dürfte. Er postulierte absolute Axiome, aus denen sich die physikalische Wirklichkeit exakt berechnen lässt.


    Am Ende des 19.Jahrhunderts galt die Newtonsche Mechanik als Teil der Mathematik. Genauso präzise und absolut wie die Geometrie. Leute wie Le Verrier hatten nicht den geringsten Zweifel, dass Abweichungen zwischen Theorie und Praxis sich in irgendeiner Weise auflösen würde. Bekanntlich hat er so die Neptun-Position berechnet, scheiterte aber bei Vulkan, da es diesen Planeten schlichtweg nicht gibt. Hier kam eben die Abweichung zwischen Theorie und Praxis tatsächlich durch die unzulängliche Newtonsche Mechanik zustande.


    Und heute: Wir sind natürlich genauso Teil der Geschichte, wie die Menschen in früheren Jahrhunderten. Ob wir die "Krise" zähneknirschend aushalten (weil systembedingt niemals auflösbar), als irrelevant abtun oder als Chance für etwas großes Neues sehen, hängt von unserer philosophischen Grundposition ab. Es hilft auf jeden Fall sich seiner eigenen philosophischen Position bewusst zu werden und diese nicht unhinterfragt für einen Teil der Naturwissenschaft zu halten.


    Ich persönlich bin kein Platoniker. Ich bin sogar der Ansicht, dass es keine überall und jederzeit gültigen methodischen Prinzipien gibt, welche "Wissenschaft" definieren würden. Vielmehr waren die Ansichten, Prinzipien und Methoden schon immer im historischen Fluss und werden es auch in Zukunft sein. Was die Zukunft bringen wird, weiß niemand. Vielleicht ist ja bereits ein neuer Newton geboren, der zur Zeit noch in einen chinesischen Kindergarten geht und uns in 20 Jahren eine neue Physik bescheren wird.


    Gruß
    Wolfgang