Beiträge von Mario_II im Thema „(10) Wie sinnvoll ist die Strehl-D“

    Hallo Wolfgang,
    Lass uns noch etwas Haarspalten, damit Sinn und Unsinn ueber rms&Strehl&Co fuer mich noch etwas klarer wird:
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    Quote:


    Beispiel Fangspiegel:
    Die L/2 Surface Verformung simulierte ich mit einem leicht konvexen Fangspiegel, der eben durch einen
    entsprechenden Krümmungs-Radius so um die 10.000.000 mm genau diesen Fehler hat - so wie man das
    beim Prüfen von Fangspiegeln oft erlebt, daß sie leicht konvex sind. Streuung ist für diesen Fall nicht vor-
    gesehen. Es entsteht ein Astigmatismus-Effekt, den ZEMAX sauber durchrechnet.
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    Das ist also in etwa so, wie ich vermutet habe:


    Was Du da simulierst hast, ist keine raue Oberflaeche (fuer die eine Beschreibung des rms ein gutes Kriterium waere), sondern eine Abweichung von der Ideallinie (da haette PV gereicht). Du hast einfach einen Planspiegel durch einen Hohlspiegel ersetzt (ein Brocken aus einer Kugelsphaere mit respektablen 10km Durchmesser) und dir angeschaut, wir das den "Strahlengang" veraendert.
    Das ist natuerlich zunaechst eine gute Idee, weil praxisrelevant (alle geschliffenen Planspiegel kaempfen mit dem Problem entweder konvex oder konkav zu sein).


    Nun lass uns aber darueberhinaus mal etwas klugschei...
    Ich und anscheinend auch Du bist doch noch hinter einem etwas anderem Effekt her:


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    Quote:


    Genau dies ist einer der Gründe, warum ich die leider-immer-noch qualitative Rauhheits-Messung mache,
    die übrigens bis in den Angström-Bereich genau sein soll, sagen die Franzosen. Mein Feinoptiker Alois
    runzelt da natürlich die Stirn.
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    Nehmen wir einfach mal an wir ziehen einen SiO2 Einkristall und spalten den entlang der Kristallsymmetrie. Mit der Methode ist es
    moeglich ueber wenige mm eine voellig glatte UND voellig plane Oberflaeche zu schaffen (die Spiegel in Gaslasern werden meines Wissens oft so hergestellt) und mit voellig glatt meine ich +- eine Molekuellage.


    Nun schleifen wir als Vergleichsstueck den "perfekten" herkoemmlichen Spiegel. Kurt kraempelt sich die Aermel hoch und nimmt sich ein Jahr Zeit und liefert uns sein "Meisterstueck", der einen Krümmungs-Radius so um die 1.000.000.000 mm als Fehler der Ideallinie hat.
    Den resultierenden Astigmatismus koennen wir da getrost vergessen.
    Trotzdem ist der rms mit nichten Null. Entsprechend seiner Schleifmittel, seiner Schleiftechnik und des Spiegelmaterials ist das Ding immernoch lokal "rauh".
    Somit ist zu erwarten , dass der Spiegel schlechter als der ideale Quarzspiegel ist. Beide resultieren uebrigens aber im selben Strehl-Wert. D.h. mit gleichem Strehl ist das Beugungsbild (vermutlich minimal bis unmessbar) trotzdem verschieden.


