Beobachtung der Beteigeuze-Bedeckung durch LEONA

  • servus zusammen,

    einem kleinen internationalen Team (DEU - Sternwarte Diedorf + ITA) gelang die erfolgreiche Beobachtung der Bedeckung. Nach der ersten, wirklich vorläufigen Auswertung der gewonnenen Daten hier ein erstes Ergebnis:


    Die Bedeckung war für das bloße Auge deutlich zu sehen, und dauerte (schwer abzuschätzen) zwischen 2 und 4 Sekunden. Die Schwierigkeit dabei war, dass dünne Wolken die Verhältnisse sehr schnell änderten. Der Helligkeitsabfall war deutlich, wenn auch weniger als erwartet. Ich schätze die Helligkeit von Beteigeuze im Minimum etwas geringer als die der drei Gürtelsterne (diese haben 1.m6 - 1.m7), sodass Beteigeuze etwa 1.5 mag Abfall hatte. Das ist weit entfernt von den vorhergesagten/erhofften 12 mag, was viel über die Bedeckung aussagt.


    Hier mal die erste Lichtkurve aus meinen Daten.


    Leider hat er beim Wandeln in ein JPG-Bild die Achsbeschriftung nicht mitgenommen.

    Optik: Lichtenknecker FFC 190/760mm

    Kamera: ASI 662 + IR-Sperrfilter

    Aufnahmeort: El Pinar de la Lobera, Andalusien/Spanien


    Die Aufnahmeserie beginnt bei 2:15:00 und endet bei 2:15:40, ist also 40 sec lang = 800 Einzelaufnahmen (das ist nur ein Datenauszug, die tatsächliche Serie dauerte 6 min, beginnend ab 2:10:00. Ich habe nur die relevanten Daten genommen).


    Was sieht man in der Lichtkurve?

    1) vor der tiefen Verfinsterung ist eine flachere, aber länger andauernde Verfinsterung zu sehen: das war eine dünne Wolke, die wenige Sekunden vor dem Ereignis vor Beteigeuze vorbeizog. Diese "Delle" ist auch in der anderen Lichtkurve von unserem Mitbeobachter enthalten


    2) Die Dauer der Verfinsterung dauerte deutlich länger als 2-4 sec, wie wir sie sehen konnten. Tatsächlich scheint die Dauer etwa 12 sec betragen zu haben, was sich gut mit den vorhergesagten Werten deckt.

    Warum haben wir dies nicht gesehen? Die Erklärung kam uns gestern Abend: Zu Beginn (gleiches gilt für das Ende) ist der Helligkeitsabfall sehr gering. Wir schätzen, dass für eine Wahrnehmung ein Abfall um >0.5 mag notwendig war. Dies bedeutet aber, dass bereits etwa 40% der Sternscheibe bedeckt sein mussten, bevor wir irgendwas sehen hätten können. Wenn Wolken das Ganze noch verschlechtern, haben wir evtl. tatsächlich nur die innersten 2-4 Sekunden der Verfinsterung mit bloßem Auge sehen können.


    3) Der Helligkeitsabfall betrug in der Lichtkurve etwa 1.5 mag, was gut mit dem visuellen Eindruck übereinstimmt. Entweder gab es an unserem Beobachtungsplatz keine zentrale Bedeckung (wir waren aber offenbar nur 6km von der Zentrallinie entfernt), oder Leona war zu klein für eine komplette Bedeckung. Ich denke, dass beide Faktoren hier hineinspielen, da andere Beobachter keinen tieferen Helligkeitsabfall beobachten konnten.


