Hi Jan,
danke fuer den Link zu dem schoenen und aufschlussreichen Bericht, der Facetten enthielt, die mir bis heute unbekannt waren. Ich wundere mich, was aus dem 1m-Reflektor wurde ("Der unfertige 1m-Refraktor kam nach Potsdam" - gemeint ist wohl der Reflektor). Interessant ist die deutlich modernere Form der Montierung des Pulkowoer Refraktors Baujahr 1945 verglichen zum Potsdamer Modell von 1915, das noch deutlich mehr Entlastungsmechanik zeigt.
In Bezug auf Entlastungsmechanik war der 1.22m-Reflektor in Potsdam eine Orgie: Gegengewichte wohin man blickte, und das ganze Teleskop, das am Ende der Rektaszensionsachse aufgehaengt war, wurde durch ein fettes Gegengewicht in einem tiefen Schacht wie bei einer Wippe ausbalanciert. Da sich die Deklinationsachse unter dem Tubus und dem Schwerpunkt befindet, wiederum Hebel mit Gegengewichten, und da das Instrument ein Universalgeraet mit austauschbaren Fronten war, nochmal Gegengewichte um auch das auszubalanzieren.
Als ich 1997 als Doktorand nach Potsdam kam, war mein Buero und unsere Labors im "Spiegelgebaeude". Ein eingeschossiger Rundbau mit Flachdach, in dem damals das 1.22m-Teleskop untergebracht war. Nachdem es mit Kuppel auf die Krim verschwand, war in dem Bau ein Rechenzentrum untergebracht, spaeter Labors (Elektronik, Instrumentenbau etc). Nach Institutsneugruendung 1994 dann unser Instrumentenlabor, und nachdem wir einen deutlich besser geeigneten Neubau bekamen, wurde der Spiegelbau zur Bibliothek umgebaut. Im Zuge dieser Arbeiten kam auch die Kuppel wieder, allerdings nur der Form nach. Der halbkugelfoermige Bibliotheksbau soll an die vergangene Nutzung erinnern.
Als ich am AIP war, habe ich auch Oeffentlichkeitsarbeit betrieben und am 70cm-Teleskop Messungen gemacht. Die hatten mit meiner Dissertation ueberhaupt nichts zu tun, aber es musste einfach sein. Mein Traum war, einmal durchen 65cm-Refraktor zu schauen, aber aufgrund der mangelnden Kuppeldrehung, fehlender Finanzen ("wir sind ein Forschungsinstitut, kein Museum") und dem Denkmalschutz des Gebaeudes waren die Moeglichkeiten nicht gegeben. Ein Highlight der Fuehrung war die Hebebuehne (das kam schon am 350/300er Doppelrefraktor am Hohen List gut an). Eines Tages wurde mir einen Tag vor einer Fuehrung mitgeteilt, dass ich die Hebebuehne nicht mehr bedienen duerfe, da sie renovierungsbeduerftig sei. Die Lehrerin, die tags drauf mit ihrer Klasse kam, war sichtlich enttaeuscht, da sie dieses Highlight wohl von einer frueheren Fuehrung kannte. Das muss dann wohl die Zeit gewesen sein, von der an die Hebebuehne ausfiel.
Der grosse Doppelrefraktor 800mm/500mm auf dem benachbarten Telegrafenberg wurde waehrend meiner Doktorandenzeit, die Ende 2000 endete, kosmetisch generalueberholt. Das Fernrohr, das vorher in einer undichten Kuppel vor sich hinrostete, wurde dazu vor Ort neu lackiert und die Kuppel abgedichtet. Zu meiner Freude fand sich Jahre spaeter ein Sponsor, der das Geraet nochmal "richtig" renovieren liess, und es ist wieder fuer oeffentliche Beobachtungen nutzbar. Es waere schoen, wenn sich fuer den Babelsberger Refraktor auch so ein Maezen finden wuerde.
Okay, jetzt bin ich vom Kernthema "Anton Kutter" ziemlich abgeschwiffen. Aber der verlinkte Film hat halt so viele historische Details.