Atmosphärische Refraktion - ein Beispiel

  • Hallo allerseits,


    gestern, am 10.04, bildeten die schmale Mondsichel und Planet Jupiter ein leuchtendes Duo am Abendhimmel. Das sollte auch in Fotos festgehalten werden. Und bei näherer Betrachtung eines Fotos von Jupiter in seiner Umgebung zeigten sich an den Jupitermonden farbige Ränder: oben blau, unten rot - ein typisches Zeichen von Lichtbrechung in der Atmosphäre, "atmosphärische Refraktion" genannt.


    Das folgende Foto ist eine unbearbeitete Aufnahme, so, wie sie aus der Kamera kam. Links eingefügt ist eine Vergrößerung aus der Bildmitte, und rechts ist aus dieser Vergrößerung der unterste Mond, Ganymed, noch einmal vergrößert dargestellt. Man erkennt gut, dass eine Farbe nicht einen geschlossenen Ring bildet, sondern dass die äußeren Farben im sichtbaren Farbspektrum nach oben und unten "sortiert" sind:








    Das blaue Licht wird in der Atmosphäre stärker gebrochen als das rote; der blaue Lichtstrahl ist steiler nach unten geknickt und scheint von einer Lichtquelle zu kommen, die etwas höher sitzt. Bei Rot ist es umgekehrt.


    Viele Grüße

    Manfred

  • Hallo Jörg,


    darf ich zitieren aus G.D. Roth (Hrsg.): Handbuch für Sternfreunde Band 1 Technik und Theorie" , Springer Verlag S. 187:


    "Aufnahmen in geringer Höhe über dem Horizont zeigen oftmals eine strichförmige Deformation der Sterne senkrecht zum Horizont. Das ist eine Auswirkung der differentiellen atmosphärischen Refraktion. .... Die beiden Enden dieser kleinen Striche sind oben blaugrün und unten rot (atmosphärische Refraktion), ein Effekt, der sich besonders bei hellen Sternen und an den Kanten heller Planeten gut beobachten läßt ..."


    oder siehe auch her: https://www.spektrum.de/lexiko…schaften/refraktion/13331


    Andererseits findet sich hier bei der Friedrich-Schiller-Universität jena in dieser Abhandlung: https://www.astro.uni-jena.de/…ropraktikum/Versuch-B.pdf

    auf S. 30 eine ewohl etwas differenziertere Betrachtung


    Ganz so falsch lagen wir beide offensichtlich nicht ... ;)



    Beste Grüße

    Manfred

  • Hallo Manfred,


    es sind ja zwei Phänomene, die da gemeinsam wirken: Dispersion, also die spektrale Zerstreuung, die Du in Deinem Bild gezeigt hast. Und Refraktion, d. h. die Brechung des Lichts, die für die Wellenlängen unterschiedlich ist, was die Dispersion verursacht. Insofern ist das natürlich nicht falsch. Mit Refraktion wird aber gewöhnlich die Tatsache bezeichnet, dass man Himmelskörper auch dann noch sehen kann, wenn sie schon untergegangen bzw. noch gar nicht aufgegangen sind. Einschließlich dem Effekt, dass Sonne und Mond in Horizontnähe deformiert erscheinen. So hab ich das zumindest mal in der Vorlesung über atmosphärische Optik gelernt.


    Siehe dazu auch hier:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Terrestrische_Refraktion#:~:text=Als%20terrestrische%20Refraktion%20(auch%20Strahlenbrechung,in%20der%20untersten%20Erdatmosphäre%20bezeichnet.


    CS

    Jörg

  • Hallo,


    Ich würde sagen, die Wellenlängen abhängige Refraktion ist Dispersion.


    Man kann das in Farbaufnahmen gut korrigieren. Die Aufnahme in RGB Kanäle zerlegen. Dann z.B. Rot und Blau auf Grün als Referenz ausrichten/ registrieren. Dann die Kanäle wieder zum RGB Bild kombinieren.


    Viel Erfolg & Clear Skies,

    Gert.

  • Hallo Jörg und Gert,


    eure Beiträge haben mir gezeigt, wie man zwischen den einzelnen Formen der Refraktion unterscheiden sollte. Da habe ich gestern noch einiges nachgelesen und dazugelernt.

    Habe aber auch im Lexikon der Optik aus dem Spektrum-Verlag unter dem Stichwort "Refraktion" gefunden, dass der Begriff "atmosphärische Refraktion" ein " ... Sammelbegriff für die mit der Krümmung der Lichtstrahlen in der Atmosphäre zusammenhängenden Erscheinungen." ist. Insofern passt der Titel des Beitrags.

    Eine Bemerkung zum Foto selbst hätte mich auch gefreut ....


    Beste Grüße

    Manfred

  • Eine Bemerkung zum Foto selbst hätte mich auch gefreut ....

    Hi Manfred,


    dann übernehme ich das erstmal sehr gerne 😁.


    Ich hatte ja schon ein Sternchen vergeben, war aber zu schreibfaul... Die Arbeitswoche war lange...


    Mir gefällt es ja schon vom Prinzip her, wenn man über solche Phänomene spricht und sich dabei austauscht, denn man kann immer was dazu lernen.


    Besonders erwähnenswert finde ich, dass du anscheinend das Bild nur aufgenommen hast, um die Dispersion zu dokumentieren 👍🏼.


    Die Dispersion drückt ja den Strehl schnell in den Keller und der Kontrast leidet über die gesamte Planetenscheibe.


    Einfach nicht so hoch zu vergrößern (um die Dispersion nicht so stark zu sehen) ist beim Planeten für mich keine Option, denn ich will ja maximal viele Details sehen.


    Da die Dispersion Wellenlängenabhängig ist, bringt ein Verschieben der Farbkanäle (bei einer Farbkamera) nur bedingt Linderung, denn innerhalb des Farbbandes bleibt sie ja bestehen.


    Ralf hat den Unterschied (mit und ohne ADC) hier mal eindrücklich aufgezeigt.


    Gruß Markus

    Skywatcher FT 16" f4.4 :dizzy:

    ... immer für ein Tuningvorhaben zu begeistern

    Einmal editiert, zuletzt von Markus85 () aus folgendem Grund: Link ersetzt

  • Hallo Markus,


    erst einmal vielen Dank für Deine ausführliche Stellungnahme. Man kann gut erkennen, wie ambitioniert Du an die Dinge herangehst.


    Besonders erwähnenswert finde ich, dass du anscheinend das Bild nur aufgenommen hast, um die Dispersion zu dokumentieren 👍🏼.


    Das war bei dem Foto bei mir nicht der Fall. Es ist fokal an einem TS Photoline 72/432mm Refraktor entstanden und diente eigentlich nur zum Überprüfen, ob ich den Fokus, den ich mit live-view und Brille am Kameradisplay eingestellt hatte, auch wirklich getroffen hatte. Das gelingt mir meistens mit den Jupitermonden am besten.


    Dass die Monde einen solchen Farbsaum haben, hatte ich erst hier am PC beim Hochvergrößern gemerkt. Und dabei fand ich die recht "saubere" symmetrische Verteilung sehr schön; sonst war dieser Dispersionseffekt immer ziemlich verwabert. Deshalb fand ich, dass es ein recht schönes Beispiel für diesen Effekt wäre.


    Viele Grüße

    Manfred

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