    Warum interessiert mich das?
    Obwohl ich Theoretiker bin und vom Spiegelschleifen so viel verstehe, wie die Kuh vom semmelnbacken laeuft die Sache fuer mich auf Folgendes hinaus:
    Verschiedene Werkstoffe (Float, Pyrex, Sital, Zerodur, Quarz,
    Alu, Torf, oder ganz eklig CaF2...) werden aufgrund ihres inneren Aufbaus (Alu=Metallgitter, Glaeser=Amorph+Kristallin, Quarz=kristallin/polykristallin, ...) je nach Schleiftechnik und Schleifmittel eine verschiede Oberflaechenglaette erreichen. Genau die sieht man in deinen Rauheits Messungen ja auch so schoen. Nun ist doch die Frage (von Kurt gestellt), ist das jetzt nur ein theoretisches Schattenboxen, oder sieht man es in der Praxis.
    Klar ist - auswirken wird sich das nur am absoluten Ende der Fahnenstange - wenn der Strehl eh' nur 0.8 ist, kann ich mir den Kraftakt ueber "Mikrorauigkeit" nachzudenken natuerlich voellig sparen.
    Aber mir geht da immernoch die (uebrigens ungeheuere) Behaubtung voen "Northern Lights" im Kopf rum, die Zeroduroberflaechen mit +-0.5nm Genauigkeit machen zu wollen. Mal von der Frage abgesehen, ob das ueberhaupt machbar ist, stellt sich ja auch die Frage, ob oder ab wann das denn relevant wird.
    Nun ist intuitiv klar, ist eine lokal Oberflaeche so "rauh", das man im Bereich der Wellenlaenge des Lichts ist, wird man das sehr wohl sehen. Das Ding hat Streulicht wie Hoelle (Das getstreute Licht ist das Licht, dass bei deiner "Rauhheits-Messung" fuer den lokalen Kontrast verantwortlich ist). Ist die Abweichung so klein (z.B; 0.5nm), dass sie um den Faktor ~eintausend kleiner als die Lichtwellenlaenge ist, dann wird man das wohl getrost vergessen koennen. Interessant ist der Bereich dazwischen - ab wann isses denn Wurst: rms = L/10, L/100, L/500, L1000 ?
    Ich muss mir mal in Ruhe ueberlegen, ob man das nicht modellieren kann. Vermutlich eine voellig sinnlose Hausaufgabe. Aber auf was fuer Ideen kommt man nich' alles, wenn der Himmel seit 53 Tagen jede Nacht bedeckt ist...
    gestrehlte Gruesse,
    Mario

    Hallo Wolfgang,
    Ein prima Bericht!
    Allerdings ist mir noch bei weitem nicht alles klar.
    Also: bevor ich mit dir ueber die Ergebnissen reden kann, muss ich erst mal ueber die Rechen-Methoden nachdenken:
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    Frage 1:
    Was macht ZEMAX eigentlich genau?
    Ich habe mal kurz auf deren Webseite nachgeschaut und da wird
    das Programm ja als ein "Raytracer" beschrieben.
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    Nun sehe ich ja voellig ein, dass man damit alle Effekte der geometrischen Optik gut beschreiben kann (Astigmatismus, Koma, sphaerische Aberration, etc.), aber nicht so klar ist mir eigentlich, wie denn dein Raytracer Welleneffekte in den Griff kriegt. So scheint man bei ZEMAX z.B. Größe des Airy-Scheibchens von 6.71 micron von "aussen" hereinstecken zu muessen. Ein Raytracer kann das nicht wissen, weil die getraceten Einzelstrahlen ja nicht miteinander interferieren, sondern nur die Landezone jedes einzelnen Strahls markiert wird. Aber das Airyscheibchen ist ein Welleneffekt. Bei einem pefekten Newton gleich welcher Oeffnung sollte ein Raytracer immer alle Strahlen in einem Punkt vereinigen. Ein oeffnungsabhaengiges Beugungsbild spuckt der nie aus.


    Daher ist mir auch nicht so klar, wie so ein Raytracer z.B. die Auswirkung einer rauhen Oberflaeche errechnet.


