Wieso wissen wir, wie unsere Milchstraße eigentlich aussieht? (Paul Sutter)

  • "Woher wissen wir, wie die Milchstraße aussieht?

    Erst Anfang des 20. Jahrhunderts begannen wir, die wahre Natur unserer Galaxie zu verstehen.


    Obwohl unsere Teleskope einige wirklich atemberaubende Bilder der Milchstraße aufgenommen haben, haben Astronomen nur eine vage Vorstellung von unserer Heimatgalaxie. Es hat schon eine Menge Arbeit gekostet, diese Skizze zu erstellen, und es ist erstaunlich, was wir von unserem begrenzten Blickwinkel aus lernen konnten.


    Hier auf der Erdoberfläche erscheint die Milchstraße mit bloßem Auge als nebulöses Band am Himmel. Während Astronomen und Philosophen seit Ewigkeiten über die wahre Natur und Lage der Milchstraße debattieren, entdeckte der große Astronom, Physiker und Allround-Genie Galileo Galilei als erster die wahre Natur der Galaxie: unzählige Sterne, die so klein sind, dass ihr Licht miteinander verschmilzt. Mitte des 18. Jahrhunderts vermutete der Philosoph Immanuel Kant richtig, dass die Milchstraße eine rotierende Scheibe aus Sternen sei, und weil wir in dieser Scheibe eingebettet waren, erschien sie uns wie ein Band. Einige Jahrzehnte später versuchte der Astronom William Herschel, eine Karte des Universums zu erstellen, allerdings mit wenig Erfolg.


    Erst Anfang des 20. Jahrhunderts begannen wir, die wahre Natur unserer Galaxie zu verstehen. Damals entdeckte der Astronom Edwin Hubble, dass der Andromeda-Nebel tatsächlich die Andromeda-Galaxie war, ein „Inseluniversum“, das Millionen Lichtjahre von uns entfernt liegt. Die Milchstraße war nicht nur eine Scheibe aus nahegelegenen Sternen. Sie bildete den Ausmaß unserer eigenen Galaxie und erhielt deshalb den Namen dieses so bekannten Himmelsmerkmals.


    Beobachtungen anderer Galaxien halfen uns herauszufinden, wie unsere Heimatgalaxie aussah. Die meisten Scheibengalaxien beherbergen Spiralarme und einen dichten zentralen Bulge, daher liegt die Annahme nahe, dass die Milchstraße diese Merkmale ebenfalls aufweist. Doch die direkte Kartierung der Milchstraße ist eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe. Zum einen ist sie groß – an ihrer breitesten Stelle etwa 100.000 Lichtjahre. Und darin befindet sich jede Menge Material – irgendwo zwischen 100 und 400 Milliarden Sterne, Hunderttausende Sternentstehungsregionen und unzählige Planeten, Schwarze Löcher, Neutronensterne und vieles mehr. Daher erfordern Untersuchungen selbst kleiner Teile der Milchstraße enorme Mengen an Ressourcen.

    Und dann ist da noch Staub. Im interstellaren Raum hängender Staub hat die störende Eigenschaft, das Licht zu schwächen und zu streuen. Da wir in die Milchstraße eingebettet sind, wird unsere Sicht umso mehr durch Staub verdeckt, je weiter wir blicken. Selbst die leistungsstärksten Teleskope der Welt können Regionen auf der gegenüberliegenden Seite der Galaxie nicht direkt untersuchen.


    Um die Milchstraße zu kartieren, nutzen Forscher viele Arten von Beobachtungen und kombinieren diese mit Vergleichen mit anderen Galaxien und cleveren theoretischen Modellen, um ein vollständiges Bild zu erstellen.

    Beispielsweise umkreisen Kugelsternhaufen das Zentrum der Milchstraße in einer annähernd kugelförmigen Anordnung. Indem wir ihre Positionen im dreidimensionalen Raum eintragen, können wir herausfinden, wo sich das Zentrum befindet – etwa 25.000 Lichtjahre von uns entfernt.


