Beiträge von Rohr im Thema „(12) Qualität von optischen Flächen am Beispiel“

    Lieber Roland,


    das wäre tatsächlich möglich, wenn Du am Himmel immer die
    selben Objekt für Deine Tests benutzt, so wie ich den Saturn-
    ring, oder die Trapez-Sterne oder andere Objekte. Das wird
    aber erschwert durch die Öffnung Deines Teleskopes, also
    müßte man sich auf eine Öffnung einigen. Anhand von Interfero-
    grammen kann ich beispielsweise den Strehl mit ca. 5%
    Genauigkeit bereits vorher angeben. Der Sternscheibchen-Test
    ist bei ruhiger Luft durchaus aussage-kräftig am Polarstern
    mit einem 3 mm Okular durchgeführt, wie der Stathis Kafalis
    das macht. Er behauptet aber, ich würde im Labor noch genauer
    messen. Ich will es ihm einmal glauben ! Hi, hi, hi . . .
    (Irgendwo hab ich einmal gelesen, daß man sogar mit 4-facher
    Genauigkeit messen könnte, wenn man nur das 2-mal durchs System
    geschickte Licht über einen Planspiegel gleich noch einmal
    2-mal durchs optische System schickt, und erst dann untersucht.)


    Probier ich irgendwann einmal!


    Herzliche GRüße


    Wolfgang Rohr






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    http://rohr.aiax.de

    Neunter Laborbericht: Qualität von optischen Flächen am Beispiel von Newton-Spiegel


    Die Strehl-Diskussion, die stärker auf forum.astronomie.de geführt wurde, offenbarte mir unter anderem, dass eine Reihe von Begriffen der Klärung bedürften. Zum Beispiel, wie der Strehl überhaupt ermittelt wird, weshalb aus einer Strahlendurchstoß-Rechnung der Strehl ermittelt werden kann, ob feinere Flächenstrukturen von einem Interferogramm erfaßt werden können oder nicht. Einem Interferogramm und dessen Auswertung wird viel mehr Gewicht beigemessen, als ihm überhaupt zustehen kann! Daher starte ich den erneuten Versuch, die Thematik aus meiner Sicht der täglichen Tests von Spiegeln und anderen Optiken etwas darzustellen.


    In der Zwischenzeit muß wohl der von mir noch nicht gelesene Interstellarum-Bericht erschienen sein, der einen Vergleich zieht zwischen vier 200-er Newton-Spiegel dreier Händler, die ich anonym nach allen mir vorliegenden Möglichkeiten zu untersuchen hatte. Hier muß es u.a. einen Übertragungsfehler gegeben haben, weshalb ich bereits eine Anfrage von Markus Ludes im anderen Forum zu beantworten hatte.


    Zusätzlich widerfuhr mir das seltene Glück, von Stathis Kafalis einen excellenten 280/1390 Newton-Spiegel vor die Flinte zu bekommen, nach dem sich jeder Sternfreund die Finger abschlecken würde. Besonders be-merkenswert dabei ist dessen Oberflächen-Güte bzw. Glätte. Soweit also die Voraussetzungen für meinen bereits 9. Labor-Bericht, der eine Übersicht über die möglichen Flächen-Qualitäten geben soll. Die schlimmsten Fälle jedoch habe ich weggelassen, es sind wirklich nur Ausnahme-Erscheinungen.


    01. Was zeigt eigentlich ein Interferogramm?



    Dieses Interferogramm wurde mit dem Spiegel auf einem Film mitgeliefert. Bestechend die parallelen Interferenz-Streifen, die sich über die ganze Fläche ziehen. Das ergibt hohe quantitative Werte, damit sollte man doch zufrieden sein können. Wer jedoch ein wenig die Struktur der Linien selbst betrachtet, dem werden die feinen Abweichungen auffallen, die natürlich von der Luft-Thermik kommen könnten. Oder vielleicht doch nicht?


