Hallo zusammen,
eigentlich wollte ich schon am Samstag abends Deep Sky beobachten, zumal klarer Himmel vorhergesagt war. Leider wurde es nur eine sinnlose Spritztour, weil an drei verschiedenen meiner Beobachtungsplätze Nebel aufzog. Dann disponierte ich um auf Montag früh, habe extra früh den Wecker gestellt und draußen nur Nebel gesehen. Im dritten Anlauf, heute früh, hat es dann endlich geklappt. Zum ersten Mal seit 3 Monaten deepskytauglicher Himmel an einem meiner üblichen heimischen Beobachtungsstandorte.
Ich fing an mit dem Kometen 62P/Tsuchinshan, aber das ist ja kein Deep Sky und gehört daher nicht hierher.
Dann einige Galaxien, eine Supernova und etwas Exotisches.
Arp 299 (NGC 3690A, NGC 3690B, IC 694, PGC 35345) mit Supernova SN 2023wrk
NGC 3690 (11.5 mag, 2.4' x 1.9', Typ Sm)
IC 694 (14.6 bmag)
PGC 35345 (15.8 bmag, 0.6 x 0.5', Typ Sab)
Arp 299, bestehend aus dem interagierenden Galaxienpaar NGC 3690A / NGC 3690B ist ein sehr beeindruckendes Objekt! Mit 20” Dobson bei 419x Vergrößerung sah ich einen hellen Galaxienkern in der Mitte eines unsymmetrischen Galaxienkörpers, dessen östlicher Bereich heller erschien als dessen westlicher Bereich. Hier befinden sich zwei verschmelzende Galaxien. Eine dritte Galaxie befindet sich etwa 2 Bogenminuten nördlich davon und ist sehr kompakt und schwächer als die beiden. Sie schaut sich sozusagen das Spektakel aus vermeintlich sicherer Distanz an. Zwischen Hyperleda, NED und dem Interstellarum Deep-Sky Guide gibt es widersprüchliche Bezeichnungen der einzelnen Galaxien. Auf meiner Zeichnung verwende ich die Bezeichnungen aus dem Interstellarum Deep-Sky Guide. Wenige Bogenminuten östlich befindet sich eine weitere Galaxie, etwas größer und diffuser als die letztgenannte. Sie ist mit 800 Millionen Lichtjahren Entfernung ein Hintergrundobjekt zu der in 150 Millionen Lichtjahren Entfernung befindlichen Arp 299.
Aktuell befindet sich eine Supernova vom Typ Ia in diesem interagierenden Galaxienpaar! Sie hat die Bezeichnung SN 2023wrk. Ihre Helligkeit schätzte ich auf 14.8 mag. Ich kann mir vorstellen, dass durch die Galaxieninteraktion viele neue Sterne entstehen und es dadurch im Laufe der Zeit dort viele Supernovae geben wird.
NGC 3763 (13.0 mag, 1.2' x 1.2', Typ SABc, Entfernung 270 Millionen Lichtjahre)
Diese Galaxie befindet sich 4 Bogenminuten südwestlich des 4.7 mag Sterns theta Crateris. Analog zu “Mirachs Geist” NGC 404 könnte man diese Galaxie daher als “theta Crateris Geist” bezeichnen. Der helle Stern blendete wirklich sehr bei der Beobachtung der Galaxie, auch bei 419x Vergrößerung. Ich sah einen diffusen Galaxienkörper mit einem helleren Kern und einem kleinen Anhängsel, vermutlich Spiralarm.
2M 1133-2103 (a.k.a. J1134-2103 oder 2MASS J11344050-2103230)
Hierbei handelt es sich um einen gravitationsgelinsten Quasar, der auf Fotos als Vierfachobjekt in Form einer Raute erkennbar ist.
Seine Entdeckung in Daten von Gaia DR2 und unabhängig davon in Aufnahmen von PanSTARRS wurde erst im Jahr 2018/2019 veröffentlicht:
https://academic.oup.com/mnras/article/486/4/4987/5484879
https://www.aanda.org/articles/aa/pdf/2018/10/aa33480-18.pdf
Der Abstand zwischen den entferntesten Komponenten beträgt dabei etwa 4 Bogensekunden. Die einzelnen Komponenten haben Helligkeiten von 17.2 mag, 17.3 mag, 17.3 mag und 19 mag. Die Gesamthelligkeit 15.65 mag. Vom Prinzip her ist das Objekt ähnlich wie Andromedas Fallschirm. Der Quasar hat eine Rotverschiebung z = 2.77. Demnach beträgt die Lichtlaufzeit zu uns etwa 11.3 Milliarden Lichtjahre. Das muss ein enorm leuchtkräftiges Objekt sein und dann kommt noch der Gravitationslinseneffekt dazu.
Mit dem 20” Dobson bei 419x Vergrößerung musste ich schon ziemlich horizontnah herumstochern bei der südlichen Deklination. Nachdem ich die Zielregion aufgesucht hatte, konnte ich mit indirektem Sehen ein stellares Objekt immer wieder mal aufblitzen sehen. Schwieriger als Andromedas Fallschirm, der bei der hiesigen geographischen Breite ziemlich hoch über den Horizont kommt. An eine Sichtung einer länglichen oder flächigen Form oder gar Auflösung der Komponenten war unter den gegebenen Bedingungen nicht zu denken. Aber beeindruckend, dass die von diesem Objekt ausgesendeten Photonen über 11 Milliarden Jahre lang unterwegs waren, um dann von der eigenen Netzhaut gestoppt zu werden.
Clear skies
Robin