Hallo Forum,
gerade sind wir zurück aus der Kälte des Polarkreises und ich wollte dazu nochmal einen kleinen Bericht zum besten geben.
Spoileralert: wir konnten kein Polarlicht sichten - aber der Reihe nach.
In den letzten Jahren hatten wir hier im Norden Deutschlands so einige Polarlicht-Sichtungen - hier ein Bild von meiner Allsky-Kamera:
Ich musste meine Frau nicht lange überreden in den ganz hohen Norden zu reisen um das "Real Thing" zu bestaunen.
Was liegt da näher, als ein Jahr mit erhöhter Sonnenaktivität zu nutzen. Wir haben uns also für einen Trip nach Finnisch-Lappland an den Polarkreis entschieden.
Wir haben uns für ein paar Tage eine Glasdach-Hütte in der Nähe von Rovaniemi gemietet, das war alles ganz toll - man konnte direkt vom Bett aus den Sternenhimmel bewundern.
Nur einen Tag vor unserer Abreise hat die Webcam unserer Unterkunft eine richtig schöne Himmeldisko gezeigt:
(Quelle: Screenshot YouTube, Apukka Resort Rovaniemi Webcam)
Leider verhieß das Wolkenradar nichts Gutes - es sollte während der ganzen 4 Nächte unseres Aufenthaltes bewölkt sein. Außerdem näherten sich bereits bei unserer
Abreise die Temperaturen der -30°C Marke. Naja, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
06.02.2024
Schon ganz früh um 4:30Uhr klingelt unser Wecker. Die Winterklamotten sind eingepackt, Kameras und Stative sind verstaut und alle Akkus sind geladen. Wir machen uns auf den
Weg zum Flughafen nach Hamburg. Es stürmt ziemlich und dementsprechend wackelig ist der Start der kleinen Embraer-Maschine der Finnair. Nach knapp zwei Stunden landen wir in Helsinki.
Dort erwartet uns bereits eine komplett andere Welt - alles ist tief verschneit. Als wir in die Maschine unseres Anschlussfluges nach Rovaniemi einsteigen, bemerken wir eine dicke Eisschicht auf den
Tragflächen. Zum Glück hat die auch der Pilot bemerkt und bevor es auf die Startbahn geht, rollt die Maschine zur Enteisung.
Ein erster Vorgeschmack auf das, was uns erwartet. Während des Fluges offenbart der Blick aus dem Fenster die einsame, tief verschneite und faszinierende Landschaft Lapplands.
Nach weiteren 1h20 landen wir in Rovaniemi. Als wir das Flughafengebäude verlassen, ist es bereits deutlich unter -20°C kalt, das beißt schon ein bisschen an der Nase.
Unsere Glasdach-Hütte steht direkt an einem zugefrorenem See - das Eis ist so dick, das es problemlos ein Auto tragen würde.
Die Unterkunft ist "auf Polarlichter" spezialisiert, es gibt die schon erwähnte Webcam, eine Allsky-Kamera und eine eigene Warn-App. Die App sagt "Level 2, gering" und es ist
ziemlich bewölkt. Trotzdem zieht es uns Nachts auf den See um ein paar Probeaufnahmen zu machen. Boa, ist das kalt - mal eben die Handschuhe ausziehen um die Kamera zu bedienen ist
schon übel. Schnell merken wir, dass unsere mitgebrachten Klamotten nicht so wirklich für diese extrem niedrigen Temperaturen gemacht sind. Ich trage mittlerweile 3 Pullover unter der dicken
Winterjacke und es ist immer noch kalt.
Leider ist die Umgebung unserer Unterkunft ziemlich "lichtverschmutzt", dazu tragen auch die Glasdach-Hütten bei.
Hier ein Blick vom See - kein Polarlicht, nur Lichtverschmutzung...
07.02.2024
Wir nutzen den Tag für ein paar Spaziergänge durch die verschneite Landschaft und fahren mit dem Taxi ins benachbarte Rovaniemi - überwiegend, weil meine Frau Ihre Lesebrille vergessen hat.
In Rovaniemi gibt es das Arktikum, dort wird einem alles über das Leben am Polarkreis, die heimische Flora und Fauna, das Klima und die Entstehung von Polarlichtern erklärt.
Der Lordi-Platz in Rovaniemi, ein Tribut an die finnische Hard-Rock und Heavy-Metal-Band:
Zurück in der Unterkunft besorgen wir uns die kostenlos bereitgestellten Kälteschutzanzüge - Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!
Am Abend nutzen wir den "Snowtrain" - eine der vielen in der Unterkunft angebotenen "Aktivitäten" zur Aurora-Sichtung.
Der "Snowtrain" besteht aus einer Pistenraupe mit 3 Anhängern auf Kufen - das etwas seltsame Gefährt fährt uns tief in die Wälder abseits der Lichtverschmutzung.
