Grubb-Parsons Perseus 9" MCT die Zweite

  • Ich hatte vor einigen Jahren schon mal ueber das Perseus von Grubb-Parsons berichtet, siehe hier. Das Geraet gehoerte einem lokalen Astronomieverein, der es vor langer Zeit gespendet bekam.


    Das ist schon ein merkwuerdiger Vogel: 9" MCT, 230mm Oeffnung (Hauptspiegeldurchmesser 240mm), 40mm Abschattung, keine Blenden im Tubus, und eine lange Relayoptik, die von hinten in den Tubus eingeschoben wird. Vermutlich sitzt in dieser Relayoptik auch ein Blendensystem, da das System tagblindfrei ist.


    Grubb-Parsons, vormals Grubb, ist ein astronomischer Instrumentenbauer gewesen, der fuer lange Zeit eine feste Groesse beim Bau von astronomischen Forschungsteleskopen war. Die Firma war in Newcastle upon Tyne ansaessig, und einst bauten sie das drittgroesste Teleskop der Welt: Das 4.2m William-Herschel-Teleskop auf La Palma. Leider war es auch das letzte Grossprojekt, denn aus verschiedenen Gruenden lief das Geschaeft nicht mehr. Waehrend Grubb-Parsons regelmaessig Amateuroptiken hergestellt hatte, gab es in den letzten Jahren noch den Versuch, mit Komplettinstrumenten ein Marktsegment zu erobern. Neben einem azimutal montierten Newton von 5" Oeffnung ("Andromeda") gab es das 9"-Perseus, ein Maksutov-Cassegrain auf Gabel, das vielleicht dem C8 Paroli bieten sollte. Nur, geklappt hat das nie. Die paar Instrumente, die vor dem Zusammenbruch von Grubb-Parsons gebaut wurden, machen einen eilig zusammengeschusterten Eindruck und einige Details wirken gar befremdlich, wie die Verwendung von Klebstoffen anstatt von Schraubverbindungen. Ich habe mal erzaehlt bekommen, dass die Erstserie einen viel zu weit ausserhalb liegenden Fokus hatte, weshalb ein langes Posaunenrohr angesetzt werden musste. Grubb-Parsons verschenkte diese Instrumente angeblich an Schulen, und ein lokaler Amateur rettete Jahre spaeter ein solches Exemplar aus dem Muellcontainer. Keine Ahnung, ob mein neues Geraet ein solches war.


    Mein neues Geraet ... der Astroclub, dem ich bei der Renovierung half, hat sich entschieden, mir das Geraet zu ueberlassen. Es wurde schlichtweg nicht benutzt. Es war entgabelt und auf einer EQ6 unterwegs, aber der festliegende Umlenkspiegel zwang Beobachter zu allerlei Verrenkungen, und das Geraet wurde durch ein 10" RC aus meinem Besitz ersetzt.


    So landete das Perseus bei mir, mitsamt der alten Gabel. Heute habe ich es wieder "eingegabelt" und, nachdem ich ein Metallteil in den Tubus fallen liess (jaja ...), auch optisch zerlegt und gereinigt.


    Hier der Zustand, als es mich am Freitag erreichte: Das Geraet in Rohrschellen und Schwalbenschwanz, und die nicht ganz vollstaendige Gabel - der Rektaszensionsteilkreis fehlt, und irgendwer hat mal einen Schrittmotor angebastelt.


      



    Zum "Eingabeln" (die meisten Teleskope werden ja irgendwann "entgabelt", aber ich moechte den Originalzustand wiederherstellen) musste ein Anlenkstummel angeklebt werden. Ja, geklebt! Beide Stummel waren geklebt, und beim Entgabeln vor einigen Jahren hatten wir einen davon loesen koennen. Also erstmal mit Klebstoffen hantieren.


    Hier der originalverklebte Stutzen:



    Und hier die andere Seite. Es gibt ein Loch im Tubus und ein Loch im Stutzen, aber kein Gewinde. So habe ich eine 8mm-Messingstange dort eingeklebt, die etwas Fuehrung bietet. Natuerlich fiel die erstmal in den Tubus, sodass ich die Hauptspiegelzelle abnehmen musste. Immerhin ein Einblick ins Geraet!



    Der Hauptspiegel besteht aus honigfarben-gelbem Glas (Zerodur?) mit einer damals ueblichen Dicke. Es ist Spiegel Nummer 10. Keine Ahnung, wie viele dieser Geraete gebaut wurden. Von hinten steckt das lange Rohr mit der Relayoptik drin.


