Beiträge von JSchmoll im Thema „Studium“

    Hi Ullrich,


    FHs als "Ingenieursschulen" haben da eine andere Herangehensweise, die dem Kommillitonen vielleicht nicht passte. Ich denke schon, dass ein Physikstudium zu den "schwierigen" Faechern gehoert, wobei "schwierig" natuerlich ein dehnbarer Begriff ist. Theologie kann auch "schwierig" sein, die muessen hebraeisch lernen ... alles eine Sache des Standpunkts.


    Vielleicht ein Indikator: Viele meiner Freunde, die etwas anderes studierten, berichteten vom "lustigen Studentenleben". Fuer Parties, Kino oder Kneipe hatten wir dagegen unter der Woche gar keine Zeit. Auch die Stereotype vom Studenten, der erst um 10 Uhr aufsteht, war uns fremd - viel zu viele Vorlesungen !


    Also als "Betroffener" kann ich nur davor warnen, die Ansprueche ans Physikstudium auf die leichte Schulter zu nehmen. Gerade im Grundstudium (Universitaet Bonn, Anfang 1990er Jahre) wurde hart gesiebt, und ich kann mich auch an teils militaerische Zuege in den Praktika erinnern - es durfte halt keinen Spass machen.


    Vom Aufstehen um 6 Uhr um die Mathevorlesung um 8 Uhr nicht zu verpassen, bis zum Hausaufgabenterror bis in die zweite Nachthaelfte war die Woche angefuellt. Ein Lichtblick war dabei die Astronomie-Grundvorlesung ...


    Erst spaeter im Hauptstudium wurde es etwas lockerer, weil man sich auch auf Dinge spezialisieren konnte, die einem lagen. Und das Diplomandenjahr kann eine schoene Zeit sein, wenn man in einer Arbeitsgruppe "mitforschen" darf. In diese Zeit fiel bei mir auch, am 1m-Teleskop des Observatorium Hoher List an Wochenenden den "Nachtassistenten" zu machen. Umso schmerzhafter fuer mich deshalb die Schliessung dieser Sternwarte.


    Das Astronomiestudium ist bewusst abgestuft in Physik (mit Spezialisierung Astronomie) und dann Astronomie in der Doktorarbeit. So hat man einen Physikerabschluss, mit dem man auch in die Industrie gehen kann. Als Diplom-Astronom haette man da schlechte Karten.


    Und im Physikstudium wird man interdisziplinaer ausgebildet:


    - Experimentalphysik (mit Grundlagen in Elektronik, Vakuumtechnik, Atomphysik, Kernphysik, Teilchenphysik, Digitaltechnik, Hochfrequenztechnik EDIT: OPTIK ! Wie konnte ich das vergessen ?)


    - Theoretische Physik (Mechanik, Elektrodynamik, Quantenmechanik, Thermodynamik)


    Hinzu kommt der Umgang mit Rechnern: Programmiersprachen und Betriebssysteme. UNIX beziehungsweise LINUX ist in den meisten astronomischen Forschungsstaetten Standard. Grundkenntnisse hierin sind auch ein Plus auf einer Industriebewerbung.


    Diese Ausbildung ist ein guter Einstieg in etliche Industriezweige. Die Breitbandigkeit - uebrigens wesentlich breiter und tiefer als im englischen System - hilft mir auch heute noch, mich in neue Fragestellungen einzuarbeiten. Von daher kann ich ein Physikstudium empfehlen.


    Ich habe nach dem Diplom auch gedacht, eine "industrienahe" Promotion anzustreben. Eine anvisierte Promotion an einem optischen Institut im Ruhrgebiet kam nicht zustande, und so ging ich das "Wagnis" ein, an einem astrophysikalischen Institut zu promovieren. Es hat sich gelohnt - das optische Institut ging ein halbes Jahr spaeter den Bach runter. Ich denke daher, dass es besser ist, das zu machen was man will. Ein "Absprung" in die Industrie ist immer noch zu schaffen.

    Hallo Dominic,


    ich kann mich den Anderen anschliessen.


    - Kein NC.
    - Grundstudium hart - hoher "Eingangswiderstand", bis man sich an die Herangehensweisen und das Lerntempo gewoehnt hat.
    - Erst Physik (evtl. mit Astronomie als Nebenfach), dann Astronomie


    Selber habe ich 1991 das Studium angefangen (mannomann, schon 21 Jahre her!) - deshalb kann es insbesondere wegen der Studienreform (Batchelor, Master) heute anders sein. Aber die Grundanforderungen sollten sich nicht signifikant geaendert haben: Sehr abstrakt und theoretisch, lockert es im Hauptstudium etwas auf. Vielleicht auch, weil man sich spezialisieren kann.


    Wenn man den Nachrichten glaubt, haben MINT-Faecher (Mathe/Informatik/Naturwissenschaft/Technik) eine gute Zukunft, sofern man nicht starr in der Forschung bleiben will.


    Ich habe mit drei Freunden (zwei davon Amateurastronomen) das Studium angefangen. Mich hat es in die Instrumentenentwicklung verschlagen, meine Freunde in die theretische Mittelenergiephysik, wo sie ueber das relativistische Quarkmodell promoviert haben, bevor sie in der Forschung keine Alternative mehr sahen. Einer wurde Lehrer (Mathe/Physik), die anderen beiden gingen in die Industrie. Alle drei haben einen guten Job, wenngleich dieser nichts mehr mit ihrer eigentlichen Spezialisierung zu tun hat.


    Mich selbst hat es nach England verschlagen, wo ich nach wie vor in der (groesstenteils) astronomischen Instrumentenentwicklung arbeite. Dabei sind meine Aufgaben breit gefaechert: Optisches und optomechanisches Design, Messungen von Komponenten, Integration von komplexen Systemen bis zur Abnahme beispielsweise an einem Grossteleskop. Vieles, was ich heute mache, ist eher Ingenieurskunst (bin sogar des Oefteren an der Drehbank zu finden), waehrend die eigentliche Astronomie hintenuebergefallen ist. Die Astronomie ist zu breit gefaechert, um alles abdecken zu koennen. Aber die Arbeit macht mir Spass und ist eigentlich genau das, was ich schon immer machen wollte.


    Zum Glueck gibt es hier in England kein "Hochschulrahmengesetz" (das den Braindrain vermeiden sollte, aber dazu gefuehrt hat, dass viele Wissenschafter Deutschland den Ruecken kehren mussten - inklusive meiner selbst), und die Anstellung an meiner Uni ist eher mit einer Industrieanstellung zu vergleichen. Unbefristet aber nicht verbeamtet - solange der Laden laeuft, sicher.


    Irgendwann nach dem Doktorstudium und der einen oder anderen Postdocstelle wirst Du die Entscheidung faellen muessen, in der Rolle des "Wanderarbeiters" zu bleiben oder Dich mit Kompromissen irgendwo niederzulassen. Aber ich habe keinen meiner Kommillitonen erlebt, der das Physikstudium durchgestanden und hinterher keine Stelle bekommen hat. Von daher - vor allem wegen der Vielseitigkeit des Berufsbildes "Physiker", kann ich das naturwissenschaftliche Studium nur empfehlen.