Das Sternbild Corona Borealis, die Nördliche Krone, wird auf der deutschsprachigen Wikipedia-Seite wie folgt in Bezug auf Deep Sky-Objekte umschrieben: „Die Nördliche Krone enthält keine helleren Sternhaufen, Gasnebel oder Galaxien, die in den Messier-Katalog oder NGC aufgenommen wurden.“
Ja, aber… wie kann das sein? So ein schönes und auffälliges Sternbild, aber (außer Doppelsternen) nichts zu beobachten? War da nicht was mit einer bevorstehenden Explosion? T Coronae Borealis! Ja klar. Aber ob der im Mai explodiert? Das wäre ja ein Hammer-OdM! Aber die Wahrscheinlichkeit zusammen mit Murphy’s Law legen nahe, dass es ein (noch) langweiliges OdM wäre. Trotzdem, viele Blicke werden momentan von der Nördlichen Krone magisch angezogen. Ich schaue auch, wenn es das Wetter überhaupt zulässt, nach dem Zustand dieses symbiontischen Sternsystems. Also liegt es nahe, etwas aus der direkten Nähe zum OdM zu machen. Abstecher zu T CrB sind hierbei ausdrücklich erwünscht, aber nicht Teil des OdM.
Nochmal ja aber… Ja, aber warum hat die Nördliche Krone keine (?) hellen Galaxien? Das lässt sich anhand der folgenden Abbildung leicht erklären.
Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Hercules_Superclusters#/media/File:Nearsc.gif – Original von Richard Powell, http://www.atlasoftheuniverse.com/nearsc.html – CC BY-SA 2.5
Wir sehen hier direkt auf die Corona Borealis-Void, eine große Leere im Universum! Galaxien rotten sich ja zu Haufen zusammen, die wieder zu Superhaufen und die sind durch Filamente voller Galaxien verbunden. Aber dazwischen ist (fast) Leere. Wenn sich irgendwo Galaxien zusammenrotten, müssen sie ja woanders fehlen. Und schaut man in Richtung Nördlicher Krone, so sieht man dort eben erstmal nichts. Ist also das große Nichts das OdM? Das ginge mit allen Teleskopöffnungen und auch mit bloßem Auge… Aber das wäre zu einfach. Nein, wir nutzen einfach diese Leere, denn dadurch wird der Blick nicht durch schnöde Vordergrundgalaxien verdeckt. Man kann hier eben wirklich sehr weit sehen. Und da auch unsere Galaxie hier staubarm und schmalbrüstig ist, lohnt ein Blick in weite Ferne.
Also konkret: Der Galaxienhaufen AGC 2162 (Abells Galaxy Cluster 2162, abgekürzt Abell 2162) ist das Ziel, denn der Mai ist Galaxienzeit. Dieser Galaxienhaufen ist eine Verdichtung eines Filaments des Hercules-Superhaufens und besteht laut Pretty Deep Maps aus 37 Galaxien. Zwei Galaxien dominieren das Herz von Abell 2162: NGC 6085 (13m5, Spiralgalaxie in Aufsicht, 460 Millionen Lichtjahre entfernt, z = 0,034) und NGC 6086 (12m9, elliptische Galaxie, 430 Millionen Lichtjahre entfernt, z = 0,032). Die beiden stehen im Kern von Abell 2162 und haben natürlich zahlreiche, weitere Galaxien rund um sich. Alle weiteren Galaxien sind echte „Faint Fuzzies“, also nur mit größerem Gerät zu sehen. Mit 18 Zoll wurden aber einige bereits gezeichnet: https://www.cloudynights.com/t…uster-in-corona-borealis/
Doch erstmal zu dem Galaxienhaufen selbst: wie findet man ihn am Himmel?
Schritt 1: Nördliche Krone suchen (das ist die einfachste Übung)
Schritt zwei: iota und ypsilon CrB suchen:
NGC 6085 und NGC 6086 liegen zwischen ι CrB und υ CrB (dieses "u" ist das kleine Ypsilon im griechischen Alphabet). Die Galaxien findet man ein Drittel zu zwei Drittel auf der Verbindungslinie der beiden Sterne. Hier nochmal genauer und nicht gezeichnet, sondern als SDSS-Ausschnitt:
Quelle: SDSS über wikisky.org, Markierungen/Beschriftung selbst eingefügt
Glücklicherweise sind zwischen den beiden Galaxien zwei Sterne mit ca. 10m5, sodass man erstmal nur diese beiden Sterne finden muss und dann oberhalb und unterhalb derselben nach den Galaxien sehen kann.
