Beiträge von SilentDawn im Thema „Star Adventurer: Stabilität der Polhöhenwiege“

    Hallo Marcus,


    ich hatte das Vergnügen die Star Adventurer als Einstiegsgerät zu verwenden und entsprechend Erfahrungen gesammelt. Ich bin direkt mit dem kompletten Fotoset gestartet, das heißt L-Schiene (das von Dir genannte Winkelding), Gegengewicht, Kugelkopf welchen ich auf die L-Schiene gesetzt habe.


    Hinsichtlich der Stabilität stimme ich Stefan erstmal zu, einmal festgezogen und im laufenden Betrieb sackt da nichts mehr ab, die Montierung arbeitet anstandslos, ein stabiles Stativ vorausgesetzt. Außerdem ist die Star Adventurer wirklich wundervoll kompakt, ein echtes Leichtgewicht und schnell eingepackt.


    Doch es gibt in meinen Augen auch einige Punkte, die man sich unbedingt vor Augen führen sollte bevor man sich diese Reisemontierung anschafft und das betrifft in praktisch jeder Hinsicht die von Dir hinterfragte Stabilität.


    <b>1.) Polausrichtung der Montierung ohne Last vs. mit Last</b>


    <b>Ohne Zuladung</b> lässt sich die aufgebaute SA mühelos einnorden. Wichtig: Die standardmäßig beiliegende Aufnahmeplatte mit Fotogewinde bedeckt die Polsucheröffnung vollständig, das heißt erst nach dem Einnorden kann man die Kamera samt Aufnahmeplatte auf die eingenordete Montierung setzen. Ab diesem Punkt schlägt besagtes, einmaliges Absacken zu. Abhängig von Gewicht, Schwerpunkt und Ausrichtung der aufgebrachten Ausrüstung. Die L-Schiene besitzt gnädigerweise einen breiten Schlitz, welche dann doch Durchblick durch den Polsucher gewährt.


    Das führt mich auch schon zur Polausrichtung <b>mit Zuladung</b>. Die Tatsache, dass das Gewicht der Zuladung sich auf die Polausrichtung auswirkt führt zwangsweise dazu, dass man schließlich doch nochmal Hand anlegen muss. Je nach Gewicht wird die Korrektur entsprechend schwerfällig von der Hand gehen und bereits mit DSLR, 200mm Festbrennweite, L-Schiene samt Gegengewicht lastet da spürbar einiges auf der Montierung. Die Faustregel ist zumindest für mich, dass ich an dieser Stelle umso genauer korrigieren muss, je größer die genutzte Brennweite ist. Die für die SA angebotene Polsucherbeleuchtung passt übrigens nicht in den Schlitz der L-Schiene, das Geld kann man sich also sparen.



    <b>2.) Motivwahl und Brennweiten</b>


    Man muss sich klarmachen, wo die wahren Stärken der SA liegen und wieviel Zeit man in den wenigen, klaren Nächten eines Jahres mit Fummelarbeit im Dunkeln verbringen will. Alle Angaben unter der Prämisse, dass ich zwar Anfänger bin, jedoch ausgiebig mit der genanten Ausrüstung herumexperimentiert habe.


    2.1) Brennweiten
    Im Bereich 40-50mm (Optikgewicht ca. 130g) liegt die Belichtungszeit bei sauberer Polausrichtung der Montierung, sofern es der Himmel erlaubt, bei 3 bis 5 Minuten ohne nennenswerten Ausschuss. Das geringe Gewicht macht sich dankbar bei der Polausrichtung bemerkbar und eine Korrektur, so notwendig, geht geschmeidig von der Hand. Auch das man den für das Motiv gewählten Himmelsausschnitt (Sternbild) meist Pi mal Daumen anpeilt, sorgt für entspanntes Arbeiten.


    Bei 100mm Brennweite (Optikgewicht ca. 650g) ist größere Sorgfalt gefragt. Doch hier ist man noch immer im Bereich, wo die SA ihre wahren Stärken ausspielen kann. Das vielfach größere Gewicht ist deutlich spürbar wenn man korrigieren möchte, doch die Montierung führt mehr als ausreichend genau nach und verzeiht bei dieser Brennweite kleinere Schnitzer bei der Polausrichtung. Belichtung von 3 bis 4 Minuten sind realistisch und auch 135mm Brennweite sollte gut machbar sein.