    4) Die Datengewinnung war sehr anspruchsvoll. Ich wollte mit der Belichtungszeit der Kamera sehr weit runtergehen, um eine hohe zeitliche Auflösung (viele Bilder pro Sekunde) zu bekommen, und auch den Chip durch die helle Beteigeuze nicht zu sättigen. Als ich etwa 30 min vor der Bedeckung alle Werte richtig eingestellt hatte (Belichtungszeit 50 ms), war der Himmel Richtung Orion sehr klar (schwächste Sterne deutlich jenseits 6mag). Und dann wurde es von Minute zu Minute schlechter: Orion "soff" richtig ab, und ein Dunstschleier zog über das Sternbild. Um die Belichtungszeit gleich zu halten, habe ich die Verstärkung immer weiter hochgedreht (von anfangs 10 auf über 150), weil Beteigeuze immer schwächer wurde.

    Etwa 2-3 min vor der Bedeckung waren nur mehr die hellsten Sterne des Orion zu sehen.

    Und dann zog die Wolke langsam weg: es wurden immer mehr Sterne sichtbar. Das war aber nur mehr wenige Sekunden vor der Bedeckung. Da wollte ich nicht mehr an der Kamera etwas verändern, sondern auch das Ereignis mit bloßem Auge sehen (Motto: "Enjoy the show!") . Daher sind alle Aufnahmen zu Beginn / am Ende der Bedeckung leider in die Sättigung des Chips gegangen, nicht jedoch im Minimum. Dadurch wird aber die Helligkeitsmessung zu Beginn/Ende verfälscht, weil die Kamera nicht mehr Elektronen sammeln konnte. Insofern kann die Amplitude der Verfinsterung etwas größer gewesen sein, als sie aus der Lichtkurve abzulesen ist.

    Die Daten sind aber erst vorläufig, und aus den RGB-Aufnahmen entnommen. Die nächsten Schritte der Datenauswertung sind dann die Fotometrie in den einzelnen Spektralbereichen, und zu prüfen, ob im roten Bereich die Verfinsterung früher begann als im Blauen. Kalibriert sind die Daten auch noch nicht. Insofern bleibt noch ein gutes Stück Arbeit zu tun.

    Aber spannend, lehrreich und erfolgreich war es auf alle Fälle.


    CDS
    Stefan

  • Hallo Stefan,


    herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Beobachtung. Und zur gelungenen Auswertung, trotz der widrigen Bedingungen.


    Der Bericht ist interessant. Ich habe vor Jahren auch mal eine Sternbedeckung beobachtet und versucht auszuwerten. Das ist nicht so einfach ich dachte. Deshalb freue ich mich natürlich auch über den ausführlichen Bericht.


    Bis dann:

    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Hallo Stefan,


    auch Dir : Große Gratulation!

    Und vielen Dank für den ausführlichen Bericht, insbesondere den visuellen Teil. Gut gemacht - mir wäre das Seherlebnis vermutlich auch der wichtigere, vor der Datenaufnahme.

    Es gibt wohl nur eine Gelegenheit im Leben für ein Betelgeuze Ausknipsen, naja Runterdimmen. Wenn er es nicht selbst macht, freilich ;-)...


    CS,

    Walter

  • servus Markus, Walter,


    natürlich wollte ich dieses Ereignis, das sich wohl kaum mehr so bald wiederholen wird, auch visuell beobachten.

    Für die Auswertung der CCD-Aufnahmen habe ich mir aber noch mehr vorgenommen, deswegen kam diese auch zum Einsatz: ich will zum Einen die Bedeckungszeit (die ja mit bloßem Auge - siehe oben - nur sehr ungenau beobachtet werden konnte) genau und zeitgenau bestimmen, damit diese Ergebnisse in die Formbestimmung der IOTA von LEONA mit einfließen.

    Und ich will herausfinden, wie groß der Durchmesser von Beteigeuze tatsächlich war, und dabei diesen im roten, grünen und blauen Bereich vermessen. Für den G-Bereich habe ich auch den IR-Sperrfilter verwendet, damit dieser den Infrarot-Anteil, der auch durch die G-Teile der Bayer-Matrix gehen würde, wegschneidet, und ich nur das reine G-Signal bekomme.

