Fliesst Glas bei Raumtemperatur?

  • Hallo,


    wie im letzten Thread schon angekündigt habe ich einen Versuch gemacht um herauszufinden ob Glas bei Raumtemperatur fliesst, mit anderen Worten ob man es als Festkörper oder als extrem zähe Flüssigkeit betrachten muss.


    Auf einem 8mm dicken Stück Floatglas habe ich eine kleine Fläche ausgesucht die schön flach ist. Der betrachtete Bereich ist ca. 4mm x 3mm gross und die Topografie wurde gestern mit einem Interferenzmikroskop vermessen, siehe Bild 1:



    Die Skalierung der X und Y Achsen ist falsch, ich hatte jetzt keine Lust das zu ändern. Der Bildausschnitt ist wie gesagt ca. 4mm x 3mm gross. Rot sind Täler, blau sind Berge. Die Einheit in der Z-Achse sind Wellenlängen bei 633nm.


    Dann habe ich für etwas mehr als 26 Stunden eine Stahlkugel mit 2mm Durchmesser auf die Glasplatte gepresst. Die Anpresskraft war ca. 40N.
    Die theoretische Berechnung nach (1) ergibt einen Durchmesser der Berührfläche von ca. 0.16mm, was einer Fläche von ca. 0.02mm^2 entspricht. Das ergibt eine Flächenpressung (= Spannung) von ca. 2000 N/mm^2.


    (1) Warren C. Young, Roark's formulas for stress and strain, 6th edition, Seite 650


    Das zweite Bild ist heute entstanden und zeigt den gleichen Bereich der Glasoberfläche (die Stelle habe ich natürlich vorher mit Edding markiert, die Markierung liegt aber ausserhalb des hier gezeigten Bereichs):



    Und siehe da, da ist eine kleine Delle im Glas. Der kleine rote Punkt.
    Tiefe ca. 0.02 Wellenlängen, entspricht ca. 12nm. Der Durchmesser der Delle stimmt auch gut mit dem theoretischen Wert überein.


    Damit wäre gezeigt dass zumindest diese Glassorte im kalten Zustand fliesst. Ich werde den Versuch jetzt noch über eine längere Zeit fortsetzen um das Ergebnis zu erhärten.


    Gruss
    Michael

  • Hallo, dass Experiment beweist gar nichts.Es kann auch sein das diesaes Glas so amorph ist das es sich etwas pressen lässt.Es kann auch sein dass durch den Anpressdruck Material weggescheuert wurde, ansonsten geistert diese Märchen immer wieder mal durch das Netz.
    Gruß Erich

  • ...stimme Erich zu,


    der Mythos vom fließenden Glas hält sich hartnäckig im Netz. Sei er begründet oder nicht, das oben angeführte Experiment ist jedenfalls nicht geeignet es herauszufinden, da es lediglich zeigt, daß das Glas offensichtlich bis zu einem gewissen Grad plastisch verformbar ist (so es denn nicht nur, wie von Erich vermutet, weggescheuert wurde). Und plastische Verformbarkeit als Kriterium für "fließend" halte ich für etwas gewagt, sonst müßten wir alle haushaltsüblichen Metalle und viele Kunststoffe ebenfalls als Flüssigkeiten ansehen, was mir etwas Unbehagen bereiten würde... ;)


    Viele Grüße
    Andreas

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: andi77</i>
    <br />...stimme Erich zu,
    ... Und plastische Verformbarkeit als Kriterium für "fließend" halte ich für etwas gewagt ...<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hallo,


    nun gut, wir werden sehen wie der Versuch weitergeht. Ich habe die Kugel wieder draufgepresst, und hoffentlich nicht genau die gleiche Stelle getroffen. Nach einer Woche werde ich wieder messen. Wenn's plastische Verformung war, dann sollte die Tiefe der Delle nicht von der Einwirkzeit abhängen. Wenn's "Fliessen" war, dann müsste die neue Delle tiefer sein. Warten wir's ab.


    Gruss
    Michael

  • ... nein, so einfach ist es nicht. Such mal in Büchern zur Festkörperphysik oder Werkstoffkunde nach dem Begriff des "Kriechens". Das bezeichnet eine belastungs- und vor allem ZEITABHÄNGIGE plastische Verformung (also exakt das was du da unter "Fließen" verstehst), die bei einem weiten Spektrum von Festkörpern auftritt, selbst bei hochfesten Stählen oder Beton.