Hier noch näher rangezoomt:
Quelle: SDSS über wikisky.org, Markierungen/Beschriftung selbst eingefügt
Ich habe noch zwei LEDA-Galaxien beschriftet (LEDA 57475 mit 15m4 und LEDA 57424 = UGC 10258 mit 15m8, die aber eine Hintergrundgalaxie in 775 Millionen Lichtjahren Entferung ist!). Es ist also mit größeren Öffnungen noch Einiges an kleinen Nebelchen rauszuholen, was auch die oben verlinkten Zeichnungen bei Cloudy Nights mit einem 18-Zöller verdeutlichen. Für die fotografische Zunft ist der Haufen sehr nett, da verschiedene Galaxientypen nah beisammen sind.
Mit mittleren Öffnungen geht es mehr darum, die beiden hellsten und größten Galaxien dieses Haufens sehen zu können, namentlich die beiden NGC-Objekte 6085 und 6086. Und natürlich, sich hierbei vorzustellen, wie man durch die CrB-Void über 400 Millionen Lichtjahre weit in die Ferne sieht. Weit im Hintergrund (ca. 1 Milliarde Lichtjahre und mehr) kann man sich auch den CrB-Supercluster, der mehrere AGC-Nummern in der Nördlichen Krone bedingt, zu Gemüte führen. Da braucht man aber definitiv große Lichteimer. Ich fand es hier so "nett", dass zwei sehr leuchtstarke Galaxien für mittlere Öffnungen erreichbar sind, Lichteimer sich mit den weiteren, schwächeren Galaxien beschäftigen können und per Foto alles zugänglich ist. Und dass wir uns hier wie gesagt in der Nördlichen Krone befinden, nicht weit weg von T CrB. Schaut euch also diesen süße, kleinen Knoten eines Filaments des Hercules-Super-Haufens bei Gelegenheit an. Das wäre übrigens auch etwas für unsere automatisierten SeeStar-Fans
Heute Abend wollte ich eigentlich raus, um vielleichtg eine eigene Zeichnunge beizusteuern, aber hier ist der Saharastaub angekommen. Vielleicht ist er morgen Nacht wieder weg... mal sehen.
So zusammenfassend mögliche Aufgaben:
Mittlere Öffnungen ab 8 Zoll: Geht NGC 6086, die hellere der beiden? Und geht dann vielleicht auch noch NGC 6085?
Ab welcher Öffnung gehen weitere der Faint Fuzzies? Ab 14 Zoll? Ab 16 Zoll? Ab 18 Zoll muss es ja gehen und da schon mehr als die beiden hellsten...
Fotografisch: der Haufen ist größer als der Detailausschnitt, den ich gezeigt habe. Man hat dann auch immer wieder helle Hintergrundgalaxien mit im Bild. Weiter nördlich ist noch beispielsweise UGC 10262 mit 14m5, die 734 Millionen Lichtjahre entfernt ist. Man findet auch Galaxien deutlich jenseits einer Milliarde Lichtjahre vom CrB-Supercluster, wie oben schon beschrieben. Man kann das alles gut auf Wikisky sehen oder in den Pretty Deep Maps inklusive Rotverschiebungsangaben / Entfernungen. Man kann also schöne Wimmelbilder machen.
Ich hoffe, dass so für jeden etwas dabei ist. Wer nur einen oder zwei schwache Wattebäusche sieht, muss das Kopfkino anwerfen und sich daran erfreuen, so weit ins All sehen zu können. Und wer hier gar nichts sieht (wie ich mit meinem ersten Versuch visuell mit 8 Zoll) muss Heidelbeersaft trinken und viele Gelbe Rüben (Karotten) essen. Oder durch ein größeres Teleskop schauen.
Viel Spaß mit dem Galaxien in der Nördlichen Krone! Liebe Grüße,
Christoph