Servus beinand,
der Mond zieht sich langsam zurück, der Orion ist schon früh zu sehen, was also liegt näher, im Orion nach einem adäquaten OdM zu suchen? Der Orion – da denkt man sofort an den Orionnebel, vielleicht auch an M 78, den hellsten Reflexionsnebel oder an den Pferdekopfnebel, der visuell etwas kniffelig ist. Oder auch an den Affenkopfnebel, an den Running Man und diverse Offene Sternhaufen. Ich möchte die Aufmerksamkeit aber auf versteckte Schönheiten lenken, die so prominent liegen, dass man sie sehr leicht finden kann, die aber relativ selten beobachtet werden bzw. fotografiert werden. Die Rede ist von den drei Reflexionsnebeln IC 423, IC 424 und IC 426 (IC 425 ist ein Fehleintrag und würde in der Auriga liegen, den lassen wir natürlich aus).
Die drei Nebelchen liegen im bzw. am Gürtel des Orion und werden wohl auch von Alnilam und Mintaka angeleuchtet. Ich habe kaum etwas über diese Objekte finden können. IC 423 wird in Wikipedia als Emissionsnebel geführt, was aber schlicht falsch ist bzw. falsch sein muss, wenn man allein die Farbe anschaut. Alle drei Nebel sollen ca. 1500 Lichtjahre von uns entfernt sein. IC 423 und IC 424 werden vermutlich von Mintaka angeleuchtet, IC 426 eher von Alnilam. Oder doch auch von beiden zugleich? Wie auch immer erscheinen die drei auf Fotografien tief blau, da sie ja von heißen, jungen, blauen Sternen bestrahlt werden.
Hier erstmal die Lage im Oriongürtel:
Quelle: SDSS, von Wikisky.org, Markierung und Beschriftung von mir
Und hier ein Detailfoto
Quelle: SDSS, von Wikisky.org, Beschriftung von mir
IC 423 wird im Englischen als Slug Nebula (Nacktschnecken-Nebel) oder als Tear Nebula (wegen der Tränenform?) genannt. Die Nacktschnecke sehe ich nur mit Phantasie, denn ich kann zwei Stielaugen erkennen, aber die Gesamtform passt mir nicht. Und Träne? Nun ja. Ich sehe da eher ein Gespenst. Quasi Mintakas Gespenst. Hell ist zwar etwas anderes, aber man kann auch mit mittlerem Gerät sich daran probieren. IC 423 wurde auch schon mit 120 mm Öffnung probiert und da als „extrem schwach, nur vermutet“ notiert (siehe Interstellarum 02, Liste ab Seite 13). Mit 360 mm Öffnung wurde „schwach“ notiert, aber mehr als eindeutig zu sehen. Immerhin. Ich denke, mit 8 Zoll ist es sehr sportlich, mit 12 bis 14 Zoll sollte es gehen und mit größeren Optiken ist sicher auch das eine oder andere Detail auszumachen.
IC 424 ist das visuell schwierigste Objekt. Ich sehe da zwei leuchtende Augen und einen kleinen Wurm, also ein Würmchen mit zwei Augen. Die beiden Sterne, die die Augen bilden, haben aber nur 15. Größenklasse. Da braucht man schon etwas Öffnung.
IC 426 ist das hellste und einfachste der drei Objekte. Mit 360 mm Öffnung wurden hier bereits Details in der Form ausgemacht. Ich sehe hier am Foto ehrlich gesagt eine Qualle, genauer eine Staatsqualle, also mit einer dicken Tentakelstruktur und nicht vielen feinen, sowie am Schirm oben eine Art Kamm. Da kommt mir die Spanische Galeere in den Sinn. Man könnte aber wohl auch ein UFO vulgo eine fliegende Untertasse mit einem seltsamen Gebilde an der Unterseite hineininterpretieren.
Ich bleibe mal beim Zoo… dann stelle ich hier vor *Paukenwirbel und Zirkusmusik* eine Nacktschnecke, ein Würmchen mit leuchtenden Augen und eine Staatsqualle. Letztere bitte nicht anfassen, das wäre sehr schmerzhaft und gefährlich, also bitte etwas Respekt beim Beobachten.