    Nehmen wir mal an eine Wellenfront faellt auf einen Parabol-Spiegel.Von jedem Punkt einer Spiegeloberflaeche gehen Kugelwellen aus. Ist die Oberflaeche nicht perfekt, dann haben diese Kugelwellen im Fokalpunkt Phasenunterschiede (2x die Abweichung von der Idealoberflaeche). Das Airyscheibschen im Fokus ist dann die Ueberlagerung aus den Kugelwellen aller Spiegelorte.
    Um das zu berechnen muesste man allerdings einen ganz schoenen Aufwand bereiben:
    Jeden Punkt der Oeffnung muesste zunaechst auf jeden Punkt des Spiegels getraced werden, von da muesste jeweils ein weiterer Strahl auf jeden Punkt der Fokalebene getraced werden. Da berechnet man dann den Phasen beim Einschlag, skaliert die Intensitaet gemaess dem Intensitaetsabfall einer Kugelwelle (1/r^2) und addiert den ganzen Bettel fuer alle Strahlen auf. Das ergaebe dann tatsaechlich ein richtiges Beugungsbild der Optik, weil man Interferenz simuliert.
    Natuerlich ist das ein elendes Geschaeft.
    Mit jeder optischen Oberflaeche geht die getracete Anzahl der Strahlen exponentiell nach oben: legt man ein Massgitter von z.B. 1000 Messpunkten auf die Optik, dann muss von jedem dieser Punkte in der Aperturebene auf alle 1000 Messpunkte auf dem Spiegel getraced werden. Das sind ja dann schon 1000^2 Strahlen. Aber damit ist man ja noch nicht fertig: Von jedem Messpunkt des Spiegels geht es dann noch auf jeden Punkt in der Fokalebene. Da sind wir schon bei 1000^3 Rays die da getraced werden muessen.
    Das ist natuerlich ein irrwitziger Rechenaufwand und daher beinahe nicht machbar. Darum macht man es ja in der Regel auch nicht, sondern versucht sich mit "Non-sequential ray tracing" (siehe Zemax Beschreibung) durchzuschummeln.


    Gut, lassen wir das mal einsinken: All deine Rechnungen beinhalten keine Beugungs/Interferenzeffekte.
    Nun spuckt dir ZEMAX aus, was passiert, wenn der Fangspiegel für die optisch wirksame Fläche um 1/4 Lambda von der Oberfläche abweicht.
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    Frage 2:
    Wie wird denn dieser Effekt von Zemax genau modelliert?
    Was da passieren sollte ist Streuung. Das ist aber fuer einen Raytracer gar nicht trivial.
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    Die Abweichung ist aber dann doch nur der Schaden den die geometrische Abbildung nach den Regeln der geometrischen Optik nimmt (Punkt wird zom Fleck). Das sich allerdings auch das ganze Beugungsbild veraendern duerfte, z.B. Intensitaet vom Hauptmaxima in die Nebenmaxima rutschen kann, das sieht Zemax nicht.
    Das koennte aber fuer die Abbildung entscheidend sein: Vermatscht mir das Beugungsbild, dann ist der Bildkontrast schnell dahin.


    Bis daher mein Fazit:
    Das einzige was der Strehl dann doch objektiv sagt ist, in wie weit die Fehler der geometrischen Optik (Astigmatismus, Koma, sphaerische Aberration, etc.) KLEINER sind als der unumgaengliche Effekt der Wellenoptik (Sternpunkte werden immer als Airyscheibchen abgebildet).
    Daruerber in wie weit Oberflaechenfehler wie ein rauher Spiegel die tatsaechliche Beugungsfigur veraendern, sagt er dann doch nichts aus?


    Mir geht naemlich immernoch Kurts Frage von neulich im Kopf herum:


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    Zitat:
    Die freuen sich beim Secondary des Gemini Teleskop schon ueber +-2nm
    Genauigkeit. Bei 632nm waere das ein verdammt respektabler rms von L/316, den ich persoenlich so aus dem Bauch heraus hart an der Grenze des mechanisch realisierbaren angesetzt haette.
    Wenn ich das richtig mitbekommen habe, wird hier über so eine Art mikro-Mikrorauhigkeit diskutiert, die wahrscheinlich mit dem Phasenkontrastverfahren wie es z. B. Wolfgang Rohr anwendet gar nich mehr nachweisbar ist. Was mich besonders interessiert: Wann und wie sich derartige 0,5 oder 5 nm RMS Rauhigkeiten in der Beobachtungspraxis bemerkbar? Kann man die Effekte z. B. an Hand von MTF- Kurven darstellen?
    Gruß Kurt
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    Da bruete ich immernoch darueber. Obige "Wellenmethode" scheint mir die einzige Methode zu sein, wie man bei vorgegebener Mikrorauigkeit seine zittrigen Finger auf eine richtige MTF kriegt. Ist das die bittere Wahrheit, oder geht's einfacher und ich seh' den Wald vor lauter Baeumen nicht?


    Hilf mir mal weiter Wolfgang...
    Mario