    02. Excellente quantitative Werte




    Die Ergebnisse bestätigen eine hohe Genauigkeit der Parabel-"Grob"-Struktur. Natürlich neige ich in solchen Fällen dazu, möglichst wenig Streifen einzustellen, weil damit die Meßgenauigkeit noch höher wird, und die Fehler noch besser erkennbar sind. Trotzdem wird die Flächenfeinstruktur nur bei groben Fehlern aus dem Interferogramm sichtbar. Und grobe Fehler liegen bei mir im Bereich von L/10 PV wave. Insofern wäre die Aussage, daß ein Spiegel L/10 PV wave hat, durchaus richtig, darunter liegt aber noch eine erhebliche Feinstruktur, die Rauhheit der Fläche eben.


    03. Die Genaugikeit unter PhasenKontrast


    Der Gesamteindruck dieser Fläche ist sehr wohl "topf-eben"! Jedoch zeigt dieser Rauhheits-Test plötzlich erhebliche Flächenstrukturen, angefangen von der Art, wie die Parabel retouchiert wird, bis hin zu den feinen "Noppen", die die gesamte Fläche durchziehen und einer leicht wolken-haften Struktur im Randbereich. Die Spiegel dieses Herstellers haben eine hohe Genauigkeit hinsichtlich der Parabel-Form, aber eine unterschiedliche Streuung hinsichtlich der Flächen-Glattheit. Zwei derartige Spiegel sind in meinem Zugriffs-Bereich, sodaß ich später einmal einen sehr glatten Spiegel vom gleichen Hersteller mit diesem gezeigten am Himmel vergleichen kann mit der
    Frage, wie wirkt sich das in der Praxis aus?


    04. Vier 200-er Newton-Spiegel im Vergleich



    Newton PV RMS Strehl D / F
    ----------------------------------
    #1 0.20 / 0.041 / 0.94 200/1200
    #2 0.11 / 0.027 / 0.97 200/1200
    #3 0.20 / 0.041 / 0.94 200/1000
    #4 0.24 / 0.038 / 0.95 200/1000


    An der Zuordnung von Interferogramm zu PhasenKontrast-Rauhheits-Test sollte klar werden, wie wenig sich die Flächen-Struktur tatsächlich im Interferogramm abbildet


    Bei Nr. 1 muß man schon genau hinsehen, wenn man die relativ breite Zone bei ca. 50% sehen will. Die Streifen wirken etwas ausgefranst, wenn man sie mit denen von Nr. 2 vergleicht.
    Bei Nr. 2 ist der Rauhheits-Test darunter zwar etwas dunkel, aber trotzdem als relativ glatt zu erkennen. Der beste Spiegel im übrigen.
    Spiegel Nr. 3 hätte auch eine Zone, die nicht erkennbar ist, lediglich
    Nr. 4 zeigt seinen Fehler eindeutig auch im Interferogramm so bei ca. L/8 PV wave.


    05. Was erkennt man bereits am Ronchi-Gramm?



    Nun stellt sich beispielsweise heraus, daß man Zonen-Fehler am Ronchi-Gitter (10 lp/mm) in Autokollimation gut erkennen kann. Eindeutig zu sehen bei Spiegel Nr. 1.
    Der beste Spiegel(Nr.2), nicht nur von der Form sondern besonders von der Glätte her, zeigt deutliche, sauber begrenzte, gleichmäßig ausgeleuchtete Ronchi-Linien. Ein erster Hinweis auf die hohe Qualität der Spiegel-Oberfläche selbst. Dieser Spiegel fand sofort seinen Abnehmer - wer will es ihm verübeln?
    Die unruhige Flächenstruktur bei Nr. 3 bildet sich auch bei den Ronchi- Linien ab, sowohl was die helle Fläche der Linien betrifft, wie auch der Kanten.
    Eindeutig zeigt Nr. 4 den ausgeprägten Zonenfehler: Ein schönes "Ring-Gebirge" Alle Ronchi-Gitter-Aufnahmen entstanden intrafokal aus Orientierungs-Gründen: Verengung bedeutet, aus dieser Zone fallen die Strahlen länger, bauchige Verformung bedeutet, aus dieser Zone fallen die Strahlen kürzer. Damit kann man auch das Foucault-Bild richtig deuten. Natürlich kann man das Foucault-Bild auch invers darstellen. Fazit: Bereits ein Ronchi-Test läßt Rückschlüsse zur Flächen-Glattheit zu.


