Manfrotto N612 für 120er Bino

  • Hallo zusammen,


    In der Vergangenheit hatte ich gedacht, dass eine Getriebesäule ein Luxusartikel wäre, den ich für die Beobachtung mit meinem Großfernglas nicht brauche. Die Stative und Montierungen, die ich benutzt habe, waren sehr stabil und kaum vibrationsanfällig, allerdings auch sehr schwer und nicht einfach höhenverstellbar. Vor Kurzem habe ich jedoch bemerkt, dass mein Rücken sich jedes Mal mehr beschwert, nachdem ich eine Nacht draußen mit meinem 120 mm Bino verbracht habe. Deshalb beschloss ich, nach einer Alternative zu suchen, die höhenverstellbar sein sollte. Bald darauf wurde mir klar, dass die meisten leicht erhältlichen Getriebesäulen eine maximale Traglast von etwa 20 kg haben (Berlebach K70 hat eine höhere Traglast, ist aber wegen des Preises ausgeschlossen). Während ich mich zwischen Manfrotto 161Mk2B und Berlebach 19c nicht entscheiden konnte, stieß ich auf ein sehr gutes Angebot für ein fast neues Manfrotto und kaufte es.


    Als nächstes auf der Liste stand eine passende Montierung. Da das Gewicht nun ein begrenzender Faktor ist, muss die Montierung so leicht wie möglich, aber gleichzeitig in der Lage sein, das Teleskop mit schweren Okularen und einer StarSense-/Handy-Kombination oben darauf zu tragen. Gabelmontierungen kamen nicht in Frage, und ich konzentrierte mich auf Fluidköpfe. Viele von uns haben von den Geschichten über High-End-Fluidköpfe für professionelle Video-/TV-Hersteller gehört, und ich suchte mehrere Wochen nach einem geeigneten, hauptsächlich Vinten Vision 12 oder größer. Lange Rede, kurzer Sinn: Irgendwann gab ich die Suche auf und beschloss, dem Manfrotto N612 eine Chance zu geben und bestellte einen. Die maximale Traglast beträgt 18 kg, also kein Problem, das maximale Drehmoment, welches ausgeglichen werden kann, beträgt 12 kg @ 55 mm Schwerpunktshöhe über der Platte des Kopfes. Mit dem Bino, das ca. 10,5 kg mit Okularen wiegt, könnte dies ein kritischer Punkt sein...


    Das Stativ und der Fluidkopf kamen bald an, und die Tests begannen. Zu meiner Überraschung konnte das Teleskop mit Okularen (Panoptic 24, mehrere Delos) ausbalanciert werden! Okay, die Ausgleichseinstellung muss sehr nah an der maximalen Einstellung liegen, aber trotzdem: es funktioniert. Das Hinzufügen der StarSense-/Handy-Kombination (500 g) auf dem Teleskop (Höhe 15 cm) war jedoch zu viel. Ich war nicht in der Lage, dieses Setup auszubalancieren. Also musste ich etwas modifizieren... Ich hatte ein 2 kg Taucherblei herumliegen und band es an den Schwenkgriff des Fluidkopfes. Dieser wurde am Kopf montiert, nach unten zeigend, wobei das Taucherblei in einer Linie mit dem Schwerpunkt des Teleskops und dem Drehpunkt des N612 lag. Jetzt konnte das gesamte Setup ausbalanciert werden, und die Ausgleichseinstellung hatte immer noch Spielraum: nur etwa 85% der Ausgleichseinstellung waren erforderlich. Jetzt bewegt sich alles schön von Horizont bis Zenit, und das sogar mit dem montierten Navigationssystem.




    Fazit: Obwohl die Spezifikationen anderes andeutet, kann ein APM 120/90° Bino gut auf einem leicht erhältlichen N612 Fluidkopf montiert werden. Zugegeben: Es ist wahrscheinlich etwas weniger leistungsfähig im Vergleich zu einem professionellen Fluidkopf. Diese sind jedoch schwer mit einer flachen Basis zu bekommen und sehr teuer (selbst wenn sie 30 Jahre alt sind und aussehen, als kämen sie direkt vom Schrottplatz). Sie funktionieren oft einwandfrei, aber niemand gibt einem eine Garantie, dass das so bleibt und im Falle einer Reparatur wäre diese wohl sehr teuer. Ich persönlich kann mit meinem neuen nicht-professionellen Setup super leben, und mein Rücken ist jetzt auch glücklich.


    VG

    Andreas

  • Hallo Andreas,


    so ein Gegengewicht am Handgriff des Neigers habe ich auch für den Manfrotto Neigekopf für mein 20x80 Bino gebaut. Ich habe einfach den Gummigriff durch ein passend gebohrtes Großuhrgewicht ersetzt und mit Moosgummi bezogen. Funktioniert einwandfrei.

    Es wundert mich, dass so etwas für große Binos nicht öfter gemacht wird.


    Viel Spass damit:

    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Hallo Andreas,


    danke, sehr erhellend. Wieder was gelernt, auch über den Fluidneiger, den ich hier rumliegen habe (Manfrotto 502 mit 4 kg festem Gegengewicht...). Macht einen guten Eindruck, Deine Kombination.


    Eine Frage zum Thema Rücken: ich kenn das Problem nicht, beobachte aber auch grundsätzlich mit dem höhenverstellbaren Astrostuhl. Siehst Du das als vollwertigen Ersatz für eine Kurbelsäule oder nicht?


    Danke und viele Grüße, Holger

    :milky_way: 10" f/5 Newton-Bino :comet: 120mm f/5 Achromaten-Bino :hammer_and_wrench: 8" f/8 Jones-Schiefspiegler-Bino

  • Hallo,


    Markus, Großuhrgewicht, da muss man auch erstmal drauf kommen :thumbup:


    Holger, ich beobachte auch immer mit einem höhenverstellbaren Stuhl und der ist für mich ein Muss. Wenn man den kompletten Bereich von 0-90° Höhe abdecken möchte, wird es u.U. bei hohen Elevationen bezüglich des Einblicks schwierig, besonders weil man ja bei der Binobeobachtung bezüglich der Kopfposition einen Freiheitsgrad weniger hat, als im Zyklopenmodus. Je länger das Bino ist, desto eher kommt man in einen unkomfortablen Bereich für den Rücken. Noch mehr gilt das für den Nacken, denn der muss ggf. schon ordentlich nach hinten überstreckt werden, wenn der Stuhl in unterster Position steht und die Okulare immer tiefer herunter kommen.


    Mit einem höhenverstellbaren Stuhl alleine kann man das Meiste abdecken, aber nach meiner Erfahrung (und bei meinen Knochen) ist die Kombination aus höhenverstellbarem Stuhl und Kurbelsäule die bezüglich der Ergonomie beste Lösung.


    VG

    Andreas

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