         


    Es gibt weder ein Blendrohr am Fangspiegel, noch ein Cassegrainblendrohr. Die Blenden muessen in diesem Tubus sein. Die weissen Klebe(?)punkte zeigen die Stellen an, wo sich Teile im Tubus befinden:



    Am Anfang und Ende des ca. 32cm langen Rohres sind Linsen, gefolgt von einem elliptischen Planspiegel, der das Licht seitlich umlenkt. Dieser Spiegel muesste mal wieder aluminisiert werden. Ich vermute, dass der weissse Punkt bei 24cm die Lage einer Blende markiert.


    Die Fokussierung erfolgt ueber Zahntrieb und "Posaune". Leider hatte jemand den Zahntrieb nach innen ueberdreht, und ich hatte grosse Muehe, ihn wieder herauszubekommen. Nach halbstuendigem K(r)ampf bekam ich das Teil mit einer grossen Schraube mit Unterlegscheibe los, die ich als "Abzieher" verwendete. Danach war dann Fetten und Gaengigmachen angesagt.




    Die "Posaune" wird ueber eine Klemmung gehalten, die eher an eine Schlauchschelle aus dem Gartenbedarf erinnert.


    Nachdem die Klebeverbindung sich wieder loeste, habe ich das nochmal mit Zweikomponentenkleber verklebt. Hier mit Gegengewicht als Auflage, um beim Haerten den Druck zu machen.



    Und dann schliesslich heute abend nach Zusammenbau. Das Geraet hat die Tendenz, nach Norden ("hinten") zu kippen. Da muss ich noch zwei Ausleger anbasteln, oder das Geraet an ein Bodenstativ adapierten. Immerhin konnte ich aus dem Fenster schon ein paar Baeume anpeilen, und das sah recht scharf aus. Aber ein richtiger Sterntest steht noch aus.


     


    Welche Brennweite? Hmmmm ... das muss ich noch irgendwie herausfinden. Leider steht das nirgendwo, und so weiss ich nicht, ob ich ein f/6- oder ein f/25-System vor mir habe. Da werde ich mal den Mond fotografieren, und dann mit einem Fernrohr bekannter Brennweite das gleiche machen und per Dreisatz abschaetzen, welche Systembrennweite vorliegt.

  • Ein Nachtrag:


    HIer eine Diskussion auf Cloudy Nights ueber das Instrument, mit einer Grafik des optischen Aufbaues. Demnach sind da drei Achromate drin - von Blenden dagegen keine Spur. Der Autor der Grafik kommt auf eine Oeffnungszahl von 6.3, wobei er den Wert nicht glaubt. Ich bin gespannt auf meine Brennweitenmessung.

  • Hallo Jürgen.


    Danke für deine Beschreibung und Gedanken zu diesem interessanten Instrument!

    Bin gespannt, was du noch dazu herausfindest.

    Relays wurden schon von H. Dall vorgeschlagen, um der chronischen Streulichtempfindlichkeit der Cassegrain-Varianten abzuhelfen. Interessant, dass auch Herr Wynne an diesem Projekt beteiligt war.


    Viele Grüße,

    Guntram

  • Mir ist gerade aufgefallen, dass ich schon mehrmals die merkwuerdige Okularklemme erwaehnt hatte (hier und in dem Bericht vor Jahren), ohne sie zu zeigen. David Sinden schrieb ja in seiner Email, die auf Cloudy Nights zu lesen ist, auch, dass ihm die Mechanik nicht behagte.


    Also, das Teil ist eine Schiebetubus mit Klemme, der in ein mit Zahntrieb zu verstellenden Okularauszug eingeschoben ist. Und die Klemme erinnert eher an Gartenschlauchzubehoer als an ein Astroteil. Sie funktioniert allerdings besser, als sie aussieht. Hier ein paar Bilder davon:


         

  • Schwein muss man haben!


    Da liegt er nun, der Perseus, auf seiner kippeligen Platte, die das Geraet schnell zum Umfallen bringen kann. Ich wollte die Loecher in der dreieckigen Grundplatte benutzen, um zwei selbstgebaute Ausleger anzuschrauben. Aber irgendwie hatte ich so ein komisches Gefuehl ... ich hatte vor Jahren eine Nachlass eines Ex-Grubb-Parsons-Mitarbeiters aufgeloest. Neben einem 500kg schweren 17"-Newton (das ist eine andere Baustelle, ja, BAUSTELLE!) hatte ich so allerhand Astrozeugs, von dem ich nicht immer wusste, was das sein sollte. Also mal in den Lagerschuppen gegangen.



    Und ... jaaaaa! Genau das richtige Teil gefunden!



    Drei M8-Schrauben spaeter ...