Wir stoppen an einer Lichtung, dort sind in zwei Kottas (die traditionellen Zelte der Samen) aufgebaut in denen ein wärmendes Feuer lodert. Es gibt einen heißen Tee, eine Grill-Wurst und Marshmallows.
Sporadisch reißt die Wolkendecke etwas auf... leider gibt es kein Polarlicht. Der Schnee ist so tief, dass man aufpassen muss, wo man hintritt:
Nach Rückkehr klart der Himmel tatsächlich etwas auf, wieder gehen wir hinaus auf den zugefrorenen See und wieder gibt es keine Aurora zu sehen.
Ich stelle mir stündlich den Wecker, blinzele kurz aus der Glaskuppel in den Sternenhimmel... und stelle den Wecker eine Stunde weiter.
08.02.2024
Den Tag verbringen wir mit einem Besuch des nahen "Weihnachtsmann-Dorfes". Keine Ahnung, warum wir das gemacht haben - wir waren schon einmal hier, allerdings im Sommer (da waren wir mit dem Auto auf dem Weg zum Nordkap) und
es hat uns schon damals nicht gefallen. Ziemlich viel Kommerz, der Fokus liegt hier eindeutig auf dem Verkauf von allerhand Weihnachts-Nippes. Naja, es hat uns auch diesmal nicht umgehauen.
Für den Abend haben wir eine "Huskey-Aurora-Hunt" gebucht. Hier tragen alle "Aktivitäten" die "Aurora" im Namen, das vermarktet sich einfach besser.
Immer zwei Mann bekommen einen Hundeschlitten und nach kurzer Einweisung ("hier ist die Bremse") geht es los.
Tierschutzrechtliche Bedenken kann man hier getrost über Bord werfen - man merkt den Hunden an, dass sie richtig "Bock" auf das Laufen haben - als das Geschirr angelegt wird, sind sie außer Rand und Band und wollen einfach nur noch rennen.
Wir sind das erste von insgesamt 5 Gespannen und unsere Hunde preschen los. Leider hat das Gespann hinter uns Startprobleme - die Hundegruppe hat sich nicht vertragen und der Leit-Rüde weigert sich
loszulaufen. Der Streithammel in der Mitte des Gespanns muss ausgewechselt werden und wir stehen mutterseelenallein mit 5 Huskys auf Adrenalin mitten in der Pampa und warten:
Leider hat das Thermometer die -30°C mittlerweile unterschritten und entgegen der Prognose des Wetterberichtes sank die Temperatur sogar noch bis auf -35°C ab.
(Quelle: screenshot wetteronline.de)
Irgendwie waren wir froh, als die Tour vorbei war. Trotz der Kälteschutz-Kleidung spüren wir weder Finger noch Füße...
Und "Aurora-Hunt" mit dem Hundeschlitten - naja. Ob das schlau ist, vom Schlitten zu steigen und ein Stativ aufzubauen, wenn man die Hunde nicht abkoppelt und irgendwo anbindet sei mal dahingestellt. Ich würde vermuten, dass die einfach weiter laufen...
Die Nacht war weitgehend sternenklar... aber wieder kein Polarlicht. Zurück in der Unterkunft haben wir uns wieder stündlich den Wecker gestellt...
Polarlicht? Nein, nur der Lichtsmog der Umgebung aus der Glaskuppel unserer Unterkunft heraus fotografiert:
09.02.2024
Letzte Chance auf Polarlichter, der Warnindex der unterkunfts-eigenen App ist auf "Level 5" angestiegen und das Wolkenradar verspricht größere Lücken.
Den Tag beginnen wir auf dem Rentier-Schlitten - wir geniessen eine Fahrt durch die verschneiten Wälder.
Wieder ist es schweinekalt - auf die für den Abend gebuchte Snowmobil-Tour ...ähh, sorry "Aurora-Hunt"... verzichten wir. Stornieren können wir die so kurzfristig leider nicht mehr,
wir haben die Tour also einfach an ein junges Pärchen verschenkt und hoffen, dass die beiden nicht erfroren sind.
Am Abend ist es wieder sternenklar, der Aurora-Warnlevel steht immer noch bei "5". Jetzt oder nie! Wir verbringen den Abend damit, den Himmel mit Argusaugen zu beobachten.
Der Sonnenuntergang auf "unserem" See:
Polarlicht? Nein... Lichtverschmutzung...
Polarlicht? Nein, Wolke...
Eine weitere Nacht, in der stündlich der Wecker klingelt. Es hat einfach nicht sein sollen. Laut Aussage mehrerer Einheimischer gibt es hier zur Zeit jeden 3. bis 4. Tag Polarlichter zu sehen.
Leider nicht für uns. Ist halt ein Naturphänomen - da machs'te nix!
10.02.2024
Zeit für den Heimflug. Als kleine Entschädigung verwöhnt uns der Himmel mit einem prächtigen Farbenspektakel:
Tja... schade - da haben wir wohl den falschen Zeitpunkt erwischt. Aber schön war's trotzdem!
CS, Jochen