    06. Ein weiterer hochwertiges Spiegel-Beispiel !




    Die deutsche Spiegel-Schleifer-Szene rekrutiert excellente Experten hinsichtlich der Genauigkeit und der Flächen-Güte. Dieses Beispiel ist mir vor ein paar Tagen ins Haus "geschneit". Es ist ein 280/1390 Newton-Spiegel, den Stathis Kafalis aus der Münchner Ecke für einen Sternfreund geschliffen hat. Damit ist in jedem Fall die Genauigkeit eingestellt, die einige französischen Spiegelschleifer für sich reklamieren möchten. Auch aus dieser Ecke hatte ich unlängst einen Spiegel zu prüfen: Ebenfalls hohe Qualität, aber nicht ganz so gut, wie der von Stathis. Das Bild zeigt erneut die Testanordnung in Autokollimation mit meinem ca. L/12 PV wave 400-er Referenz-Planspiegel, der aus thermischen Gründen in einem Holz-Kasten styropor-isoliert in einem Gurtband im Gleichgewicht hängt, auf daß er sich nicht verformt und Fehler ins Meßsystem einführt. Die Grob- Justage wird mit einem Justierlaser erledigt, die Feinjustage an Interferogramm selbst, indem ich versuche, die Koma-Effekte
    "wegzuklopfen", d.h ganz feine Justier-Bewegungen ausführe im Bereich von 0.01 mm.


    07. Der Sterntest am Stathis Kafalis Newton



    Vom Sternttest nach Suiter und der Berechnung über das Aberrator-Programm wurde schon viel erzählt. Mein Hauptkritik-Punkt ist die Tatsache, daß es sich hier immer nur um gerechnete Beispiele handelt, nie um fotografierte. Das ginge noch am ehesten im Labor bei absolut ruhigem Seeing. Vergleicht man trotzdem meine fotografierten - also nicht die gerechneten - Aufnahmen, so fällt die gleichmäßige Fläche im Scheibchen-Innern auf, und das ist immer der erste Hinweis auf einen qualitativ hohen Spiegel. Am Stern würde man das nur mit einfacher Genauigkeit messen. In meinem Fall entstand die Aufnahme mit einem 15 mm Spektros-Weitwinkel Okular. Durch die Autokollimation "halbieren" sich die 15 mm "scheinbar" auf 7.5 mm Okular-Brennweite. Die feinen Beugungseffekte rühren von Staubteilchen auf einer der Okular-Flächen.


    08. Die Glätte ist das Qualitäts-Merkmal !



    Die gleichmäßige Ausleuchtung der Ronchi-Linien liefert also den ersten Hinweis. Der Foucault-Test zeigt eine leichte Unregelmäßigkeit bei 11.00 Uhr und 17.00 Uhr. Der PhasenKontrast-Test, wie ich ihn verwende, zeigt immer noch keine Rauhheit, also immer noch eine sehr glatte Fläche, und auch der Rauhheits-Test, wie ihn die französischen Spiegelprüfer anwenden, liefert immer noch eine sehr gleichmäßige Fläche ohne Micro-Strukturen ab. Die Rauhheit sollte, wenn man den Experten in Frankreich glauben will, im Angström-Bereich liegen. Eine quantitative Aussage ist mir dazu noch nicht eingefallen - die Unterschiede jedenfalls sind signifikant.