    Eine geeignete Versuchsanordnung vorausgesetzt, würdest du mit deinem Setup also auch bei Beton ein "Fließen" feststellen, aber ich denke wir sind uns einig daß Beton zu den Festkörpern gehört.


    Glas ist zwar amorph und wird auch als "unterkühlte Schmelze" oder "unterkühlte Flüssigkeit" bezeichnet (daher unter Umständen die Mythen), aber der (theoretisch sehr interessante und noch nicht vollständig verstandene) Glasübergang ist definitiv ein Übergang von flüssig nach fest, Glas ist wie Stahl, verschiedene thermoplastische Kunststoffe oder Beton als Festkörper zu bezeichnen, auch wenn es unter Belastung Kriechen zeigt, das tun diese Stoffe auch.


    Viele Grüße
    Andreas

  • Hallo, muß jetzt auch mal meinen Senf zu diesem Thema abgeben.


    In unserem Geschäft, das es nun schon seit mehr als 95 Jahre gibt, haben wir unsere Waren zum Teil auf langen dünnen Glasplatten präsentiert. Diese ca. 7mm dicken und ca 100x20cm messenden Glasregale sind von nur wenigen Haltern getragen. Im Laufe vieler Jahre haben sich die Platten tätsächlich verformt,sie hängen durch.
    Glas fließt tatsächlich! Bei Kunststoffen ist die Lage komplexer da es sich zum Teil um Nichtnewtonsche Flüssigkeiten handelt die ein spezielles Relaxationsverhalten aufweisen, aber das gehört nicht hier her.Jedenfalls kann ich aus der Praxis bestätigen,dass sich das Glas verformt hat. Ein anderes Beispiel sind alte Krichenfenster, da kann man erkennen, dass diese unten dicker als oben sind, da das Glas im Laufe der Zeit heruntergeflossen ist. Bei älteren Teleskopspiegeln hingegen konnte ich bis jetzt im Foucaulttest bis dato keine Veränderungen feststellen.
    CS mike

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: andi77</i>
    <br />... nein, so einfach ist es nicht. Such mal in Büchern zur Festkörperphysik oder Werkstoffkunde nach dem Begriff des "Kriechens". Das bezeichnet eine belastungs- und vor allem ZEITABHÄNGIGE plastische Verformung (also exakt das was du da unter "Fließen" verstehst), die bei einem weiten Spektrum von Festkörpern auftritt, selbst bei hochfesten Stählen oder Beton.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hallo Andreas,


    ob wir das nun als "Fliessen" oder als "Kriechen" bezeichnen soll mir völlig egal sein. Mir geht's um die Frage ob ein Glasblock mit inneren Spannungen sich im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte langsam entspannt und dabei zwangsläufig seine Form verändert.


    Gruss
    Michael

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: mkoch</i>
    Mir geht's um die Frage ob ein Glasblock mit inneren Spannungen sich im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte langsam entspannt und dabei zwangläufig seine Form verändert.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Ok[:)],


    das ändert die Lage natürlich deutlich! Die Tatsache daß sich Glas unter Belastung zeitabhängig verformt (Kriechen, s.o.) steht außer Frage, das mit den langen dünnen Regalböden habe ich selbst schon erlebt! Allerdings ist dazu entsprechende Kraft nötig, die Belastung der Glasböden durch entsprechende Gegenstände zum Beispiel. Kann mir auch durchaus vorstellen, daß innere Spannungen dazu ausreichen, solange sie ausreichend groß sind, da müßte man mal Glasexperten fragen.


    Das einzige was ich dann zu kritisieren habe ist die Betitelung des ganzen als "Ist Glas eine Flüssigkeit?". Denn eben das ist falsch. Glas ist ein Festkörper, wenn man ihm eine Viskosität (Flüssigkeitseigenschaft!) zuschreiben wollte, dann hätten Blei oder Zinn eine um ein Vielfaches höhere Viskosität, sind aber auch anerkannte Festkörper.


    Fazit: Das Verformungsproblem unter Belastung (durch äußere Kräfte oder innere Spannungen) ist real, kann jeder selbst einfach nachprüfen. Aber NEIN, Glas ist deswegen keine Flüssigkeit[:)]!