    Wir können auch die Bewegungen von Sternen untersuchen, während sie das Zentrum umkreisen, und unser Verständnis der Schwerkraft nutzen, um zu modellieren, wie der Kern aussehen muss. Dank dieser Technik glauben wir, dass unsere Galaxie eine „vergitterte“ Spirale ist – der Kern ist länglich und vielleicht sogar erdnussförmig. Dies wird durch Beobachtungen bestätigt, die zeigen, dass eine bestimmte Art von Roten Riesensternen, die in der Nähe des Kerns liegen, in zwei Populationen gespalten ist und dass das vom Kern kommende Infrarotlicht nicht symmetrisch ist.


    Die 2013 gestartete Raumsonde Gaia hat eine Hauptaufgabe: eine Zählung möglichst vieler Sterne zu erstellen und deren Entfernungen, Bewegungen, Helligkeit und Farben aufzuzeichnen. Bis heute hat diese Mission fast 2 Milliarden Sterne katalogisiert, was zwar beeindruckend ist, aber immer noch nur etwa 1 % aller Sterne in der Milchstraße ausmacht.

    Dennoch verfügen Astronomen dadurch über einen enormen Informationsschatz über unseren lokalen Teil der Galaxie. Diese Daten liefern nicht nur eine genaue Karte unserer galaktischen Nachbarschaft, sondern können auch als Grundlage für den Vergleich und die Gegenüberstellung anderer, viel engerer, aber tiefergehender Untersuchungen verwendet werden, um nach Verdächtigen zu suchen, die uns bei der Erstellung einer Karte der größeren Galaxie helfen könnten.


    Nehmen wir die Spiralarme. Trotz ihres dramatischen Aussehens sind sie nur etwa 10 % dichter als ihre Umgebung. Stattdessen erscheinen sie optisch auffällig, weil es sich um Regionen aktiver Sternentstehung handelt, in denen sich viele neu entstandene, große, helle Sterne befinden. Da wir über eine detaillierte Karte unseres lokalen galaktischen Flecks verfügen, der hinsichtlich der Sternentstehung nicht besonders aktiv ist, können wir nach höheren Konzentrationen der Sternentstehung suchen, um die Spiralarme zu skizzieren.


    Durch diese Techniken wissen wir, dass die Milchstraße mindestens zwei markante Spiralarme hat und diese Arme in einem zentralen stab- oder erdnussähnlichen Kern in einer riesigen S-Form verankert sind. Darüber hinaus sind die Dinge jedoch etwas unklarer. Die Galaxie könnte zwei zusätzliche Arme mittlerer Intensität haben oder nur ein Wirrwarr aus Ausläufern und Ästen. Jede „Karte“ der Milchstraße, auf die Sie möglicherweise stoßen, ist größtenteils eine Vermutung und wird sich wahrscheinlich alle paar Jahre ändern, wenn wir unsere Techniken verbessern und ein besseres Verständnis erlangen."


    How do we know what the Milky Way looks like?
    It wasn't until the early 1900s that we really started to piece together the true nature of our galaxy.
    www.space.com

  • Ich finde es spannend, daß wir das Aussehen der Milchstraße, was seine Spiralarme jenseits der zwei Hauptarme und der generellen Balkenförmigkeit angeht immer noch nicht genau wissen.


    Bei der Gelegenheit, in Bezug auf die Sonne - wie liegt denn der Balken? mit der Längsachse zu uns, oder Querachse, oder im soundso Winkel?


    Bei meiner Frei Auge Beobachtung auf der Südhalbkugel (Frühling ist die bessere Zeit dafür, einfach auf den Boden legen und zum Zenit schauen) hatte ich den Eindruck eines schönen doppelseitigen Buckels/Bulge. Also gar kein Balken, oder Sicht in Längsachse des Balkens. ...

  • Fun Fact: Manuel Philipp hat bei seinem Vortrag in der Kirche auf der Winklmoosalm ein Bild der Milchstraße gezeigt mit Positionsangabe unseres Sonnensystems und dazu angemerkt: "Wenn Ihnen das jemand als Foto anbietet, ist es ziemlich sicher eine Fälschung".


    CS Jochen

    Meine Ausrüstung: GSO Dobson 8", Skywatcher Heritage 150p Virtuoso GTi, Canon EOS 90D, Canon EOS 200D, Sony RX 100M4

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