Ich würde empfehlen, mit IC 423 anzufangen. Hier kann man zwischen Alnilam und Mintaka hin und her schwenken. Fängt man bei Alnilam an, so sieht man sofort um ihn herum die Sterne von Collinder 70. Westlich von Alnilam sieht man eine Sternenkette, die senkrecht auf die Verbindung von Alnilam und Mintaka steht. Von dieser zweigt eine weitere Sternenkette ab, die etwas gebogen ist und zu dem kleinen Sternhaufen um Mintaka (der noch keinen Katalognamen hat) rüberführt. Die Sterne wickeln sich hier quasi um Mintaka, und die gebogenen Kette verbindet optisch Collinder 70 mit dem Haufen um Mintaka. Jetzt kann man zählen. Die ersten zwei Sterne haben nur einen kleinen Winkel zu der Sternkette von Collinder 70, die nächsten zwei sind dann dazu ziemlich nach links geknickt. Und mit diesen beiden Sternen bildet IC 423 ein etwa gleichschenkliges Dreieck und steht nördlich. Geht man weiter nach Nornodost, dann kommen wieder zwei hellere Sterne, die mit den beiden Ausgangssternen undgefähr ein Rechteck bilden. IC 423 ist am Mittelpunkt des Rechtecks. Das Rechteck ist wichtig, also sollte man das erstmal finden, dann nach IC 423 schauen (und hoffentlich Erfolg haben). Man kann sich dann von der Nacktschnecke entzücken lassen (oder vom Gespenst, je nach Namensvorliebe).
Ich habe hier die beiden Sternketten rot markiert und das Rechteck gelb (die südliche, kurze Seite verdeckt etwas die rote Linie, aber es sollte erkennbar sein, denke ich):
Quelle: SDSS, von Wikisky.org, Markierung von mir
Hat man IC 423 gesehen, muss man nun nur noch die beiden nördlichen Rechtecksterne erneut aufsuchen (die nordnordöstliche, kurze Seite des Rechtecks). Man sieht, dass das Nebelchen fast auf der kurzen Seite des Rechtecks zu finden ist. Es steht fast bei HD 36683 (8m3, der westliche Stern der kurzen Seite). Ich drücke die Daumen, dass etwas zu sehen ist. Um die beiden Augen zu erkennen, sollten es vermutlich schon 12 Zoll sein, 10 Zoll sind eng, aber sicher nicht unmöglich. Der Nebel muss ja aber auch noch dazu kommen.
Der Weg zu IC 426 ist jetzt nicht mehr weit. Ich habe hier den Weg markiert:
Quelle: SDSS, von Wikisky.org, Markierung von mir
Man verlängert die östliche, lange Seite des Rechtecks, findet zwei nahe Sterne (8m5 und 9m3), die als optisches Doppel quer zur Schwenkrichtung stehen und geht den violett markierten Pfad weiter bis zu einem hellen Stern (7m4). Hier macht die Sternfigur einen Knick nach Nordwesten. Diese Sternkette gehört zum Mintaka-Haufen. Den Knick nutzen wir als Richtungspfeil, denn er weist den Weg nach Osten hin zu IC 426 (Pfeil in Orange). Man kommt dann direkt zu einer kleinen Sterngruppe (ca. 8m4 bis 10m), die wie ein kleiner Sternhaufen wirkt (gehört zu Collinder 70). Ich habe dieser Gruppe hier mal gelb markiert (sieht aus wie ein Stuhl, um 90° gedreht auch wie der Buchstabe tau) und man kann hier direkt IC 426 verorten:
Quelle: SDSS, von Wikisky.org, Markierung und Beschriftung von mir
Die drei sind auch ein wunderbares Fotomotiv. Sehr schön hat sie das Capella-Observatorium fotografiert: http://www.capella-observatory…s/DiffuseNebula/IC423.htm
Hier noch ein Detailfoto von zwei der drei Tierchen: https://www.skiesbyafrica.com/Nebulae/IC423.html
Bernhard Hubl hat IC 426 sehr schön fotografiert: http://www.astrophoton.com/IC0426.htm
Auf vdB 48 als Objekt habe ich bewusst beim OdM verzichtet, da ich hier kein Tier erkenne und das Objekt noch diffuser ist. Was man aber auf allen Fotos von IC 426 sehen kann: die arme Qualle ist etwas verletzt und hat zwei kleine Tentakelstücke verloren. Die wären aber wohl nur was für große Lichteimer.
Beobachtungsziele:
- Was ist die kleinste Öffnung, mit der ihr überhaupt etwas oder einen von den drei Nebeln sehen könnt?
- Ab welcher Öffnung sind alle drei zu sehen?
- Ab welcher Öffnung ist der kleine Wurm mit beiden leuchtenden Augen auszumachen?
Dann wünsche ich viel Erfolg und Freude beim Beobachten und/oder Fotografieren. Beim Starhopping lernt man ganz nebenbei noch Details von zwei Sternhaufen kennen, was mir natürlich besonders gefällt.
Liebe Grüße,
Christoph