    Zum Glasmythos noch:
    http://www.robinsonglass.com/liquid_or_solid.htm
    http://de.wikipedia.org/wiki/Fl%C3%BCssiges_Glas



    Viele Grüße
    Andreas

  • Hallo Michael!
    Sehr beeindruckend, wie schnell Du das Experiment durchgeführt hast.
    Natürlich muss man die Frage nach möglichen systematischen Fehler stellen,
    aber ich kann mir gut vorstellen, dass der Effekt real ist.
    Du hast einen sehr hohen Druck gewählt. (2000 N/mm^2)
    Um das Ergebnis auf verspanntes Glas zu übertragen, habe ich für
    eine Doppelbrechung von 50nm/cm versucht die Spannungen abzuschätzen.
    (Annahme: spannungsoptische Konstante = 4E-6 mm^2/N) Ich komme
    auf wenige N/mm^2. (Bitte um Korrektur, falls ich mich vertan hab.)
    Wenn das stimmt, dann sollte man vielleicht das Experiment auch bei
    kleineren Drücken und entsprechend längerer Zeit durchführen.
    Ich glaube, es gibt auch plastische Fluide, die erst ab
    einer bestimmten Schubspannung ins Fließen (Kriechen) kommen.
    M.f.G.,
    Robert

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: MikeWölle</i>
    <br />Hallo, muß jetzt auch mal meinen Senf zu diesem Thema abgeben.


    In unserem Geschäft, das es nun schon seit mehr als 95 Jahre gibt, haben wir unsere Waren zum Teil auf langen dünnen Glasplatten präsentiert. Diese ca. 7mm dicken und ca 100x20cm messenden Glasregale sind von nur wenigen Haltern getragen. Im Laufe vieler Jahre haben sich die Platten tätsächlich verformt,sie hängen durch.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Ja, kann ich so bestätigen, sind nichtmal 95 Jahre für nötig, die Glasplatten einiger IKEA-Regale schaffen das bereits in weniger als einem Jahr, sofern man sie mit ein paar Physikbüchern belastet! [:I]


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Glas fließt tatsächlich!
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Nein, eben DAS ist falsch, es kriecht! Klingt nach Korinthenkackerei, ist aber wichtig für die Unterscheidung Festkörper &lt;-&gt; Flüssigkeit. Glas ist physikalisch ein Festkörper, Kriechen kann es natürlich trotzdem, wie das viele andere Festkörper auch tun.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Ein anderes Beispiel sind alte Krichenfenster, da kann man erkennen, dass diese unten dicker als oben sind, da das Glas im Laufe der Zeit heruntergeflossen ist.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Ein "Glasmythos"-Argument welches durch genauere Untersuchungen inzwischen entkräftet wurde (siehe links oben). Man fand auch viele Kirchenscheiben, die oben oder seitlich verdickt waren und geht inzwischen davon aus, daß die Glaser die damals produktionsbedingt unterschiedlich dicken Gläser aus Stabilitätsgründen mit der dicken Seite nach unten verwendeten.


    Viele Grüße
    Andreas

  • Hallo Michael,


    einen interessanten Versuchsaufbau hast Du da gemacht, und das interferometrisch auszuwerten macht die Sache sehr verlässlich.
    Wenn sich die Ergebnisse des ersten Versuchs bestätigen sollten und sich reproduzieren lassen wäre das gelinde gesagt ein Hammer.
    Ich meine mich zu erinnern irgendwo gelesen zu haben, das die Fließfähigkeit oberhalb einer bestimmten Spannung theoretisch bei Raumtemperatur möglich ist, ich muß das noch mal suchen.


    Gruß Ulli



    P.S.
    Die Antwort bezüglich der Federsteifigkeiten unterschiedlich stark verspannter lokaler Regionen im Glas kommt noch, ich habe momentan aber nicht die Zeit das auszuarbeiten.

  • Hallo,


    (==&gt;)Andreas:


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Nein, eben DAS ist falsch, es kriecht!<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Kannst Du uns das mal näher erläutern?
    Ich kenne nur zwei Arten mechanischer Formänderung, elastische und plastische.
    Bei der ersten federt der Körper nach entfernen der aufgebrachten Last in exakt dieselbe Form zurück, die er vor der Belastung hatte.


