Beiträge von tbstein im Thema „Extrem genaue Positionsbestimmung mit GAIA“

    Hallo Thomas,
    habe das hier auf die schnelle gefunden: https://www.ssl.berkeley.edu/~mlampton/6687-23.pdf
    Man kann auch nach Korsch-Teleskop suchen. Der große Vorteil ist halt das extrem kompakte Design, vielleicht sogar das wichtigste für Weltraummissionen. Für ein 2m-Apertur Teleskop mit f/10, also 20m Brennweite ist die Baulänge nur 3,5m. Das ausreichend korrigierte Bildfeld wäre etwa Apertur/2, hier also 1m. Wenn man das alles Offaxis realisiert, hat man kaum Streulichtprobleme, da man alles durch Baffles blocken kann. Ist halt schwierig herzustellen.
    Gruß Tino

    Hallo Thomas,
    nach der einjährigen Messung kann man mit dem Modell noch nicht alle Paramater ausreichend genau bestimmen. So kann man die Eigenbewegung der Sterne noch nicht direkt von der Parallaxe unterscheiden. Dazu werden auch die derzeitigen Gaia-Messungen mit den Messungen von Hipparcos und dem Tycho-Katalog verrechnet, ansonst wäre zum jetzigen Stand eigentlich noch keine Berechnung möglich.
    Das Teleskopdesign ist ein TMA, ein Three-Mirror-Anastigmat. Es werden durch 3 jeweils einzeln optimierte asphärische Spiegel alle Bildfehler für ein riesiges Bildfeld korrigiert. Der Strahlengang ist gefaltet, sodass der Bauraum auch bei der recht langen Brennweite klein ist. Außerdem gibts Vorteile beim Streulicht. Problematisch ist dann natürlich die Herstellung, alles sonderangefertigte Offaxisspiegelsegmente, welche mit speziellen Prüf-CGHs (computergenerierten Hologrammen) gemessen werden müssen.
    Gruß Tino

    Hallo Thomas,
    ich glaube die Spinrate wird mittels zweier dedizierter CCDs und "normalen" Star-Trackern bestimmt. Funktioniert anscheiend recht gut. Irgendwann hatte ich mal gelesen, dass auch Einschläge von Mikrometeoriten detektiert und kompensiert werden. Inwiefern die perfekte Synchronisation nur in der Mitte funktioniert, ist nur eine eine Frage der exakten Einstellung der Shiftgeschwindigkeit, welche ja auch für jede CCD separat eingestellt werden kann. Sollte bei einer planen CCD-Focalplane nur ein kleinen Offset bedürfen. Die optische Leistungsfähigkeit der TMA-Teleskope sollte zumindest bei 35m Brennweite über alles erhaben sein. Die 4,42s Integrationszeit ergibt sich übrigens aus der Überlaufdauer über genau ein CCD.
    Gruß Tino

    Noch ein kleiner Zusatz, fast ganz zum Schluss des Artikels unter "Radial Velocity Spectrometer" und dort unter "Optical Module" ist auch das von uns hergestellte Beugungsgitter im Bild zu sehen, als Sandwich zwischen den Glasplatten, fast genau in der Mitte.
    Gruß Tino

    Hallo Thomas,
    schau mal hier http://spaceflight101.com/gaia/gaia-instrument-information/ Hierbei verwendet man eine spezielle Integrationstechnik: TDI (Time-Delayed Integration). Der Satellit muß sich kontinuierlich drehen und deshalb steht das Bild nicht still. Die Pixelreihen der CCDs werden aus diesem Grund zeilenweise weitergeschoben, genauso als ob man sie auslesen würde, nur halt genau mit der Drehgeschwindigkeit des Satelliten. Deshalb kann man ein stehendes Bild erzeugen. Auf dieser Seite steht auch die ominöse 4,42s.
    Gruß Tino

    Sorry ein Rechenfehler meinerseits. Ein Überlauf in Längsrichtung bei 1,6° und 60 as/s dauert natürlich nur 96s, also sinds bei 4,42s Integrationszeit etwa 22 Messungen und nicht 180. Sorry. Man könnte jetzt die theoretisch erreichbare Genauigkeit berechnen mit 190000 (Fullwell), 22 Messungen, 70 Überläufe. Da der Stern aber durch die gedrehten Spiegel jeweils 2x pro Überlauf gemessen wird, ergäbe das eine Standardabweichung von 190 mas / sqrt(2 x 292600000), also etwa 5,5 uas. Alles idealisiert, praktisch ist bei hellen Quellen die Flatkorrektur und Kalibrierung essentiell und bei Dunklen das Photon-Shotnoise. Ob man das alles so zusammenfassen kann, weiß ich nicht, aber die Meßgenauigkeit wird minimal mit 5 uas angegeben, also wäre man schon an den Grenzen des Möglichen. Siehe http://www.cosmos.esa.int/web/gaia/science-performance
    Gruß Tino

