Seeing und Farbe

  • Hallo,


    hoffe das ich hier nicht ganz falsch liege, auch wenn es nicht unmittelbar um Selbstbau geht. Aber es ist eine Frage zur Optik und Astronomie.


    Ich habe mal gehört, das das Seeing im Infraroten deutlich besser sein soll als im visuellen. Angenommen ein Stern wird im blauen Licht bei 470nm zu einem runden Fleck mit einem Durchmesser von 2 Bogensekunden durch die Luftunruhe verschmiert, wie groß ist der Fleck im roten Licht bei 650nm? Kann jemand soetwas ausrechnen? Wäre für mich interessant zu wissen.


    Vielen Dank!
    Gerhard


    <font color="limegreen">Trotzdem mal vom Selbstbau in den Bereich der "Physik-Fragen" verschoben von Caro</font id="limegreen">

  • Hallo Gerhard,



    keine leichte Fragestellung ...


    Das Seeing wird ja durch Luftpakete unterschiedlicher Temperatur erzeugt, die sich deshalb in ihrer Brechkraft unterscheiden. Optische Medien haben aufgrund ihrer Dispersion jedoch fuer kurzwelligeres Licht eine hoehere Brechzahl. So auch die Luft:


    http://mintaka.sdsu.edu/GF/explain/optics/disp.html


    Aber: Wenn man sich die Brechzahlen anguckt, gehen diese von 1.000291 bei 800nm auf 1.000300 bei 400nm. Die Brechkraft erhoeht sich also um lediglich 3 Prozent.


    Also kann es an der Dispersion nicht liegen, da sich bei differentieller Brechkraft unterschiedlicher Luftpakete die dispersionsbedingten Brechkraftunterschiede im niedrigen Prozentbereich bewegen.


    Vielleicht weiss jemand anders Rat ... ?


    [?]


    http://www.opticsinfobase.org/…ct.cfm?&uri=josa-68-7-877


    http://www.opticsinfobase.org/…ct.cfm?URI=josa-72-8-1092

  • Hier steht was ...


    http://www.ing.iac.es/Astronomy/development/hap/dimm.html


    "[..] the image FWHM has only a weak (lambda-1/5) dependence on wavelength. "


    Also lambda hoch minus 0.2:


    2" bei 470nm, nun Uebergang zu 650nm: (650/470)^-0.2 = 0.937.


    Das Seeingscheibchen sinkt demnach zu 1".87.


    Allgemein: d_lamb2 = d_lamb1 * (lamb2/lamb1)^(-0.2)


    Im sichtbaren Fenster ist der Effekt also marginal. Geht man dagegen ins K-Band nach 2.4 Mikrometern, wird die Seeingscheibe zu


    d_k = 2" * (2400/470)^-0.2 = 1".44


    Oder aber an einem besseren Standort (Paranal mit sagenwirmal 0".7 Seeing im Optischen [:p]) wird die Seeingscheibe nur 0".5 klein sein.

  • Hallo Gerhard,


    vielleicht lässt sich diese Fragestellung nicht so beantworten, bzw. ist nicht ausrechenbar. Denn was Du mal gehört hast, betrifft wellenlängenabhängige Verzerrungen durch Luftunruhe zur gleichen Zeit. Würde man im selben Moment Verzerrung durch eine bestimmte Oszillation bei 470nm und 650nm aufnehmen, wirkt sie sich bei 650nm wohl weniger stark aus.


    Dein 2"-Fleck ist nun eine Aufsummierung vieler verschiedener Verzerrungen. Man dürfte deshalb auch einen kleinerer Fleck bei 650nm erwarten. Dem wirkt aber entgegen, dass das Beugungsbild bei 650nm schon viel grösser ist, d.h. die Oszillation wirkt sich ebenfalls grösser aus. Spontan würde ich den Fleck im roten Licht auch auf 2" abschätzen. Aus der Praxis könnte ich auch nicht bestätigen, da jemals klare Grössenunterschiede festgestellt zu haben.