      


    Das einzig Dumme ist, dass das ganze Trumm an einem Stueck geschleppt werden muss. Es steht jetzt erstmal auf dem Fussboden in meiner kleinen Sonnensternwarte. Mein Fokus liegt darauf, es natuerlich zu testen. Aber es wird wohl naechstes Jahr an das Hancock-Museum in Newcastle gehen, als Leihgabe fuer eine Ausstellung ueber die Geschichte der astronomischen Instrumentenfertigung in Nordostengland.

  • Hallo Jürgen,


    die Brennweitenbestimmung ist doch ganz einfach: Mond fotografieren, Durchmesser in Pixel ermitteln (z. B. in Photoshop), über die Pixelgröße den Durchmesser d der Mondabbildung in mm ausrechnen, im Planetariumsprogramm Deiner Wahl den zeitgenauen Winkeldurchmesser des Mondes (a in Bogensekunden) heraussuchen. Und diese beiden Größen in die Formel

    f = d/a x 203000

    einsetzen.

    Es ist also kein zweites Foto durch ein anderes Teleskop nötig.


    In der Literatur oder im Netz gibt es noch eine zweite Formelvariante mit einem weniger gerundeten Wert als 203 000. Aber der Ergebnisunterschied ist so unbedeutend, dass ich immer mit 203 000 rechne.


    CS, Jörg

  • Heute war der Tag der Wahrheit:


     


    Es war sonnig, und ich hatte einen leidlich passenden Sonnenfilter, der eigentlich zu LAN gehoert, meinem 250/1140er Newton. Ich sicherte ihn mit einem Spannband gegen Herabfallen.

    Natuerlich kam die Kamera mit dem lang bauenden Adapter nicht in den Fokus (Drehbank ruft ...), und so musste ich die Kamera mit der Hand vor den Okularauszug halten. Die Bildqualitaet war dementsprechend maessig, aber zur Sonnendurchmesserbestimmung sollte es reichen. Hier ein Beispiel:



    Visuell wars uebrigens scharf, da tut dieses Bild dem Instrument Unrecht.


    Nach sechs Schuessen habe ich den Filter an LAN angesetzt und die Uebung wiederholt. Auch hier konnte ich den Fokus nicht erreichen, da ich einen 1.25"-Adapter verwendete und nicht wie normal den Komakorrektor, da ich sicherstellen wollte, dass es nicht durch Brennweitenveraenderung oder Verzeichnungseffekte einen Fehler gibt. Also auch hier Kamera davorgehalten und ein paarmal abgedrueckt.


    Aus den erhaltenen Bildern habe ich 2/3 wegen Unschaerfe weggeworfen, und die anderen vermessen.

    Zwei Bilder mit LAN ergaben beide genau den gleichen Wert: 2433 Pixel.


    Beim Perseus streute es mehr: 4043/4018/4007 pixel, Mittelwert 4023 Pixel.


    Da mein Newton LAN 1140mm Brennweite hat (und das weiss ich recht genau, denn ich habe den Spiegel geschliffen), ergibt sich fuer den Perseus per Dreisatz eine Brennweite von 1885mm oder (wegen 230mm Oeffnung) f/8.2.


    Also in der Tat ein sehr kurzbrennweitiges System fuer die kleine Obstruktion, weil der eigentlich im Tubus liegende Fokus durch die Relayoptik herausgeholt wird.

  • Ich hatte gerade ein sehr interessantes Telefonat mit John, einem 94-jaehrigen Herrn, der seinerzeit ein Grubb Parsons Perseus besessen hatte. Er war auch ueber seine Frau verwandt mit David Sinden, der Chefoptiker von Grubb Parsons war bevor er seine eigene Werkstatt aufmachte. So hatte John etliche Insiderinformationen und er wird mir auch eine Benutzeranleitung kopieren.


    Groesster Schock: Es wurde lediglich 12 Exemplare gefertigt! Da macht mein "No 10" auf dem Spiegelrand Sinn. Die Nennbrennweite des Systems war 2000mm und damit f/9, also ein bisschen langsamer als von mir gemessen. Die Nennoeffnung ist 225mm, und der Hauptspiegel ist in der Tat aus Zerodur!

    John hatte sein Exemplar in den fruehen 1980er Jahren fuer £2337 (+ £100 fuer die Anlieferung) gekauft. Aufgrund einer finanziellen Notlage musste er es spaeter wieder verkaufen, was er heute schade findet. In DM West waren das damals umgerechnet ca. 10000 DM. Grubb Parsons wollte damit ein High End - Geraet schaffen. Im Lieferumfang waren ein 8x50-Sucher, zwei orthoskopische Okulare 25mm und 12.5mm, und ein Fotoanschluss fuer Pentax-Schraubgewinde (also M42x1). Eine Taukappe war nicht dabei, wohl aber ein metallener Schutzdeckel. Der fehlte bei meinem, ich musste 2018 einen aus Sperrholz auf meiner Fraese drehen, was auch ein interessantes und staubreiches Experiment war.


