Woher kommt die Belastungsgrenze bei Montierungen?

  • Hallo Zusammen,


    ich habe da mal eine Verständnisfrage: Woran liegt es eigentlich, ob eine Montierung Teleskope mit einem bestimmten Gewicht tragen kann - oder halt nicht....


    Der Anlass: Meine H-EQ5 trägt mein C-8 (ca. 8 Kg) absolut klaglos. Wenn man den Tubus anstubst, kommt er nach etwas über einer Sekunde wieder zur Ruhe. Jetzt habe ich einen 10" Newton (15 Kg) daraufgeschnallt (und sorgfältig ausbalanciert). Wenn ich den anstubse, schwingt er bis in alle Ewigkeit....


    Mögliche Schwachpunkte:


    a) Antriebe
    Ich sehe ja ein, dass man jeden Motor überlasten kann. Wenn das Teleskop aber absolut in der Waage ist, bei gelöster Klemmung nicht wegkippt, sollten auch die Motoren nicht zu viel leisten müssen.


    b) Achsenklemmung
    Ich denke, da sieht's genauso aus. Wenn das Teleskop in der Waage ist, kann auch dort die Kraft nicht zu hoch werden.


    c) Stativ
    Ich könnte mir vorstellen, dass das Stativ der Übeltäter ist. Wenn man davon ausgeht, dass die Klemmung hält - das Achsenkreuz also starr ist, wird die Schwingung an das Stativ weitergegeben.
    ...leider verlassen wir hier den Bereich der Statik und in Dynamik habe ich nicht so gut aufgepasst[8D]



    Kurzum - kann es sein, dass ich mir keine neue Montierung, sondern nur ein stabileres Stativ zulegen muss?


    Für Eure Meinungen und Erfahrungen wäre ich (und vor allem mein gebeuteltes Konto) sehr dankbar...


    Gruß
    Klaus

  • Hallo Klaus,


    ich denke das in erster Line ist der lange Hebelarm des Newtons schuld an der Instabilität ist. Mit einem massiveren Stativ wird die Sache natürlich auch stabiler, ob es aber reicht waage ich zu bezweifeln. Der 10" mit 15kg ist wohl eher was für beispielsweise eine New Atlux oder entsprechende Leistungs bzw Preisklasse.


    Gruß

  • hallo Klaus,


    in den meisten Fällen ist wohl das Stativ der begrenzende Faktor.


    Ich würde einfach mal versuchen die Montierung mit Fernrohr ohne das Stativ auf einer stabilen Unterlage zu befestigen. Vielleicht kann man ja eine dicke Holzplatte nehmen, auf die man die Montierung schraubt und das Ganze dann auf einer Steinplatte befestigt o.Ä.


    Man muß ja mit dem Testaufbau nicht unbedingt den Himmel beobachten können. Die Schwingungsanfälligkeit läßt sich auch durch Anstossen und Handauflegen testen.



    clear skies


    Wolfgang

  • Hallo Astrofreunde,


    mal was Prinzipielles zu Schwingungen:


    <b>Ausschwingzeit: </b>Zeit, die eine Montierng braucht, um auszuschwingen. Geht im allgemeinen Länger bei tiefen Schwingungen. Eine grosse Dämpfung bewirkt eine schnelle Reduktion der Ausschwingamplitude (Schwingweg)!


    <b>Schwingung einer Montierung</b>: Ist technisch gesehen die Eigenschwingung des Systems "Teleskop". Das System setzt sich zusammen aus den Randbedingungen (Auflage weich/hart), Stativ, Montierung, Teleskop. Es gelten folgende Regeln:


    Tiefe Eigenfrequenzen erreicht man, indem man
    -lange Hebelarme hat,
    -Spiel in Lagern hat
    -"weiche" Materialen benutzt
    und am Ende der Monti (also der Tubus) ein hohes Gewicht aufbringt.



    Diese Liste beschreibt genau, was man NICHT tun sollte! Also Richtig ist: Kompakt bauen, gut Fundieren, lange Stäbe meiden (Dreibeinstativ....) und den Tubus möglichst kompakt und leicht halten (Kompakt deshalb, weil auch hier ein langer Hebel ungünstig ist. Ein 10kg Newton f4 braucht nicht so eine massive Montierung wie ein 10kg Frauenhofer f15!)


    <b>Dämpfung</b>: Eine weitere gute Möglichkeit, die Ausschwingzeit zu verkürzen ist eine hohe Dämpfung des Systems. Probiert wurde hier schon einiges:
    - Ausschäumen von Stangen mit elastoplastischen Materialien
    - Grauguss statt Schweissverbindungen
    - Bei bekannter Eigenfrequenz: Anbringen von Schichten, Lagern, welche NICHT in dieser Frequenz schwingen.


    Erreicht wurde mit diesen Massnahmen noch selten viel....[:D]


    Ich hoffe, das klärt einige Fragen.