    Mittelt man jedoch viele Momentaufnahmen wie z.B. in der Planetenfotografie, kann tatsächlich ein schärferer Rotkanal resultieren.


    Grüsse
    Jan

  • Hallo Jan,


    sicherlich wird das Beugungsbild etwas groesser - es steigt ja linear mit der Wellenlaenge an. Jedoch ist der Einfluss fuer groessere Oeffnungen vernachlaessigbar, und das Seeing dominiert. Mit einem kleinen aber langbrennweitigen Teleobjektiv plus feinpixeliger Kamera leistet das Beugungsscheibchen einen signifikanten Beitrag zur Punktbildfunktion, der aber linear mit der Oeffnung kleiner wird.


    Um also die Wellenlaengenabhaenigkeit des Seeingscheibchens beobachten zu koennen, sollte man eine moeglichst grosse Oeffnung waehlen oder den Beitrag des Airyscheibchens rechnerisch kompensieren.

  • Hallo Jürgen,


    habe jetzt selbst mal ein wenig rumgerechnet. In Wikipedia ist da eine Formel (Stichwort Strahlablenkung im Prisma). Habe Deine Brechzahlen verwendet und komm nur zu einer Abweichung von 0,03" (rot(blau) wenn der Stern 1" ausschlägt. Naja. Das ist wirklich nicht viel.
    In dem Zusammenhang bin ich aber auf ein anderes Phänomen aufmerksam geworden. Sog. Athmosphärische Dispersion. Mit Deinen Zahlen (Index) und einem Einfallswinkel von 45 Grad (Objekt steht 45 Grad über dem Horizont) komm ich zu stolzen 2" Abstand zwischen rot und blau. Das hat mit dem Seeing zunächst nichts zu tun, bedeutet aber, das selbst bei absolut perpektem Seeing praktisch jedes Teleskop im weissen Licht, also so wie die meisten Leute beobachten, weit unter seinem Auflösungsvermögen bleibt. Eigentlich ein "Gurkenteleskop". Also man bei Planeten praktisch zwingend einen Farbfilter verwenden muss, wenn man überhaupt eine Chance haben will, das Auflösungsvermögen am Planeten zu nutzen. Ist das richtig oder liege ich falsch? Seltsamerweise hört man aber in diesem Zusammenhang praktisch gar nichts, sondern nur ganz allgemein ..."Seeing ist schlecht"..."Bild ist nicht scharf"...Das das aber im weißen Licht gar nicht scharf zu kriegen ist, wenn das mit der athmossphärischen Dispersion so stimmt, wäre ein starkes Stück. 2" sind halt schon viel.


    Hilfe mir wird schwindlig[B)]


    Vielen Dank!
    Gerhard

  • Hallo Gerhard,


    das Phaenomen der atmosphaerischen Dispersion ist vor allem in der professionellen Astronomie bekannt. Die Dispersion erzeugt ein kleines Spektrum, das immer vertikal verlaeuft.


    Grossteleskope verwenden daher einen ADC ("Atmospheric Dispersion Corrector"). Das ist ein Bauteil, das vor dem Bildderotator sitzt und zwei Prismen enthaelt, deren gegenseitige Stellung zueinander eine passende Gegendispersion erzeugt. Diese Gegendispersion muss immer im "parallaktischen Winkel" erfolgen, d.h. sentrecht. Bei parallaktisch montierten Teleskopen muss der ADC deswegen rotiert werden, bei azimutalen nicht (dort dafuer aber die Fokalebene).


    In der Spektroskopie werden deswegen die Spalte gern nach dem parallaktischen Winkel ausgerichtet, da man sich sonst Spaltverluste einhandelt. Dummerweise dreht sich jedoch das Bildfeld gegen die reine Vertikale, sodass bei langen Belichtungszeiten Spaltverluste unvermeidlich sind. Was hier hilft, ist eine IFU (Integral Field Unit), wo man das ganze Spektrum der atmosphaerischen Dispersion in einem zweidimensionalen Bereich empfaengt und jedes Bildelement getrennt dem Spektrografen zufuehrt.