    Bei der zweiten wird die Grenze überschritten, unterhalb derer diese elastische Rückfederung funktioniert. Dadurch findet eine plastische, bleibende Verformung statt und die ursprüngliche Form wird nie wieder erreicht.
    Ob dies innerhalb einer Sekunde oder einer Woche passiert, ist meines Wissens ohne Belang.


    Wie definierst Du den Unterschied zwischen fließen und kriechen?


    Grüße,


    Ulli

  • Moin Michael,
    meine Theorie dazu ist, dass durch die Gewichtskraft von 200kg pro qmm (unter Erdbeschleunigung) das Glas einerseits umgeformt wurde und andererseits eine chemische Reaktion mit der Stahlkugel eingeht. Da sind 12nm gar nichts, gerade mal mehrere Atomlagen. Hast Du schon mal geschaut, ob Deine Stahlkugel jetzt auch eine Delle hat?


    PS: Ich glaube, ihr habt alle zuviel Salvador Dalis zerfließenden Uhren im Bild Die Beharrlichkeit der Erinnerung gesehen [:D]


    Gruß


    Gruß

  • Hallo,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Kalle66</i>
    <br />Hast Du schon mal geschaut, ob Deine Stahlkugel jetzt auch eine Delle hat?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    oder vielleicht hängen die Glasatome noch an der Kugel dran? Die Kugel kann ich nicht so einfach interferometrisch vermessen, denn
    1. habe ich die Vergleichsmessung vorher nicht gemacht und
    2. ist der Radius viel zu klein, das Interferenzmikroskop geht nur für annähernd plane Flächen. Mit dem Fizeau-Interferometer müsste man's aber gegen eine Transmissionssphäre messen können, sofern der verformte Bereich nicht grösser als f/3.3 ist. Aber ohne Vergleichsmessung vorher ist das wohl sinnlos. Und wie gesagt, der zweite Versuch läuft schon, ich fasse den Versuchsaufbau jetzt eine Woche lang nicht an.


    Gruss
    Michael

  • Hallo


    du könntest ja statt der Stahlkugel eine Glaskugel benutzen, 12nm am Tag auf beiden Seiten geflossen?, dann sollte nach 2 Wochen das so inneinandergeflossen sein das es wie aus einem Stück ist, das heist wenn du es dann abbrichst sollte es die übliche bruchstelle geben?
    alle Flüssigkeiten die ich so kenne reagieren darauf das man die selbe Flüssigkeit zugibt damit das man sie nicht mehr trennen kann


    Gruß Frank

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: ulli_v</i>
    Kannst Du uns das mal näher erläutern?
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Ja, kann ich gern kurz und knapp versuchen. Wie gesagt, möchte dadurch nicht als Korinthenkacker dastehen, aber die Grundidee des Astrotreffs soll ja naturwissenschaftliche Bildung sein, und nichts ist in dem Zusammenhang wichtiger als korrekte Begriffsbildung und klare Aussagen. Deswegen lege ich an der Stelle so viel Wert auf vermeintlich unwichtige Details in der Ausdrucksweise... [:I]


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Ich kenne nur zwei Arten mechanischer Formänderung, elastische und plastische.
    Bei der ersten federt der Körper nach entfernen der aufgebrachten Last in exakt dieselbe Form zurück, die er vor der Belastung hatte.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Ja, prinzipiell stimmt das. Das sind in der Tat die beiden Arten, auf die sich ein Festkörper verformen kann.


    Etwas genauer müssen wir aber werden, denn bei dem Vorgang den man klassisch als "plastische Verformung" bezeichnet, spielt die Zeit keine Rolle, sondern nur die wirkende Kraft: Wenn ich eine Kugelstoßkugel auf einen Teller mit Knetmasse lege, drückt sie sich hinein,sobald die vom Gewicht der Kugel abhängende Verformung aber abgeschlossen ist, passiert nichts mehr, egal wie lange die Kugel dort liegen bleibt.


    Anders beim in der Physik/Materialwissenschaft als "Kriechen" bezeichneten Vorgang. Hier hängt die Größe der Verformung (meist auf langen Zeitskalen bis zu Jahren) davon ab, wie lange die Kraft wirkt, so daß man dieses Verhalten schon als eine eigenständige Verformungsart ansehen kann. Wenn es sich bei dem von Michael beobachteten Effekt um Kriechen handelt, so sollte eine längere Meßdauer eine stärkere Verformung ergeben, bin gespannt ob sich das reproduzieren läßt. Sollte es eigentlich, wie gesagt, IKEA-Regalböden aus Glas zeigen den Effekt nach einigen Monaten ohne Interferometer *gg* ...