    Gruss Max

  • Hi watchgear,
    ich habe im Handbuch der AStronomie (2 Bände) gelesen, dass die DÄmpfung um so besser gelingt, desto höher die Eigenfrequenz des Systems ist. Wenn also auf derselben Montierung einmal ein Rohr einer bestimmten Masse und Länge hängt, also eine bestite Eignefrequenz macht und ein anderes Mal dieselbe Masse, aber mit größerer Länge, ergibt das eine niedrigere Eigenfrequenz, die schlechter zu dämpfen ist, das also länger nachschwingt.
    Man muss also versuchen, für eine hohe Eigenfrequenz zu sorgen - und natürlich als erstes für eine hohge Steifigkeit und hohe Dämpfung.
    DAs werden die Gründe sein, warum Dein Netwton so lange nachwackelt.
    Steife Grüße und
    cs
    jorgos




    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: watchgear</i>
    <br />Hallo Zusammen,


    ich habe da mal eine Verständnisfrage: Woran liegt es eigentlich, ob eine Montierung Teleskope mit einem bestimmten Gewicht tragen kann - oder halt nicht....


    Der Anlass: Meine H-EQ5 trägt mein C-8 (ca. 8 Kg) absolut klaglos. Wenn man den Tubus anstubst, kommt er nach etwas über einer Sekunde wieder zur Ruhe. Jetzt habe ich einen 10" Newton (15 Kg) daraufgeschnallt (und sorgfältig ausbalanciert). Wenn ich den anstubse, schwingt er bis in alle Ewigkeit....


    Mögliche Schwachpunkte:


    a) Antriebe
    Ich sehe ja ein, dass man jeden Motor überlasten kann. Wenn das Teleskop aber absolut in der Waage ist, bei gelöster Klemmung nicht wegkippt, sollten auch die Motoren nicht zu viel leisten müssen.


    b) Achsenklemmung
    Ich denke, da sieht's genauso aus. Wenn das Teleskop in der Waage ist, kann auch dort die Kraft nicht zu hoch werden.


    c) Stativ
    Ich könnte mir vorstellen, dass das Stativ der Übeltäter ist. Wenn man davon ausgeht, dass die Klemmung hält - das Achsenkreuz also starr ist, wird die Schwingung an das Stativ weitergegeben.
    ...leider verlassen wir hier den Bereich der Statik und in Dynamik habe ich nicht so gut aufgepasst[8D]



    Kurzum - kann es sein, dass ich mir keine neue Montierung, sondern nur ein stabileres Stativ zulegen muss?


    Für Eure Meinungen und Erfahrungen wäre ich (und vor allem mein gebeuteltes Konto) sehr dankbar...


    Gruß
    Klaus
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">

  • Hi,
    erstmal danke für Eure Antworten. Wenn ich mal zusammenfasse:


    Schuld ist weniger das Gewicht des größeren Teleskops, als vielmehr der größere Hebelarm (durch die längere Bauform) und damit die geringere Eigenfrequenz. Wenn ich mich recht erinnere, wird die Eigenfrequenz eines mechanischen Schwingsystems durch Gewicht und Federkonstante, bzw. Trägheitsmoment und Torsionsfederkonstante bestimmt. Da ich an Gewicht bzw. Trägheitsmoment nichts ändern kann, muss ich an die Federkonstante. Die ist wohl in hohem Maße im Stativ zu suchen.


    Anders gesagt, wenn ich die Schwingung dämpfen will: Wer oder was dämpft eigentlich die Schwingung?
    Das Achsenkreuz der Montierung doch kaum... Ich hoffe eigentlich, das ist starr.
    Da bleibt wohl tatsächlich das Stativ.


    Ich hoffe nur, das ist kein Zweckoptimismus. Sonst kaufe ich mir jetzt ein schweineteures Stativ und bin genauso schlau wie vorher!?!


    Gruß
    Klaus

  • Hallo, Watchgear,


    das alles ist nicht einfach, und es wird eine Unmenge Mist darüber geschrieben. Da wird gefaselt von "massiven Montierungen" und ähnlichem Quatsch.


    Technisch gesehen gibt es nur den Begriff der Steifigkeit: Es wird in das System eine bestimmte Kraft, an einem zu definierenden Punkt - oder eine Moment - eingetragen, z.B. durch eine Federwaage, und die Auslenkung des Systems gemessen. Das sind statische Parameter.


    Anmerkung: Moment ist Kraft mal Hebelarm. Da spielt natürlich die Geometrie des Systems - Newton oder z.B. Schmidt / Cassegrain eine gewichtige Rolle.


    Die dynamischen sind etwas schwieriger: Da wird das System um einen bestimmten Betrag ausgelenkt und die Beruhigungszeit - bis zu welchem Wert auch immer - gemessen.
    Da hinein spielen: Die Verteilung der Massen im Teleskop - Newtons sind da besonders schlecht- , die Steifigkeit der Montierung, die Steifigkeit des Statives, die Dämpfung der beteiligten Komponenten.