    Andernfalls hätte ich durch die sehr rote Beteigeuze etwa 40% des Gesamt-Lichts im G-Kanal vom Infratot-Licht bekommen, was ja nicht sinnvoll ist, wenn man den Durchmesser im grünen Spektralbereich ermitteln will.


    CDS
    Stefan

  • servus zusammen,


    zurück aus Spanien!


    ich habe nun auch andere Lichtkurven von anderen Beobachtern gesehen.

    Dabei ist mir etwas aufgefallen:

    Links (= früher) von der Hauptverfinsterung ist wie oben beschrieben eine "Delle" der Lichtkurve zu sehen. Diese Delle ist auch in unserer zweiten Lichtkurve enthalten:


    Wir haben diese "Delle" auf eine Cirre geschoben, die sich vor Beteigeuze geschoben hatte.


    Nun habe ich auf anderen Lichtkurven im Internet (aber nicht auf allen) diese "Delle ebenfalls gefunden. Diese Beobachter waren aber an völlig anderen Orten. Es ist schwer vorstellbar, dass diese die gleiche Cirre gesehen haben, noch dazu zur gleichen Zeit !


    Wäre es denkbar, dass sich hier ein Begleiter zeigt, noch dazu, weil die "Delle" etwa gleich lange dauerte?

    Bin gespannt auf Eure Meinungen


    CDS

    Stefan

  • [...]

    Wäre es denkbar, dass sich hier ein Begleiter zeigt, noch dazu, weil die "Delle" etwa gleich lange dauerte?

    [...]

    Hallo Stefan,


    danke für deine Auswertung und den Bericht. Ich beneide momentan irgendwie jeden, der so einen einmaligen Event erleben darf.


    Es wäre ja so einiges denkbar, da im Hauptgürtel - zwar in größeren Abständen, als sich viele vorstellen - so einiges "rumfliegt". Wie du mit "Begleiter" bereits auch andeutest, könnte Leona selbst einen Mond oder Trojaner haben, welcher aber aufgrund der zu erwartenden Größe ggf. wohl schon aufgefallen wäre. Es könnte auch ein anderer Asteroid gewesen sein, den man hier nicht auf dem "Radar" hatte und zufällig in einer passenden Bahn unterwegs war.


    Ein Flugzeug kann man ja bereits aus mehreren Gründen ausschließen. Ein Satellit dürfte als Erklärung auch sehr schwierig sein.


    CS & VG
    Stefan


    PS: Ich finde das Video von Sebastian Voltmer sehr beeindruckend. Er hatte es auch mit einem Spektrographen ausgewertet.

    :star: Deep Sky: Sky-Watcher QUATTRO 150P | TS PHOTOLINE 106/700 f6.6 | ASKAR FRA300 Pro 60mm f/5 | Samyang 135mm F2.0 ED UMC :ringed_planet: Mond, Planeten (,Sonne): Sky-Watcher Skymax Mak-Cas 150/1800 | Sky-Watcher Skymax Mak-Cas 102/1300 :sun_with_face: Sonne: Lunt LS60MT Ha B1200 :camera: Kameras: ZWO ASI533MC Pro, ZWO ASI178MM, ZWO ASI178MC, ZWO ASI585MC, QHY 5III 715C :magnet: Autoguiding: Svbony SV106 | QHY 5III 178c :telescope: Montierung: iOptron CEM26 :high_voltage: Powerbank: FOX HALO 96K Power Pack :globe_showing_Europe_Africa: Webseite: https://www.junger.net/

  • Hallo Stefan,


    die signifikant höhere Streuung bei dieser „Vorverfinsterung“ lässt sich m. E. nur schwer mit einem kompakten Körper erklären. Vielleicht hat Leona ein „paar Wagenladungen“ Schutt in ihrem Schwerefeld gebunden (oder sie verliert sie auf ihrer Bahn). Kleinnplaneten haben ja nur eine minimale Gravitation, die nicht ausreicht, um einen festen Körper zu formen. Der Begriff Kleinplanet ist in diesem Fall eigentlich irreführend. Es sind eher mikrogravitativ gebundene Schutthaufen. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch weitgehend monolithische Vertreter gibt (Trümmerstücke von planetaren Kollisionen). — Sieh mal nach, ob Du zu Leona näheres im Netz findest.