    Bei normaler plastischer Verformung hingegen sollte die Delle auch nach einem Jahr nicht anders aussehen als direkt nach dem Reindrücken.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Wie definierst Du den Unterschied zwischen fließen und kriechen?
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Eben das ist der Punkt, wegen dem ich jetzt wahrscheinlich belächelt werde, aber hier geht es mir nur um Begrifflichkeiten. "Fließen" ist ein Verhalten, was man einer FLÜSSIGKEIT zuordnet, "Kriechen" so wie es die Materialwissenschaftler definieren ist ein FESTKÖRPERverhalten.


    Und wenn man hier nicht sauber aufpaßt, wirds einfach physikalisch falsch, vom "Fließen" ist nämlich der nächste logische Schritt daß man Glas als Flüssigkeit bezeichnet. Und da beginnt der Holzweg, das was beim Glasübergang von der Schmelze zum Glas übrig bleibt, ist physikalisch ein Festkörper.


    Deswegen das Fazit wie oben: JA, Glas verformt sich unter Krafteinwirkung mit der Zeit. Und NEIN, Glas ist keine Flüssigkeit, denn Stahl, Beton und viele andere Feststoffe tun genau dasselbe.


    Hoffe geholfen zu haben...


    Viele Grüße
    Andreas

  • Hallo Andreas,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Wie gesagt, möchte dadurch nicht als Korinthenkacker dastehen, aber die Grundidee des Astrotreffs soll ja naturwissenschaftliche Bildung sein, und nichts ist in dem Zusammenhang wichtiger als korrekte Begriffsbildung und klare Aussagen.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    100%tige Zustimmung.
    Wenn "Kriechen" die korrekte Bezeichnung für diesen Vorgang ist, hab ich kein Problem damit.
    Ich bin halt bisher davon ausgegangen das der Begriff "Fließen" im Zusammenhang mit plastischer Verformung korrekt ist, ich bin da wohl ein wenig vorbelastet durch langjährige Tätigkeit im Maschinenbau, und da "fließt" der Werkstoff jenseits der Rp0,2 Grenze.



    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Deswegen das Fazit wie oben: JA, Glas verformt sich unter Krafteinwirkung mit der Zeit. Und NEIN, Glas ist keine Flüssigkeit, denn Stahl, Beton und viele andere Feststoffe tun genau dasselbe.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Ist das wirklich so? Es ist zwar schon eine Weile her, aber ich habe mal gelernt das das elastische Verhalten von Eisenwerkstoffen (Hooksche Gerade; Rp0,2 Grenze) so für amorphe Werkstoffe wie z.B. Glas nicht gilt.


    Viele Grüße,


    Ulli

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: ulli_v</i>
    Ist das wirklich so? Es ist zwar schon eine Weile her, aber ich habe mal gelernt das das elastische Verhalten von Eisenwerkstoffen (Hooksche Gerade; Rp0,2 Grenze) so für amorphe Werkstoffe wie z.B. Glas nicht gilt.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Da wiederum hab ich zu wenig Ahnung von Materialwissenschaften und glaube dir einfach was du sagst. Denke du wirst recht haben, daß man das Verhalten kristalliner Feststoffe von dem amorpher unterscheiden muß, sicherlich nicht nur beim elastischen Verhalten wie von dir erwähnt.


    Aber darum ging es mir in dem Fazit nicht, sondern einfach nur darum, daß Glas ganz klar den Festkörpern und nicht den Flüssigkeiten zuzuordnen ist. Allein die Tatsache, daß es "Kriech-" oder "Fließ"eigenschaften zeigt, macht es noch nicht zur Flüssigkeit, sonst wären Beton, Stahl und andere Werkstoffe auch Flüssigkeiten.


    Viele Grüße
    Andreas


    EDIT:


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Ich bin halt bisher davon ausgegangen das der Begriff "Fließen" im Zusammenhang mit plastischer Verformung korrekt ist, ich bin da wohl ein wenig vorbelastet durch langjährige Tätigkeit im Maschinenbau, und da "fließt" der Werkstoff jenseits der Rp0,2 Grenze.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Da ich wie gesagt weder Maschinenbauer noch Materialwissenschaftler bin, kann ich dir das auch einfach nur glauben, wenn der Begriff dort so benutzt wird, wird es wohl stimmen, dann hab ich da nichts gegen.


