Am 21.2.07 bot sich endlich einmal wieder ein Abendhimmel voller Sterne – und welche Chance: Kinder in den Ferien, Frau im Stadtrat, ca. 4 Grad plus(!!!) im Winter. Da störte auch der zunehmende Mond nur wenig (da hinter der Hauswand); auch die miserable Grenzgröße von 5,3 mag (nach meiner konservativen Schätzung) in den Zwillingen und der mir vom heimatlichen Liegestuhl aus zugängliche Himmelsausschnitt mit Fuhrmann, Stier, Zwillingen und nördlichem Orion hinderten mich nicht, mein Fernglasarsenal auszupacken: CZ Jena 8x30, 7x50, 10x50 freihändig und TS 20x80 auf Stativ.
Wozu so viele Gläser? Eigentlich reichen das 10x50 und das 20x80 aus, damit würde ich auch wieder in den Urlaub fahren. Aber wenn man die schon mal hat… Dann habe ich ja immer noch meinen „8x30-Minimalkatalog“ im Hinterkopf, und wenn ein Glas beschlägt, dann nehme ich eben das nächste… und dann der Direktvergleich 7x50 mit 10x50.
Was bietet sich unter diesen Voraussetzungen an: Offene Sternhaufen! Ideal für die Recherche sind die Deep-Sky-Liste der DS-Fachgruppe des VdS und Phil Harrington: „Touring the universe with binoculars“ (das z.Zt. beste Buch für Fernglasastronomie). Als Atlas ist schon die Uranometria nötig, leider sind OHs etwas die „Stiefkinder“ in Karkoschka, DSRA, Sky Atlas usw.
Denn mal los: über der rechten Schulter des Orion zeigt sich Dolidze 17 im 20x80 als 5 Sterne, die ein spiegelverkehrtes C bilden; im 8x30 bleiben davon 3 direkt sichtbare Sterne mit indirekt nebligem Charakter drumherum.
Mein Geheimtipp für Fernglas-OHs sind die aus dem Dolidze-Dzimselejsvili-Katalog. (Die klingen so ungewöhnlich, dass fast alle nur an die Sichtbarkeit in großen Dobsons glauben. Und dann holste dein 10x50 raus…)
Allerdings sah ich von DoDz 2 nichts. DoDz 4 zwischen den Stierhörnern zeigt im 10x50 nur die 3 hellsten Sterne direkt, indirekt wenige mehr. Im 20x80 sind die 3 hellen sowie 7 schwächere Sterne direkt zu sehen. Ein insgesamt schwach konzentrierter OH, der sich wenig von der Umgebung abgrenzt.
Nördlich neben DoDz 4 liegt DoDz 3, der noch weniger zeigt, im 10x50 indirekt 3-4 Sterne, im 20x80 diese 4 Sterne schwach direkt. Da empfehle ich doch eher die Nummern 5-9 aus dem gleich Katalogen, allerdings tummeln die sich m Herkules.
Mehr für das Auge bietet das schöne Paar NGC 1807 und 1817 an der Grenze zwischen Stier und Orion. Im 10x50 fast nur indirekt zusehen (1817: 1 Stern direkt, 1807: 3 Sterne direkt) haben sie trotzdem etwas von einer Miniaturausgabe von H und Chi Persei. Selbst im 8x30 erkennt man beide OHs indirekt. Im 20x80 zeigen sich jeweils ca. 16 bis 20 Sterne in geringer Konzentration.
Links neben dem Paar ist mir eine lose Gruppe von nahezu gleichhellen Sternen aufgefallen, aber die Uranometria zeigt dort kein DS-Objekt. Aber ich denke doch… und richtig, Harrington verweist an dieser Position auf Collinder 65. Ein im 8x30 etwa 4-5 Grad großer nach Osten offener Halbmond mit langer Nase, 20 helle und ca. 30 weitere Sterne. Erinnert an die Hyaden oder die Alpha-Persei-Assoziation.
So langsam wurde ich des „Star cluster hopping“ müde, aber eine eigene Haustür mit dahinter befindlichem Flur und gar ein Kaminofen etwas dahinter sind eine Wohltat für einen durchgefrorenen Spechtler. So trieb mich der Blick in Harrington und Uranometria doch noch einmal nach draußen, um noch einige weitere Sternhaufen der Region zu erhaschen:
NGC 2169 erscheint im 10x50 als dichtgedrängte Gruppe von 4 Sternen, 8x30 zeigt nur 2 Sterne. Aber im 20x80 sieht man sehr schön 4 Sterne fast trapezförmig zueinander stehen, die von 3 schwächeren „sekundiert“ werden, der Anblick erinnert an M 29 im Cygnus.
NGC 1662 ist ein kleiner Fleck von 3-4 direkt sichtbaren Sternen im 10x50, im 8x30 nur ein Stern mit etwas „Spreckel“ drumherum. Auch hier zeigt das 20x80 die ganze Pracht: 7-8 Sterne bilden einen in O-W-Richtung länglichen, gut aufgelösten Haufen, dazu kommt indirekt noch der Eindruck weiterer Sterne.
Na, so langsam kommt nun doch das Sandmännchen: an der Stelle von Collinder 62 im Fuhrmann sehe ich im 7x50 nichts, vielleicht noch ein Schwenk herüber:
Stock 10 zeigt im 8x30 5 Sterne in geringer Konzentration, die leicht mit anderen Sterngruppen in der Umgebung verwechselt werden können, im 10x50 blitzen indirekt weitere Sterne auf, insgesamt wirkt der Haufen dadurch doch etwas „bevölkerter“ als die Umgebung.
So, schließlich hat der Wettergott auch Erbarmen mit mir und schiebt ein paar Wolkenfetzen über den Himmel, so dass ich nicht ganz unfreiwillig meine Ferngläser einpacke und die erlegten Sternhaufen zusammenkehre;-)
Wer mal in der Region vorbeikommt, dem seien natürlich M 36-38, NGC 2281 im Fuhrmann, NGC 1647 und 1746 im Stier sowie Collinder 69 und 70 sowie das Schwertgehänge im Orion empfohlen, ganz abgesehen von der an OHs unheimlich reichen Milchstraße imEinhorn. Aber selbst mit einem kleinen Freihandglas braucht man da schon ein paar weitere Nächte…