    CS

    Jörg

  • Servus Stefan, Jörg,


    die Universität von Granada hat einen Bedeckungssimulator erstellt, mit dem man die verschiedenen Parameter der Bedeckung verändern kann, um zu sehen, wie sich dies auf die Lichtkurve auswirkt. Die oben beschriebene "Delle" lässt sich recht gut modellieren, unter den folgenden Annahmen:

    - sehr nahe an der Zentrallinie (waren wir, ca. 6km südlich)

    - große Achse des Körpers gleich groß die Beteigeuze

    - kleine Achse deutlich kleiner, etwa im Verhältnis 1:5



    Die Streuung ist eher durch die sehr stark schwankenden Bedingungen verursacht: abziehendes Dunstfeld.


    Wer selbst mal spielen will:

    Betelgeuse Occultation by Leona Simulator


    CDS

    Stefan

    visuell:

    ICS Dobson 14.5" f/4.7


    fotografisch:

    Lichtenknecker FFC 190/760mm f/4

    Galaxy RC 10" f/8

  • Wäre es denkbar, dass sich hier ein Begleiter zeigt, noch dazu, weil die "Delle" etwa gleich lange dauerte?

    Nun, ein Satellit/"Mond" des Asteroiden ist zumindest eine plausible Möglichkeit. Aber verglichen mit manchen Kurven hier m.E. doch unwahrscheinlich, ungünstige Wolkenfetzen und dgl. liegen doch näher, was z.T. in den anderen Lichtkurven auch hervorgeht. Auch wenn ein solcher Satellit in einer Lichtkurve vermutlich umso mehr von der Lage des Beobachtungsstandorts abhängt, bzw. wie weit versetzt vom Pfad, je nach Orbitneigung des potentiellen Satelliten.


    Wird wohl ein paar Publikationen geben zu der Verfinsterung, hoffe ich doch.


    Gruss

    Der auf Anderer Zehen tanzt

    Möge das Wetter mit dir sein

    ------------------------------------------

    Omegon Pro APO 110/660 Carbon Doublet, Baader BBHS Amici 2", Televue Delos 3.5, 6, 10mm, Nagler 22mm, Panoptic 35mm, Rigel Quikfinder, Tecnosky 8x50 finder, on aokswiss AYO II and Manfrotto 028, binoculars Leitz Trinovid 7x42

  • Servus CHnuschti,


    auf 2 der hier gezeigten Lichtkurven ist die "Delle" auch zu sehen, wenn auch nicht so deutlich. Ich habe auch andere Lichtkurven von anderen Beobachtern gesehen, die diese ebenfalls zeigen. Aber natürlich ist das nur eine These, die überlegt, diskutiert, und auf Alternativen untersucht werden sollte. Auffällig war es aus meiner Sicht allemal.


    CDS
    Stefan

    visuell:

    ICS Dobson 14.5" f/4.7


    fotografisch:

    Lichtenknecker FFC 190/760mm f/4

    Galaxy RC 10" f/8

  • Hallo,


    Hab gerade eine Doku auf YT gesehen über die New Horizons Sonde zu Pluto und dahinter zu diesem Kuiper Objekt Ultima Thule.


    Jedenfalls wurde auch dort zur Methode "Jagd nach der Sternchen Abschattung" angewendet. Um sich ein Bild über Größe und Form zu machen noch vor dem Vorbeiflug.

    Ich dachte das könnte Euch interessieren. Ab Minute 31:00. Aber auch sonst lohnt die Durchsicht der ganzen Sendung, wenn man sich für die Entdeckung des Kuiper Gürtels interessiert.


    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.


    CS,

    Walter

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!