Beiträge von Atlas im Thema „Kleinste Teilchen aus fernen Galaxien“

    Hallo zusammen,


    Ich habe mal versucht, mir den Sachgehalt dieser Meldung über die Entdeckung des Pierre Auger Observatoriums zu verdeutlichen. Den Anstoß dazu hat mir die Graphik gegeben, die im Eingangsbeitrag dieses Threads zu sehen ist.


    Zwei Dinge sind mir aufgefallen. 1) Das Zentrum des erhöhten Teilchenstroms liegt dieser Graphik zufolge fast genau in der Milchstraßenebene, etwa im Sternbild Canis major. Das scheint nun direkt dem Inhalt der Meldung zu widersprechen, demzufolge die Entdeckung darin besteht, daß die Quelle des Teilchenstroms außerhalb unserer Galaxis liegen muß. Der Graphik zufolge müßte der Teilchenstrom von einem innergalaktischen Objekt ausgehen, das zwar nicht im Zentrum unserer Galaxis liegt, aber in der Scheibe Richtung Canis major. 2) Der Pressemeldung des KIT zufolge ist die Quelle des Teilchenstroms in unserer „kosmologischen Nachbarschaft“ zu vermuten. Wenn das so wäre, müßte sich in der Graphik aber doch die Struktur des lokalen Universums abbilden, d.h. man müßte in etwa die Galaxien der lokalen Gruppe erkennen können, die supergalaktische Scheibe, den Virgo- und den Comacluster, oder die nahegelegenen Supercluster. Die Graphik zeigt aber nichts davon (vielleicht mit viel gutem Willen die große Magellansche Wolke oder den Perseus-Pisces-Supercluster ganz links).


    Daraufhin habe ich mir den Originalartikel angesehen. Dabei hat sich mir folgendes Bild ergeben. Man geht zunächst von einer vollkommenen Isotropie der eintreffenden Teilchen aus (aber warum eigentlich, wenn sie doch aus der „kosmologischen Nachbarschaft“ stammen, die ganz inhomogen ist?) und versucht dann eine Dipolstruktur zu identifizieren. Solche Dipole sind bekannt aus dem CMB. Der CMB ist nicht völlig isotrop, sondern in eine Richtung etwas blauverschoben und in die entgegengesetzte etwas rotverschoben. Die meisten Kosmologen deuten dies als Zeichen für die Eigenbewegung der lokalen Galaxiengruppe gegenüber dem Mikrowellenhintergrund. Einen weiteren Dipol findet man in den Rotverschiebungen der Galaxien nach dem Two Micron All Sky Redshift Survey (2MRS). Die Eigenbewegung der lokalen Galaxiengruppe nach dem CMB Dipol sollte ja verursacht sein durch eine höhere Galaxiendichte und deren gravitative Effekte in Richtung der Bewegung. Der 2MRS hat tatsächlich eine solche höhere Galaxiendichte ergeben, aber nicht genau in Richtung des CMB Dipols, sondern 10°-15° abweichend.


    Am Pierre Auger Observatorium wollte man einen Dipol auch für den Strom hochenergetischer Teilchen zeigen, die die Erde treffen, wobei dieser Dipol mit dem 2MRS Dipol übereinstimmen sollte. Dann hätte man nachgewiesen, daß der Teilchenstrom im Prinzip aus allen Richtungen gleichmäßig kommt, aber durch die Eigenbewegung unserer Galaxis eine Dipolstruktur erhält. Damit wäre der extragalaktische Ursprung des Teilchenstroms nachgewiesen.


    Nun liegt der 2MRS Dipol dem Paper zufolge bei 251° galaktischer Länge und 38° galaktischer Breite. Dieser Ort befindet sich im Sternbild Sextans. (Ansonsten findet man in der Literatur einen korrigierten Wert von 261° Länge und 38° Breite im Sternbild Hydra.) Dagegen liegt der Dipol des Teilchenstroms dem Paper zufolge bei 233°/-13° im Sternbild Canis major. Den Autoren des Papers zufolge ist das eine Abweichung von etwa 55° gegenüber dem 2MRS Dipol. (Legt man den Wert aus der Literatur zugrunde, beträgt die Abweichung sogar 65°.) Für mein laienhaftes Gefühl ist diese Abweichung so groß, daß der Nachweis des außergalaktischen Ursprungs des Teilchenstroms damit als gescheitert betrachtet werden müßte. Allerdings weisen die Autoren darauf hin, daß die Teilchen, wenn sie denn von anderen Galaxien kommen, durch das Magnetfeld unserer Galaxis und durch lokale Magnetfelder abgelenkt werden und daher auf der Erde nicht mehr aus ihrer Ursprungsrichtung ankommen. Unter Zugrundelegung eines neuen Modells des galaktischen Magnetfeldes könnte sich die Abweichung des Teilchenstromdipols vom 2MRS Dipol um ca. 20° verringern, also von 55° (65°) auf 35° (45°).


    Nun gut, Ungenauigkeiten hat man solchen Dingen immer, und der CMB Dipol liegt ja auch um 10°-15° neben dem 2MRS Dipol. Aber die (bereits um die Effekte des galaktischen Magnetfeldes korrigierte) Abweichung des Teilchenstromdipols vom 2 MRS Dipol ist dreimal so groß, und zwar in eine andere Richtung. Läßt er sich dann wirklich noch durch den gleichen Mechanismus erklären wie der 2MRS Dipol? Nur dann wäre der außergalaktische Ursprung des Teilchenstroms aufgewiesen!


    „Kleinste Teilchen aus fernen Galaxien! Ein 50 Jahre altes Rätsel gelöst.“ „… grundlegende Fragen über die Ursprünge des Universums beantwortet!“ Tatsächlich? Na, ich weiß nicht ….


    Viele Grüße
    Johannes