Pronto ED 70/480 optimieren
Vorwort. Wer sich in die Materie von Refraktoren einarbeiten will, gemeint ist der gebräuchlichste,
nämlich der Zweilinser in irgendeiner Ähnlichkeit zum klassischen Frauenhofer, der findet in dem
dafür lesenswerten Buch von Harry Rutten und Martin van Venrooij "Teleskop Optics", 1988 bei
Willmann-Bell, Inc, Richmond, Virginia 23235 erschienen, von Seite 49 - 59 genügend weitere
Informationen zu den Eigenheiten einer FH-Refraktor-Optik. Dieser Veröffentlichung damals ging
eine intensive Diskussion voraus, nachdem Wolfgang Busch, Ahrensburg, in Zusammenarbeit
mit der Fa. Reichmann Brookdorf, seinen HAB-Dreilinser als Öl-Immersions-Objektiv 1976 auf
der Foto-China in Köln vorgestellt hatte. Später wurde dieses HAB-Objektiv u.a. in der SuW-Ausgabe
77/10 S 340/341 veröffentlicht. Dort kann man zum Farblängsfehler folgendes nachlesen:
Die Längs-Abweichung bei einem Standard-FH im Bereich von F-Linie bis C-Linie (blau bis rot) also
der F-, e-, d-, C-Linie, beträgt ca. 0.57 pro mille der Brennweite, während beim Busch HAB diese Abwei-
chung auf ca. 0.20 pro mille verkürzt worden war. Im Falle des Pronto ED wäre das etwa 0.40 pro mille,
also auch schon deutlich besser als beim normalen FH, auch ist eine Öffnung von f/6.8 eine lichtstarke
Angelegenheit. Bei "normalen" FH liegt die Öffnung zwischen f/10 bis f/20.
In der 1. Ausgabe von 1988 Seite 54 nennt Rutten "For the normal
Fraunhofer-type astronomical doublets, secondary spectrum amounts
to 0.0005f or 1/2000 the focal length of the lens. The very best
visually-corrected doublets possible with slightly abnormal glasses
are semi-apochromats or half-apochromats. In these design, secondary
spectrum is reduced to approximately 0.00025f or 1/4000 the fokal
lenght" was für den Pronto ED durchaus stimmt, nach meinen Messungen.
Mit noch teureren Gläsern wäre das sekundäre Spektrum, so Rutten
auf 1/8000, bei Calzium Fluorit sogar auf 1/16000 der Brennweite zu
verkürzen.
Die g-Linie (violett) würde bei einem Standart FH sogar um 2.5 pro mille länger ausfallen, beim
Busch HAB lediglich 0.6 pro mille der Brennweite. Das später von Christen mit moderneren Gläsern
weiter-entwickelte Immersion-Objektiv fußte also auf dieser Diskussion bzw. dem HAB von Wolfgang
Busch. Diese von Christen weiterentwickelte Optik wurde dann zu einem erheblich höheren Preis
auf dem Markt angeboten, während der Bausatz von Wolfgang Busch mit Standard Gläsern ausgestattet
war. Mindestens 5 dieser Bausätze habe ich in der Zeit gesch4liffen, und im Optik-Schrank wartet
immer noch ein unvollendeter Bausatz auf seine Fertigstellung. Soviel als Hintergrund zur Entwicklung
von leistungsfähigen Refraktor-Objektiven aus dem Amateur-Bereich, damit diese Inititativen nicht ganz
in Vergessenheit geraten. Ich könnte mir also vorstellen, daß die Gruppe um den Sternfreund Hermeling-
meier < hubert(==>)privatsternwarte.net > das sicherlich interessieren könnte.
Zurück zum Pronto ED 70/480
Bei diesem kleinen Reise-Teleskop war der Anlaß, wie üblich, ein Verkauf von Sternfreund zu
Sternfreund - eigentlich eine normale Angelegenheit, wenn nicht der zukünftige Neubesitzer
das Gerät verständlicherweise erst einmal auf Herz und Nieren am Jupiter prüfte und gegenüber
einem Genesis (opt. Daten liegen leider nicht vor) in der Leistung abfiel. So wurde ein Öffnungs-
fehler diagnostiziert und ein vorhandener Astigmatismus und ein paar Tage später wurde ich
um eine genauere Analyse bzw. mögliche Optimierung gebeten - geht natürlich nicht am Telefon,
sondern erst, wenn das Teleskop bei mir auf der opt. Bank Auskunft gibt.
Ein erster Blick unter einer hellen Lampe auf die vier Linsen-Flächen verrieten mir, daß ein Optiker diesen
Zweilinser bereits zerlegt hatte. Ein weiterer Blick in Autokollimation am künstlichen Stern offenbarte,
zwar keinen Astigmatismus, aber ab einem 10 mm Okular eine erkennbare Dezentrierung des
Objektiv kombiniert mit einer leichten Verkippung der Linsen zueinander. Weiterhin wurde deutlich,
daß die beste Korrektur im roten Bereich liegt, was soviel heißt, daß der Linsenabstand zwischen
beiden Linsen vergrößert werden muß, wollte man auch dieses noch optimieren - eine unbe-
zahlbare Probiererei.
01 Pronto ED 70/480 vor dem Kollimations-Spiegel von Zeiss
01 Damit sich jeder eine Vorstellung von der Situation und der Größe des Teleskops
machen kann, sei ein Bild vom Teleskop beigefügt.