    Hallo Thomas,
    schau mal im http://www.cosmos.esa.int/web/gaia/public-dpac-documents nach "The maximum reachable astrometric precision: The Cramer-Rao limit". Dort kann man die maximale Genauigkeit grob mit den Formeln (8) und (9) abschätzen. Die Standardabweichung der Positionsbestimmung skaliert dann mit der reziproken Wurzel aus der Anzahl der detektierten Photonen. Bei einem Photon ergibt sich theoretisch 0,34 x Lambda/D, bei einem Airy-Durchmesser von 1,22 x Lambda/d. Das erste ergäbe bei einem 1m Teleskop eine Standardabweichung von 190 mas (bei einem theoretisch detektierten Photon). Um auf 10 uas zu kommen, müssten dann 360 Millionen Photonen detektiert werden auf 70 Messungen verteilt dann jeweils 5 Millionen. Etwas viel bei 190000 Elektronen Fullwell. Die 70 Messungen meint aber anscheinend jeweils die separaten Transitions über die gesamte CCD-Focal-Plane. Ein einzelner Scan über die 1,6°x0,8° CCD dauert aber bei 60 Bogensekunden je Sekunde Drehgeschwindigkeit 1600s oder 800s. Kommt auf die Orientierung der CCD an. Bei 800s Überlauf und 4,42s nomineller Integrationszeit der CCD wird der Stern aber etwa 180 mal gemessen. Dann könnte das schon passen mit der Genauigkeit.
    Aber alles ohne Gewähr
    Gruß Tino

    Vielleicht auch noch eine kleine Anekdote, was alles bei einer solchen Mission schief gehen kann. Kurzum es gab nach dem Launch ein massives Streulichtproblem, was die Empfindlichkeit bspw. des Spektrometers um mehrere Magnituden verschlechtert hat. Die Positionsbestimmung war übrigens nicht so sehr betroffen. Mögliche Ursachen? Eis auf den Spiegeln, Mikroloch im SunShield. Zum Schluss hat sich rausgestellt, dass das beschichtete Sunshield möglicherweise an den Schnittkanten aufgrund von Fertigungsmängeln minimale Fusseln aufweist, welche das Sonnenlicht schön in die CCD-Focalplane streuen.
    Kann man auch auf der Seite http://www.cosmos.esa.int/web/gaia/news_20141217 nachlesen.
    Viele Grüße Tino

    Hallo Thomas,
    ja die Genauigkeit ist schon extrem. Am Ende der Meßkampagne (5-7Jahre) werden die meisten Sterne jeweils 50-70 mal gemessen sein. Die Messung an sich, oder eigentlich sind es mehrere Iterationen, sind übrigens auch ziemlich kompliziert. Alle gleichzeitigen Sternpositionen auf der 1GPixel große CCD-Focal-Plane werden jeweils gegeneinander iterrativ verrechnet und mit bekannten, ortsfesten Quasaren abgeglichen. Es werden auch normalerweise keine Bilder gewonnen, sondern insitu jeweils nur die Sternposition und Helligkeit gemessen und gespeichert. Ansonst wäre die Datenmenge gigantisch, es sind so schon Petabyte an Rohdaten. Da die beiden rechteckigen 1,5x0,5m Teleskope jeweils extrem definiert in zwei unterschiedliche Richtungen schauen, hat man eine weitere Möglichkeit systematische Fehler auszugleichen. Der tragende Aufbau des Satelliten besteht übrigens hauptsächlich aus gesintertem Siliziumcarbid, ist also ultrasteif. Auch die CCD-Backplane ist aus diesem Material. Zusätzlich wird alles aktiv temperiert und da die Sonneneinstahlung am Lagrangepunkt konstant ist (normalerweise kein Erdschatten) gibt es hier kaum thermische Probleme. Meine Arbeitsgruppe hat übrigens ein Teil für diesen Satelliten persönlich hergestellt (oder besser unsere Anlagen) und zwar das Radialgeschwindigkeitsspektrometergitter. Dies misst die Linieverschiebung irgendeiner Kalziumlinie um die Geschwindigkeitskomponente in Blickrichtung zum Stern zu bestimmen. Damit hat man die exakte Position der Sterns und wenn man lang genug misst die räumlichen Geschwindigkeitskomponenten. Zusätzlich wird aber noch die Farbe des Sterns mittels gefilterter CCDs bestimmt. Ich habe den Grundaufbau des Satelliten persönlich in Toulouse bewundern dürfen. Es ähnelt einem "Torus aus grauem Abwasserrohr mit zwei in unterschieldliche Richtungen schauenden umgedrehte Frontschutzscheiben eines Citroen" ;)
    Gruß Tino