Achter Laborbericht: Wie sinnvoll ist die Strehl-Diskussion?
Der Strehl, bzw. die Definitions-Helligkeit, gibt an, wieviel Prozent des ankommenden, meist parallelen Lichtbündels
innerhalb eines Abbildungs-Kreises, des sog. Airy-Scheibchens bzw. Beugungs-Scheibchens gesammelt werden,
bzw. im ersten Beugungs-Ring verschwindet, also die Energie-Konzentration innerhalb und außerhalb dieses Scheib-
chens. Beugungs-begrenzt wäre es, wenn 80% der ankommenden Lichtstrahlendavon innerhalb dieses Airy-Scheib-
chens konzentriert wären. Man nennt dies Rayleigh Kritierium bzw. Limit. Der Sachverhalt wird u.a. in "Tipps und Tricks
für Sternfreunde", S 14-18 ff eingehend beschrieben, oder in "Reflecting Telescope Optics II" 349 ff und sicherlich in
noch anderen einschlägigen Fachbüchern bzw. im Internet.
Nun neigen Amateur-Astronomen dazu, die Strehl-Diskussion einseitig dahingehend zu verschärfen, daß sie nur noch
Spiegel akzeptieren, mit mindestens 0.95 Strehl, obwohl das Rayleigh-Kriterium sagt, daß es ausreichend wäre, wenn
80% im Airy-Scheibchen landen, das wären L/4 PV wave oder L/14 RMS wave oder ein Strehl von 0.80. Wie Sinnvoll
diese Strehl-Diskussion vor dem Hintergrund der Flächen-Rauhheit ist, habe ich bereits oft deutlich gemacht. Einen
weiterer Aspekt möchte ich über die fehlerhafte Justage einführen, inwieweit diese den Strehl-Wert in den Keller
gehen läßt, und schließlich die Frage, wieviel Genauigkeit braucht ein Fangspiegel. Die Ergebnisse sind alle mit
dem Industrie Optical Design Programm ZEMAX gerechnet und erstellt worden.
Ich bin von einem Standard-System ausgegangen, also ein 10-Zoll Newton-Spiegel f/5
01. Der 250/1250 Newton ist perfekt auf der Achse
Links das von ZEMAX gezeichnete Layout des optischen Systems Nweton, rechts der Scale 10 micron, der zugleich
die Größe des Airy-Scheibchens für ein solches System mit 0.00671 mm bzw. 6.71 mircron angibt. Bei einem
perfekten Strehl von 1.0 werden also alle Strahlen dieses perfekten Newtons weit unter ca. 6 mircron vereinigt, und damit
der Grund, warum ein Newton auf der Achse wirklich das beste Gerät ist, wenn man einen möglichst kleinen Fang-
spiegel für dieses System wählt. Er übertrifft noch locker einen Refraktor, jedoch nur auf der optischen Achse. Im
Feld wird der Newton schnell unbrauchbar, oder aber, der Newton ist nicht exakt justiert, und das ist in vielen Fällen
wahrscheinlicher.
02. Geringe Abweichung - große Wirkung
Das Problem beginnt damit, bei einem Newton-Hauptspiegel genau die Mitte zu finden. Unter der Annahme, daß die
Rotations-Achse des Spiegel-Trägers aus Glas zugleich die optische Achse ist, setze ich also den Hauptspiegel auf
einen Drehteller, sorge für Rundlauf des Glaskörpers, und schreibe schließlich mit einem permanent Folien-Stift einen
4 mm Durchmesser Kreis auf die Hauptspiegel-Mitte, um mit dem Justierlaser genau die Spiegelmitte zu haben. Die
Endgültige Justage wäre ohnehin am Stern durchzuführen. (Eine genaue Justieranleitung findet man auf meiner
Homepage http://rohr.aiax.de ) ZEMAX hat nun nacheinander folgende Fälle simuliert:
eine Abweichung von der optischen Achse von nur 1 mm.
eine Abweichung von der optischen Achse von nur 2 mm.
eine Abweichung von der optischen Achse von nur 3 mm.