02 Farblängsfehler oder chromatische Aberration intra/extrafokal
02 Bereits am künstlichen Stern im 10 mm Kellner Okular ist die Lage der Farben gut
zu erkennen. Das entspricht am Himmel einem 5 mm Okular, weil sich
durch den doppelten Durchgang der Farblängsfehler addiert.
Wenn grün und gelb den Fokus bilden, dann schneidet blau und rot die
Achse um blau = +0.21 mm und rot = +0.27 weiterhinten und ist intrafokal als Farbsaum
zu erkennen. Rechts daneben die Situation extrafokal: Jetzt fokussiert sich rot und blau,
und es entsteht logischerweise ein grüner Farbsaum. Jede Farbe kann man sich als
eigenständigen Lichtkegel vorstellen, deren Schnittweite auf der optischen Achse ver-
schieden sind: Im Normalfall liegen grün/gelb dicht beieinander und blau/rot, siehe auch
Rutten S. 53.
03 Gaußfehler für Blau überkorrigiert (=farbabhängige Öffnungsfehler)
03 MIt dem Ronchi-Gitter 13 lp/mm intrafokal ist die sphäische Aberration am deutlichsten erkennbar:
die Strahlen aus der Mitte fallen kürzer als die Randstrahlen, also verformen sich die Streifen intrafokal
bauchig, extrafokal wäre das umgekehrt.
04 Gaußfehler für grün überkorrigiert
04 Fehler ist etwas geringer
05 Gaußfehler für rot erheblich besser
05 bei diesem Objektiv fällt auf, daß es scheinbar für rot korrigiert ist, oder aber der Abstand
der Linsen zu gering ausgefallen ist: Man kann nämlich in diesem Fall durch eine Abstands-
Vergrößerung die gute Korrektur bei 650 nm in Richtung 550 nm "schieben" und hätte für
visuelle Beobachtungen eine perfekte Optik - nur soviel Zeit hat man bei Televue leider nicht,
das Objektiv ist ja selbst bei 550 nm immer noch deutlich beugungsbegrenzt, wie man später
noch sehen wird.
06 Foucault-Test bei grün
06 am Stern wird man diesen Öffnungsfehler nach der Methode von Suiter also sehen, und
der Sternfreund hat dies auch klar erkannt. Leider tritt er eben im visuellen deutlicher hervor,
sodaß der Eindruck eines schlechteren Objektivs entsteht, was nicht unbedingt der Fall sein
muß, wenn man sich optisch näher mit dem Teleskop befaßt.
07 Foucault-Test bei rot
07 Wie zwingend eine Abstands-Vergrößerung der Linsen ist muß man noch später untersuchen.
08 Nachweis der Justage bzw. Kollimation zum Tubus.
08 Mit diesem Interferogramm läßt sich Astigmatismus nachweisen, wenn er denn vorhanden
wäre. Beim Pronto ED jedenfalls ist keiner vorhanden, der Fehler lag an der richtigen Justage
und Kollimation.
09 Interferogramm bei 650 nm (rot)
09 Zuerst interessiert also die Frage, wieviel Strehl hinter diesem Interferogramm steckt, weil
ja in diesem Spektral-Bereich die Optik am besten ist. Das flache "M" über den Streifen zeigt
in meiner Standard-Einstellung eine Überkorrektur an, ein flaches "W" wäre dann die Unter-
korrektur. Die Werte kann man dem nächsten Bild entnehmen.
09a 0.96 Strehl bei Lambda/6 Überkorrektur
09a Ein sehr guter Wert, würde er für 550 nm gelten
10 Interferogramm bei 532 nm (grüner Feststoff-Laser)
10 Die "Ausbuchtung" der M-Streifen signalisiert eine höhere Überkorrektur.
10a 0.85 Strehl bei Lambda/3 Überkorrektur
10a Auch hier liegt der Strehl noch deutlich über der Beugungs-Grenze von 0.80, weshalb nur
Liebhaber einer Optik überlegen, ob sie diese Optik weiter optimieren sollen, man kann nämlich
ein System sehr leicht verschlimmbessern - was Bill Gates zum Ausspruch verführte:
"Never change a running system." Vor dieser Entscheidung stehe ich auch des öfteren.
Der Farblängsfehler von ca. 0.2 mm von rot/blau gegenüber gelb/grün läßt sich in keinem Fall
beheben. Wohl aber die gute Korrektur bei rot in Richtung gelb/grün. Da aber nun der Allgemein-
Zustand dieser Optik erheblich besser ist, als zu Beginn meiner Aktion, überlegt man sehr
sorgfältig, ob man einen neuen Abstands-Ring mit welcher Dicke drehen soll, um auch diesen
Fehler noch auszumerzen. Und spätestens jetzt entsteht eine Preis/Leistungs-Diskussion,
d.h. die Frage, ob die Zeit im Verhältnis steht zum Anschaffungs-Preis dieses kleinen Teleskopes.
Dem Hersteller ist das egal: Seine Optik liegt innerhalb der Toleranz.
Soviel aus aktuellem Anlaß zu einem recht leistungsfähigen Objektiv, was sich am Spalt-Test
recht gut zeigen läßt.
Wolfgang Rohr
PS: Der 16-Zoll Dobson stünde zum Verkauf an:
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=3051