    Deswegen muessen auch Webcamfotografen ihre in R, G und B erzeugten Bilder korrigieren. Registax zum Beispiel rueckt die gestapelten Bilder wieder uebereinander.

  • Hallo Gerhard
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Das das aber im weißen Licht gar nicht scharf zu kriegen ist, wenn das mit der athmossphärischen Dispersion so stimmt, wäre ein starkes Stück. 2" sind halt schon viel.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Das entspricht ganz meiner Erfahrung! Sehr selten gibt es solches Ausnahmeseeing, wo auch hochauflösende Fotografie ohne Filterei möglich ist. Hab mal dazu ein Beispiel gepostet:


    http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=73900


    Ansonsten waren alle meine Anläufe mit ungefilterter CCD unbrauchbar, selbst bei sehr gutem seeing. Andererseits ist hier jede RGB-Kamera (also webcams etc) im Vorteil, weil die Farbkanäle bereits wie Farbfilter funktionieren und keine weilteren Filter notwendig sind. Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut diese verschobenen Farblayer zurecht gerückt werden können!


    Grüsse
    Jan

  • Hallo,


    mir stellt sich halt die Frage, weswegen soetwas praktisch allenfalls von den Planetenphotographen thematisiert wird. Merkwürdig. Auf dem ITV war das Seeing an einem Abend recht gut und Saturn schön scharf. Als ich dann aber einen Orangefilter reingemacht habe... Donnerwetter das war wirklich deutlich schärfer (Ich habe ein Spiegelteleskop[:D]). Mit Blaufilter war aber das Bild vergleichsweise "matschig". Ich kann mir das nicht so recht erklären. Mit dem Filter wird die atmoshpärische Dispersion weggedrückt. Aber dann hätte auch das Bild im blauen schön scharf sein müssen. Also habe ich gedacht, das das am Seeing liegt, das im kurzwelligen Bereich möglicherweise schlechter ist. Aber wie oben dargelegt, ist der Effekt zu klein um den Unterschied zu erklären. Vielleicht liegt es aber einfach auch an den Augen. Möglichweise ist hier das Auflösungsvermögen niedriger. Bin da etwas ratlos.
    PS: Im Internet bin ich übrigens auf einen Anbieter gestoßen der für Amateure einen sog. ADC anbietet. Hat jemand damit Erfahrung? Das Wort "Planetary Okular" hätte in dem Zusammenhang dann auch eine gewisse Bedeutung.


    Vielen Dank!
    Gerhard

  • Hi Gerhard,


    fuer Deine Beobachtung haette ich zwei Erklaerung(sversuche)en feilzubieten:


    (i) Die Dispersion wirkt im Blauen staerker. Ist der Durchlassbereich des Blaufilters genausogross wie der des Orangefilters, ist die Verschmierung aufgrund der staerkeren Dispersion im blauen Durchlassbereich groesser. In diesem Fall siehst Du ein besseres Bild als ohne Filter, aber immer noch schlechter als im orangen Bereich.


    (ii) Optische Oberflaechenaberrationen sind im Blauen deutlicher sichtbar, da ja die Bedingung fuer Beugungsbegrenztheit mit der Wellenlaenge skaliert ist. Ist Dein Gesamtaufbau (Teleskop inklusive dessen Justage, Okular, Auge) im Orangen so gerade beugungsbegrenzt, so siehst Du im Blauen bereits Aberrationen und das Bild wird "matschig".


    Ob dieses "matschige" Bild nun besser oder schlechter ist als ohne Filter, haengt davon ab, wie gut die Optik ist; d.h. wie stark dieser Abbildungsfehler im Blauen ueber die Dispersion im filterlosen Fall dominiert, wo das Auge aufgrund seiner spektralen Empfindlichkeit den blauen Spektralanteil weniger stark wichtet.


    Besonders wenn die Planeten niedrig stehen, ist deshalb mit scharfen Planeten Sense, da sich ja die Atmosphaerendispersion mit der Zenitdistanz skaliert. Es ist also nicht nur das Seeing ueber den groesseren Sehstrahl fuer eine miesere Bildqualitaet verantwortlich.

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