Hallo Bernhard,
Dass die Europäer auch große segmentierte Teleskope bauen, sehe ich weniger als einen Wettlauf um Technologie. Es geht eher darum, Beobachtungszeit an Spitzeninstrumenten zur Verfügung zu haben, um in der Forschung international mithalten zu können. Und bei Öffnungen über 10m geht das nun mal kaum auf andere Weise.
Vermutlich ist den Forschern, die das ELT haben wollen, grundsätzlich egal, mit welcher Technik das Teleskop funktioniert. Sie definieren ihre Anforderungen nach Kriterien wie Wellenlängenbereich, Lichtsammelleistung und Abbildungsleistung. Ihre Instrumente müssen dran passen, und der Standort sollte gut sein. Dass sich die Manager und politischen Entscheidungsträger gern im Glanz solcher Projekte sonnen, ist sicher so, aber ein ganz anderes Thema.
Letztlich ist ein realisiertes Projekt dann ein Kompromiss aus vielen teils gegensätzlichen Forderungen und Vorstellungen.
Neue Technologien werden eher nicht bei Großteleskopen ausprobiert, sondern bei kleineren und mittleren Projekten. Falls sich am Schluss herausstellt, dass irgend etwas nicht wie geplant funktioniert, ist eine Milliarde Euro schon ein ziemlicher Batzen Geld für einen Fehlschlag. Ich denke, für die Öffentlichkeit sind die kleineren Hitech-Projekte nicht ganz so spannend, die ist eher von der schieren Größe des ELT beeindruckt als von der Mess- und Regeltechnik, die so ein Teleskop erst möglich macht.
Segmentspiegel-Teleskope sind mittlerweile eine ausgereifte Technik, aber ich vermute, dass die eintscheidenden Verbesserungen der letzten Jahre oft nur messtechnisch zu erkennen sind. Rein äußerlich kann ich ein segmentiertes Reflektorteleskop, das nur mit Mühe für Spektroskopie taugt, nicht von einem unterscheiden, das auch hochwertige Abbildung ermöglicht. Das Know-how steckt vor allem in der messtechnischen Erfassung und aktiven Kontrolle der Oberflächenform. Und natürlich in der präzisen Bearbeitung der hochgenauen asphärischen Oberflächen.<blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Toller und sehr anschaulicher Vergleich, allerdings möchte ich dem hinzufügen, dass mir bezüglich des Auflösungsvermögens das VLT fast noch eindrücklicher erscheint. Durch die Addition der vier Teleskope erreicht man auf der zugehörigen Achse der Bildgebung sogar das Auflösungsvermögen eines 100m-Teleskops. Das stellt sogar das ELT in den Schatten.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Ganz so einfach ist die Sache nicht. Wer einen größeren Dobson besitzt, kann ja mal den "VLT-Interferometrie-Test" machen: Bei z.B. 500mm Öffnung eine Blende basteln, die vier Löcher von 40mm Durchmesser entsprechend der Positionen der VLT-Teleskope hat, diese vor dem Hauptspiegel platzieren, und dann damit beobachten. So ein Teleskop-Array eignet sich für Spezielaufgaben wie das Trennen nahe beieinander liegender Emissionsquellen, erreicht aber bei Weitem nicht die Abbildungsleistung eines großen Teleskops mit durchgehender Apertur. Die Lichtsammelleistung des ELT ist zusätzlich mehr als 5-mal so hoch wie die der vier VLT-Teleskope zusammen. Für typische Stellar-Interferometrie genügen aber sogar meistens die "kleinen" 2m Hilfsteleskope des VLT.
Übrigens finde ich es sehr schade, dass der Standort des "Konkurrenzprojekts" Thirty Meter Telescope offenbar immer noch offen ist. Es soll ja auf dem Mauna Kea errichtet werden, aber es ist unklar, ob das Teleskop dort schließlich aufgebaut werden darf.
Um den kompletten Nordhimmel abzudecken, steht das ELT zu weit südlich. Für viele potenzielle Beobachtungsobjekte ist das TMT auf absehbare Zeit die einzige Alternative.
Gruß,
Martin