03. Die "Sieb-Löcher" sind gleichmäßig verteilt
Bei immer gleichem Airy-Scheibchen und bei einer regelmäßigen Verteilung der einzelnen Lichtstrahlen zeigen die
Spot-Ergebnisse, wo sich die Lichtstrahlen in der für einen Newton so typischen Koma-Figur verteilen: Es findet
wohl eine bestimmte Konzentration im Kern statt, aber ganz schnell wird bei einer minimalen Dejustierung der
Newton unbrauchbar. Diese Feststellung gilt jedoch auch für das Feld außerhalb der Achse. und vor allem für die
kurzbrennweitigen Newton-Syteme, nicht so sehr für die f/8 bis f/10 Systeme.
04. Die Bedeutung der richtigen Justage beim Newton:
Ein Sternfreund hätte beispielsweise den perfekten Newton mit einem Strehl von 1.00 bei einem PV-Wert von
ca. L/40 wave, wie unlängst ein Spiegelschleifer selbstsicher behauptete. Dieser Spiegel ist perfekt gelagert,
bereits eine neue Fehlerquelle, aber lassen wird das einmal, dieser Spiegel ist perfekt temperiert, auch das
soll jetzt keine Rolle spielen, aber dieser Spiegel ist wegen eines wackligen Okularauszuges oder anderer
mechanischer Unzulänglichkeiten um jeweils 1 mm, 2 mm oder 3 mm von der optischen Achse entfernt, also
dejustiert. Dann geht der Strehl signifikant in den Keller, wie die Übersicht zeigt.
Bei "Field" erkennt man den Abstand von der optischen Achse, also die Dejustierung. Die Wellenlänger war mit den
üblichen 550 nm angenommen, weils unser Auge so will. "Peak to Valley" und alle anderen Werte kann man aus
der jeweiligen Tabelle entnehmen. Fazit daraus: Wenn ein 0.95 Strehl Spiegel nicht ganz exakt justiert ist, dann
sind die 0.95 Strehl regelrecht für die Katz. Bei 1 mm sind es nur noch 0.89 Strehl bei 3 mm nur noch beachtliche
0.35 STrehl usw. An alle Strehl-Jäger die eindeutige Botschaft, jagt ihr vielleicht einer Chimäre hinterher? Oder
einfacher: Leute justiert eure Newtons exakt. Abschließend am Stern. Also erst den Fangspiegel mit'm Laser auf
die Hauptspiegel-Mitte und dann über den Hauptspiegel zurück in den Ursprung, den Rest am Hauptspiegel über
einen zentrierten und roations-symmetrischen Stern im Okular.
05. Fangspiegel-Fehler L/4 wave / Fangspiegel-Fehler L/2 wave
Wollen wir hoffen, daß sowohl Hauptspiegel wie Fangspiegel druckfrei gelagert sind, also nicht verspannt! Dann
ist noch unklar, wie gut bzw. schlecht denn der Fangspiegel überhaupt sein darf? Man bekommt nämlich über
den Fangspiegel Astigmatismus hinein, wenn der nicht ganz genau ist. Also habe ich hier zwei Fälle simuliert:
Der Fangspiegel weicht für die optisch wirksame Fläche um 1/8 Lambda von der Oberfläche ab, oder L/4 wave.
Dann ginge der Strehl von 1.00 auf den Wert von 0.99 Strehl.
Der Fangspiegel weicht für die optisch wirksame Fläche um 1/4 Lambda von der Oberfläche ab, oder L/2 wave.
Dann ginge der Strehl von 1.00 auf den Wert von 0.93 Strehl.
Auch das wäre noch verdächtig nahe am eingangs erwähnten Strehl von 0.95
Fazit: Ein nicht ganz perfekter Fangspiegel ist leichter zu verschmerzen, als eine fehlerhafte Newton-Justierung.
Der Einfluß eines dejustierten Newton-Systems ist viel gravierender, als ein nicht ganz perfekter Planspiegel, oder
ein nicht ganz perfekter Hauptspiegel. Von allen anderen Problemen der Lagerung, Thermik, Rauhheit etc. mal gar
nicht zu sprechen. Vielleicht hilft ja dieser einmal andere Bericht, diese Diskussion ein bißchen auf die Füße zu stellen.
Herzliche Grüße
Wolfgang Rohr
Die Sonnen-Filter-Diskussion geht demnächst in die 2. Runde, wenn ich die unbelegte Folie/Glasplättchen im
Durchgang mit dem Interferometer, dem Rauhheits-Test im doppelten Durchgang prüfe. Da wird die Anglegenheit
noch einmal eindeutiger, wenn ich vor dem Hintergrund einer vorhandenen Spiegelrauhheit zusätzlich die der
Filter untersuchen kann.