    Der originale Nachfuehrmotor (der bei mir fehlt) war ein sehr aufwendiger Schweizer Praezisionsmotor auf 12V-Basis. Er erlaubte Verstellungen bis 3x siderisch. John schwaermte jedenfalls von der fuer damalige Verhaeltnisse traumhaften Nachfuehrung.


    Es bleibt interessant!

  • Hallo Jürgen,

    ein Grubb Parsons Teleskop ist mir Ende der 80er Jahre auf La Palma begegnet. Kannst du mir sagen für was das NEI steht, vor den Namen?

    Und was aus dem 98" Spiegel geworden ist, den der neuere 100"-Spiegel aus Zerodur abgelöst hat.

    In einem Lagerraum des Observatoriums lag noch eine entsprechende Holzkiste, aber ich habe da nicht reingesehen. Wahrscheinlich gehörte sie zum 100"-Spiegel, wäre ja auch Unsinn, zwei so große Gläser nach La Palma zu transportieren.

    Grüße

    Dietrich


  • Hallo Dietrich,


    danke fuer Deinen Beitrag - mit dem William Herschel Teleskop (WHT, 4.2m, nebenan) habe ich 1998 sogar mal beobachtet: Ortsaufgeloeste Spektroskopie von planetarischen Nebeln in M31 fuer meine Doktorarbeit. Dieses war das modernste, groesste und letzte Teleskop von Grubb Parsons, bevor die Firma ihre Tueren fuer immer schloss. Das von Dir besuchte Teleskop ist das Isaac-Newton-Teleskop (INT), noch parallaktisch montiert.


    NEI stand fuer "North East Engineering", und das war eine Gruppierung, unter deren Schirmherrschaft Grubb Parsons gerettet werden sollte. Hat aber nicht geklappt. Was mir einige ehemalige Mitarbeiter berichteten, war eine "zu viele Haeuptlinge, zu wenige indianer"-Situation: Es gab ein aufgeblasenes Management, das es denen, die die Arbeit verrichteten, immer schwerer machten. Der Chefoptiker David Sinden zum Beispiel ist deshalb abgewandert und er hatte seine eigene Firma aufgemacht, die er bis zu seinem Ableben 2007 weiter betrieb. Ein weiteres Problem war, dass viele aeltere Ingenieure an alter Technik festhielten und nicht genuegend junger Nachwuchs kam, um modernere Technologien einzufuehren. So hat es mir ein Bekannter (ebenfalls ex Grubb-Parsons) geschlidert.


    Zurueck zum INT: Der 98"-Rohling war von minderwertiger Qualitaet und ein Teststueck fuer das Palomarteleskop gewesen. Eigentlich sollte damit in den USA ein weiteres Teleskop gebaut werden, aber das hat sich zerschlagen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Rohling dann an England gespendet. Hiermit entstand in Herstmonceoux das erste Observatorium, an einem ziemlich ungeeigneten Standort. Schliesslich wurde beschlossen, das Teleskop nach La Palma zu verlegen. Hierzu musste von Grubb-Parsons die Montierung umgebaut werden (Gabelmontierung, anderer Breitengrad) und es wurde dabei auch der Spiegel gegen einen aus moderner Glaskeramik getauscht. Der alte Spiegel war sehr launisch, und bei der Retusche hielt er seine Figur nicht. Es musste jahrelang gewartet werden, bis der Rohling zur Ruhe kam. Astrotauglich war er nicht unbedingt, Nach allem, was ich hoerte, steht das Original draussen (entweder in Herstmonceux oder in einem Museum in London) herum, inzwischen mit sehr vielen Spruengen drin. In Herstmonceux gibt es nach Aufgabe dieser Stelle des Royal Greenwich Observatory noch einige Teleskope, die fuer die Oeffentlichkeitsarbeit genutzt werden. Die grosse 20m-Kuppel auf ihrem Turm steht auch noch, aber es darf sich ihr niemand naehern: Asbest!


    Okay, ein bisschen abgeschwiffen. Aber die Historie von Grubb Parsons ist interessant.



    [Edit: Den Unterschied zwischen INT und WHT herausgearbeitet. Kam gestern vom Dalby Starfest, war muede und dachte, Du haettest das WHT fotografiert - das Farbschema ist das Gleiche. Dein Bild zeigt natuerlich das INT, steht ja auch dran.]

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