    Ein Beispiel: Ich habe ein TAL 150 f/5, sehr gut, und eine Vixen GPE, ziemlich schlecht, in der Originalkonfiguration. Das alles auf dem Originalstativ von Vixen war eine erbärmliche Wackelei.

    Habe das VIXEN durch eine Stativ von Boxdörfer ersetzt - gar nicht mehr sooo schlecht.


    Noch einmal: Ich kann nur wärmstens die Lektüre des Kapitels über Montierungen von Herrn Ziegler empfehlen. Von ihm gab's auch in SuW im letzten oder vorletzten Dezemberheft eine Aufsatz über Telekope und deren Tests - gute Arbeit.


    Anmerkung:


    Es gab einen Professor für Physik, bei dem sich die Studenten über das Maß an Theorie in der Vorlesung beklagt haben. Antwort des Pofessors: "Meine Herren, nichts ist praktischer, als eine gute Theorie".
    Zusatz: Der Professor war entweder Sommerfeld oder Schrödinger, beide Träger des Nobelpreises für Physik.


    Dem ist nichts hinzuzufügen.


    Gruß


    Julius

  • Hallo Zusammen,


    ich denke, ich werde jetzt mal mit einem besseren Stativ anfangen. Es ist mir aufgefallen, dass man Vermessungs-Stative (die teilweise auch für Teleskope angepriesen werden) bei den entsprechenden Online-Shops (z.B. http://www.gloecke.de) teilweise nur ein drittel kosten, wie bei den einschlägigen Teleskop-Händlern. Weiß jemand, ob man diese Stative dann so benutzen kann, oder ob sie noch irgendwie modifiziert werden müssen?


    (==&gt;)Julius: Na wenn Schrödinger das gesagt hat, weiß ich ja, was in meiner Montierung immer so jault.... Blos nicht nachsehen[xx(].....


    Gruß
    Klaus

  • Klaus:
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Na wenn Schrödinger das gesagt hat, weiß ich ja, was in meiner Montierung immer so jault.... Blos nicht nachsehen.....<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Schrödingers Katze? Oder hast Du selber eine?


    Ernst beiseite:


    Das Problem mit den Schwingungen hat JEDER. Auch das HST. Welche Materialien verwendet werden, spielt eine große Role, und zwar bei allen Teilen. Wird ein homogenes Material verwendet, ist die Schwingneigung am größten und die Dämpfung am geringsten. Deshalb sind Holzstative gut geeignet. Ein Beispiel: ich habe meine WAM650 mit dem 15" Newton auf einer Stahlsäule (Rohr da=140mm, Wandstärke 3mm, Länge 500mm) - das System schwingt mehr als auf einem Holzdreibein, Beine aus Kiefern(Weich-)holz, Stativplatte aus Birkenmultiplex 28mm.


    Es ist insgesamt die Kombination aus Trägheitsmoment und Federkonstante, die die Schwingung bestimmt. Dazu kann - wie oben schon gesagt - nur ein weiteres mal die Lektüre von H.G. Ziegler 'Fernrohrmontierungen und ihre Schutzbauten' empfohlen werden.
    Diese Problematik hier in allen Einzelheiten zu diskutieren, würde den Rahmen sprengen. Es würde sich Stoff für eine 1-Semestrige Vorlesung ergeben.


    Gruß


    ulrich

  • Hallo Miteinander,


    danke für die vielen Beiträge! Ich habe mir jetzt ein Stativ besorgt (das sogar sehr günstig. Vielleicht hat einer von Euch ebenfalls Interesse: http://www.astrotreff.de/topic…OPIC_ID=4738&whichpage=1#). Ich will nicht behaupten, dass die Montierung jetzt durch nichts mehr aus der Ruhe zu bringen wäre. Aber wenn's nicht gerade windig ist, bin ich mit dem Ergebnis absolut zufrieden.


    (==&gt;)Ullrich: Klar hab' ich ne Katze! (Manchmal sogar 'nen Kater[:D]). Ich weiß bloß nie gleichzeitig, wo sie ist - und wie schnell....


    Gruß
    Klaus

  • Hallo,
    ich hatte ähnliche Probleme mit der Sky-View Montierung bzw. dem Alustativ.
    Abhilfe: Einfaches Vermessungsstativ aus Alu; da die Ausnehmung des Stativs größer als der Zapfen der Sky-View ist, habe ich eine Aluplatte mit reduzierter Ausnehmung eingesetzt. Für die azimutale Ausrichtung/Stabilität habe ich die vorhandene M 8 Imbusschraube gegen eine längere ausgetauscht (die Stativplatte vorher durchbohrt) und eine Distanzhülse aufgeschraubt und auf "Länge" gebracht.
    Funktioniert prima


    Jens

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!