    Bei 200mm Brennweite (Optikgewicht ca. 800g) bin ich an meine persönliche Schmerzgrenze gestoßen was die SA angeht. Gewicht und selbst kleinere Schnitzer in der Polausrichtung schlagen gnadenlos zu und eine Korrektur der Polausrichtung erfolgt abermals schwergängiger, was vor allem der halbherzigen Lösung für die Azimuthverstellung zuzuschreiben ist - relativ fummelig, auf Gummischeiben gelagert kann es schonmal passieren das man bei diesem Gewicht ruckartig zu weit rutscht. Eine Empfehlung zur Abhilfe dieses Problems waren an anderer Stelle hier im Forum Teflonscheiben anstelle der Gummischeiben.
    Belichtungen von 1 Minute sind realistisch, 2 Minuten sind machbar, erfordern bei mobiler Nutzung jedoch mühselige Einstellung.


    2.2 Motivwahl
    Die Motivwahl steht nicht nur im direkten Zusammenhang mit der Brennweite, sondern auch mit dem Ausrichten der Kamera auf das Wunschmotiv. Man übt durch die Arbeit an Kamera/Kugelkopf zwangsweise Kräfte auf die Montierung aus, im schlimmsten Fall verlagert man auch noch den Schwerpunkt der ausgerichteten Montierung und darf die ganze Prozedere von vorne beginnen. Je größer die Brennweite, umso frickeliger ist das Anvisieren, umso öfter muss man ggf. erneut die Ausrichtung korrigieren - ein Teufelskreis.



    <b>3. Star Adventurer und APO</b>


    Wird an manchen Stellen tatsächlich so -mit 5kg Tragkraft- beworben, aber will man sich das wirklich antun? Stell Dir ernsthaft die Frage, wieviel Geld Du in die Nachführmontierung investieren willst und wo die Einsatzgebiete liegen sollen - mobil oder doch vom heimischen Balkon/Garten aus? Gegenwärtig kommt das SA Komplettset mit ca. 420€ daher, etwaige Extras wie Stativ (welches Du zwar schon besitzt) nicht eingerechnet. Dann die Zuladung: Der F65Q kommt mit 2,8kg daher, die 1000d mit 0,45kg, die L-Schiene mit 0,5kg, Gegengewicht mit 1kg, vernünftiger Sucher mit Halterung ca. 0,4kg, Kugelkopf(weiss nicht ob der nötig ist wenn man einen APO auf die SA flanschen möchte) nochmal 0,5kg. Damit sind die angeworbenen 5kg problemlos überschritten und damit sprechen wir von derselben Art Traglast, wie sie auch den anderen handelsüblichen Montierungen zugeschrieben wird, bei welchen es nicht zu empfehlen ist sie fotografisch bis zur beworbenen Grenze auszulasten.


    Für dieses Geld und Größenkategorie kann man sich schon eher eine motorisierte EQ-3 und für ein paar € mehr die EQ-5 leisten, wesentlich entspannter arbeiten und hat da sogar noch die Möglichkeit, im Nachgang auf GoTo aufzurüsten. Natürlich ist die Schlepperei dann größer, dann will ich nicht in Abrede stellen, aber da wäre es auch gut zu wissen wo das Einsatzgebiet sein soll.



    <b>Fazit:</b> Die Star Adventurer ist in ihrem vorgesehenen Einsatzgebiet großartig und das sind nun einmal Widefields mit geringen Brennweiten &lt; 200mm. Und nur weil es mit viel Aufwand, Trickserei und Einschränkungen möglich ist, über diese Grenze hinauszugehen, sollte man nicht den Fehlschluss ziehen und diese Montierung als eierlegende Wollmilchsau betrachten. Leider wird - zumindest in meinen Anfängeraugen - an zuvielen Stellen genau dies beworben. Zu große Brennweiten und Zuladung für eine viel zu kleine Reisemontierung.


    Marcus: Wenn Du also auf lange Sicht bei den 135mm Brennweite bleiben willst, dann ist die SA genau 'dein Ding'. Die Resultate sind sehenswert und das Arbeiten macht in diesem Bereich wirklich Spaß. Wenn Du aber eigentlich schon mit einem Fotoapo liebäugelst, freunde dich besser mit dem Gedanken an das dies zwei Paar Schuhe sind, wenn Du es ernsthaft und ohne große Frustmomente betreiben möchtest. Vorteil der größeren Montierung: Die Kamera mit Teleobjektiv kann auch dort problemlos betrieben werden.


    Grüße und CS


    Christian