    09. Das Interferogramm in Orginal-Größe



    Einem LOMO-Spiegel steht dieser Stathis Kafalis-Newton in nichts nach, nachdem ich die Reste von Justier-Koma weggeklopft hatte. Gemeint sind die leicht S-förmigen Verformungen der Streifen, die man in der Mitte sehen kann, und bei diesem Interferogramm fast nicht mehr erkennbar sind. Auch ist nicht mehr klar, ob es sich nicht auch um einen thermischen Effekt handeln könnte.


    10. Die quantitative Auswertung



    Dazu muß man eigentlich nichts mehr sagen. Meine Meßgenauigkeit spielt so um 1 %, weil intern die Kommastellen begrenzt sind und beim Strehl z.B. auf die zweite Stelle nach dem Komma gerundet sind.


    11. Astigmatismus-Test



    Dieser Test ist mit dem Interferometer äußerst genau, besonders, wenn man möglichst wenig Ringe einstellt. Dann jedoch ist es ein Gedulds-Spiel, bis man die Ringe zentrisch zum Loch fotografieren kann. Das Herz sollte in diesem Zeitraum möglichst aufhören zu schlagen, so empfindlich ist dieser Test.


    12. Nocheinmal PhasenKontrast in Orginal-Größe




    Es ist keine Substruktur zu erkennen, mit Ausnahme der weichen Zone bei ca. 80% vom Durchmesser. Mit Foucault lange nicht mehr erkennbar, am Stern nicht wahrnehmbar.


    13. Immer noch Rauhheits-Test




    Diesmal die französische Variante, die in manchen Fällen die Feinstruktur kontrastreicher zeigt.


    14. Der "Ultimative Test" mit der Abbildung meines Licht-Spaltes



    Diesen Test habe ich mir vorbehalten, weil er sowohl das Streulicht, wie die Bild-Definition gnadenlos zeigt. Bei diesem Test betrachte ich meinen Lichtspalt unter einer Vergrößerung von hier 1112-fach, also mit einem 2.5 mm Vixen-Okular, dessen Brennweite sich durch die Autokollimation auf die Hälfte "verkürzt", d.h. der mögliche Fehler des Spiegels wird verdoppelt. Mein Spalt ist ca. 0.015 mm geöffnet, was man aus dem Abstand der beiden "Nasen" errechnen kann. Diese Abstände habe ich einmal mit einem Meß-Mikroskop ermittelt. Davon ausgehend, sind auf der gegenüberliegenden Seite zarte Spitzen im Micron-Bereich, also zwischen 1 -3 Micron große Spitzen. So genau, wie ich an diesem Spiegel diese Struktur sehen konnte, war sie leider nicht zu fotografieren. Schade eigentlich. Aus diesem Bild könnte man nun eine Strehl-Berechnung machen, indem man das Streulicht mit den übrigen Abständen vergleicht. Wie es mit dem Auge aussieht, habe ich als gelbe Linie eingezeichnet.


    Verglichen mit dem NexStar C11 GPS, der für diesen Geräte-Typ eine hohe Qualität hatte, liefert dieser Newton-Spiegel von Stathis Kafalis auf der Achse noch ungemein bessere und kontrastreichere Bilder ab. Auch beim NexStar habe ich diesen Test gemacht, mit einem sehr ansprechenden Ergebnis. Dabei habe ich entdeckt, wie entscheidend das Tubus-Seeing sich auf die Bildqualität des C11 auswirkt. Ohne ausgekühltem Tubus würde man zunächst von diesen Spalt-Strukturen gar nichts sehen. Vielleicht ist mit diesem Bericht deutlich geworden, warum ich mittlerweile großen Wert auf die Oberflächen- Qualität von Spiegeln und optischen Systemen lege.


    Wolfgang Rohr



    Bearbeitet von: Rohr am: 28/08/2002 22:50:01