    Dann muß ich meine Kritik darauf einschränken, daß man aus dem "Fließen" auf keinen Fall den kleinen aber falschen Schritt zur "Flüssigkeit" gehen sollte, wie es michael im Eröffnungsposting gleich im ersten Satz getan hat.

  • Hi ihr.


    Will hier auch noch etwas beitragen, was wir vor nicht allzulanger Zeit von unserer Lehrerin in Chemie gelernt haben.


    Es wurde bewiesen das Glas amorph ist und fließen kann. Dies wurde an alten Kirchenfenstern fesgestellt, die Jahrunderte lang in den Rahmen stehen durch die Anziehungskraft nach unten hin dicker waren als oben. Da ich nicht glaube, das alle Kirchenfenster mit Absicht so gegossen wurden, ist dies ein sehr guter Nachweis das Glas amorph ist und langsam fließen kann.


    Hoffe ich habe hiermit niemanden wiederholt, weil ich den Thread nur überflogen habe (war ziemlich viel dazu und ich werde immer wieder gerne in solche Threads dies beitragen [:D]) und hoffe auch das ich somit einige Unklarheiten beseitigen konnte, auch wenn ich mir sicher bin das mit nicht alle glauben schenken werden [:D]. Aber macht nichst ich les gerne, wenn ich noch was zu kritisieren habt.


    Gruß.
    Alex.

  • Hallo Michael,
    wenn Du Deinen Versuch beendet hast, würde mich ja interessieren, ob nach einer gewissen Zeit (eine Nacht) das "Loch" im Glas immer noch da ist, oder das Glas sich wieder entspannt hat.


    Hi Alex,
    ich denke, da muss man auch die Glassorte unterscheiden. Keiner von uns schleift einen Spiegel aus mittelalterlichem Kirchenfensterglas.


    Gruß

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Desiato</i>
    <br />Hi ihr.


    Will hier auch noch etwas beitragen, was wir vor nicht allzulanger Zeit von unserer Lehrerin in Chemie gelernt haben.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Scheint wohl 'ne Hauptschullehrerin zu sein.[:D]


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Es wurde bewiesen das Glas amorph ist und fließen kann. Dies wurde an alten Kirchenfenstern fesgestellt, die Jahrunderte lang in den Rahmen stehen durch die Anziehungskraft nach unten hin dicker waren als oben.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Sorry, aber das ist völliger Kokolores. Man konnte früher Glas nicht in gleichmäßiger Dicke herstellen, und da hat man eben die dickere Seite der Scheibe nach unten gesetzt.


    Im übrigen gibt es Teleskoplinsen und -spiegel, die teilweise mehrere Hundert Jahre auf dem Buckel haben und noch heute nutzbar sind. Da fragt man sich natürlich, wie so etwas möglich ist, wenn Glas fließen oder kriechen sollte.


    Gruß,
    Jens

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Desiato</i>
    Will hier auch noch etwas beitragen, was wir vor nicht allzulanger Zeit von unserer Lehrerin in Chemie gelernt haben.


    Es wurde bewiesen das Glas amorph ist und fließen kann. Dies wurde an alten Kirchenfenstern fesgestellt, die Jahrunderte lang in den Rahmen stehen durch die Anziehungskraft nach unten hin dicker waren als oben. Da ich nicht glaube, das alle Kirchenfenster mit Absicht so gegossen wurden, ist dies ein sehr guter Nachweis das Glas amorph ist und langsam fließen kann.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hi du,


    dazu gabs weiter oben schon 2 links, wenn deine Lehrerin das wirklich so gesagt hat, wäre es klasse wenn du die mal weiterreichen könntest. Da ist auch sie einem weit verbreiteten Mythos aufgesessen.


    Ja Glas ist amorph, aber die Kirchenfenster waren ein Ergebnis der Glasbearbeitungstechnik damals, und der Präferenzen der Glaser, die die oft keilförmigen Scheiben verarbeiten mußten. Inzwischen fand man auch ausreichend viele Scheiben die oben oder an den Seiten dicker waren, aber der Mythos hält sich hartnäckig.


    Viele Grüße
    Andreas

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