Hallo zusammen,
ich habe Ende letztes Jahr die Werkstatt des astronomischen Vereins Basel übernommen. Mein Vorgänger hat altershalber aufgehört und es wäre jammerschade gewesen, die Werkstatt aufzugeben. Für mich war das die Gelegenheit
Der astronomische Verein Basel ist der einzige Verein in der Schweiz, der noch Spiegelschleif- und Teleskopbaukurse anbietet. Dieses Angebot wird auch regelmässig genutzt, gerade Schüler verbinden dies gerne mit einer Abschlussarbeit:
erst Teleskop bauen und dann z.B. Jupitermonde beobachten und deren Umlaufgeschwindigkeit berechnen. Ich hoffe, dass dieses Angebot auch weiter genutzt wird. Einige Interessenten habe ich schon.
Nun, wie das so ist, gesammelt ist schneller als entsorgt und so hat sich nach 17 Jahren einiges angesammelt (resp. eigentlich 40 Jahren, das meiste Material wurde mehrfach bei Umzügen einfach mitgenommen und am neuen Ort ein dafür am wenigsten ungeeigneter Ort zum Vergessen gesucht und gefunden ).
Neue Besen kehren gut, sagt man und so habe ich mir als erstes vorgenommen, das ganze systematisch und mit einer gewissen Skrupellosigkeit anzugehen. Nach einem halben Jahr und ein paar Tonnen, die zum Wertstoffhof gekarrt worden sind hat der Verein eine richtig grosse Werkstatt und erstaunlich viele Werkzeuge, Mess- und Hilfsmittel, die irgendwo in einer Ecke oder Schublade schlummerten.
Und gestern habe ich ganz alleine für mich die Werkstatt neu gestartet. Also nicht ganz alleine, Neo durfte etwas gelangweilt auch dabei sein:
Ich habe beim Sortieren der Schränke viel Glas vorgefunden. Das meiste hat sich als Schleifschalen herausgestellt. Wir haben damit Durchmesser von 150 - 300mm zur Verfügung, sehr schön.
Am anderen Ende der Grössenskala habe ich aber auch noch das entdeckt:
Ein schnuckeliges Vierzoll Scheibchen aus Duran. Die Rückseite war ziemlich wellig (als wäre es auf eine schrumpelige Matte gegossen worden) und es hat zwei Lunker. Die Vorderseite sieht perfekt aus.
Dieses Gläschen hat mich angefleht, was aus ihm zu machen. Machen wir doch gerne. Damit kann ich gleich mein Konzept, wie statt mit dem Schleifbock gearbeitet werden soll, ausprobieren.
Wie ihr am ersten Bild erkennt möchte ich als Unterlage schwere Granitplatten (Gartenplatten) einsetzen. Die gibt es fürn Apple undn Ei im Baumarkt. Die Platte liegt in einer passendeweise passenden Blumentopfschale, um den ganzen Siff des Schleifbreis auzunehmen.
Ein Teppich-Antiruschgitter schwedischer Provenienz sorgt für stabile Verhältnisse zwischen Platte und Schleifschale (oder Spiegel).
Als erstes habe ich aber zwei dieser Granitplatten gegeneinander plan geschliffen. Zur Zeit habe ich nur 100er Karbo, werde da später noch mit 80er weiter nachhelfen. Erstaunlicherweise sind die Platten schon ziemlich plan, so dass ich nach etwa 10 Wets erst mal aufgehört habe. Damit konnte es endlich losgehen mit Schleifen.
Grössere Spiegel sollte man ja auf der Rückseite planschleifen. Bei einem 4 Zöller ist das natürlich ein Witz, da die Rückseite aber wellig war habe ich es zum Ausprobieren trotzdem gemacht:
Granitplatte ohne Antirutschgitter, Karbo, Rohling. Und dann, letz knirsch . Bei vollen Körpereinsatz hält ein Wet etwas 30s, dann muss der Schlamm weg und neues Karbo drauf.
Nach etwas 20 Wets quer und wild über die Granitplatte war ich zufrieden. Die zwei Lunker sind immer noch sichbar, aber das stört nicht. Wichtig: das Konzept funktioniert. Die Granitplatte ist geeignet, einen Spiegelrohling plan zu kriegen.
Es ist gut möglich, dass die Platte(n) von Zeit zu Zeit "nachgeschliffen" sprich, wieder gegeneinander plan geschliffen werden müssen. Das wird sich mit der Zeit zeigen. Erst mal passt es.
So. Und damit konnte es wirklich losgehen. Ziel soll ein 4" f7 Newtönchen für meine Tochter sein (psst: noch nicht weitersagen, Geburtstagsgeschenk ). Das heisst, etwas 0.94mm in der Mitte müssen raus.
Eine 4" Schleifschale habe ich nicht gefunden, also nächstes Experiment: übergrosse Schleifschale mit 6".
Und los:
Granitplatte in Netz einwickeln (hatte nur noch ein Reststück, deshalb wellt sie sich mit der Zeit. Ist sie so dimensioniert, dass sie auf der Unterseite komplett von der Platte beschwert wird hält sich bombenfest).
Schleifschale drauf, Wasser, Karbo. Und los.
Erst mal Fase schleifen, 1mm muss genügen. Kann ja wieder nachziehen.
Die ganze Konstruktion liegt so auf der Werkbank, dass sich ein 1.72m Zwerg wie ich problemlos mit seinen zarten 88kg Körpergewicht auf den Spiegel stürzen kann. Anders als die klassische Rohr'sche Streichelmethode geht so richtig die Post ab.
Sicher, es ist nur ein 4 Zöller, da ist weniger Glas, das weg muss. Trotzdem, mit 30s Wets waren nach ca. 1h reiner Schleifzeit 0.5mm weg.
Gemessen hatte ich mit Stahlwinkel und Schieblehre. Da wir aber hier in der Werkstatt ein Mikrometer haben werde ich das nächste Mal dieses benutzen. Als Referenz kann eine alte Prismenschiene dienen.
Die Fase ist fast weg, also nachziehen. Nach weiteren 30min bin ich bei 0.64mm. Bleiben noch 0.3mm. Das ist also nochmal Fase nachziehen und eine knappe Stunde Grobschliff.
Zum Strich: ich habe beides ausprobiert, auch um die Schleifschale, die ja schon vorgeformt war, vollflächig auf den gleichen Radius zu bringen.
Einerseits Spiegelchen nur so weit raus, dass er immer voll auf der Schale bleibt. Anderseits so, dass die Schleifschalenkante auch was abkriegt. Bei zweiterer Methode muss man etwas mehr aufpassen, dass man nichts verkantet, ansonsten denke ich macht eine Mischung von beiden Methoden Sinn.
Generell: Spiegel in eine Richtung drehen, Schale in die andere. Spiegel dauerend, Schale alle 5 - 10s.
Die Reinigung der ganzen Sauerei ist relativ einfach. Die Werkbank ist mit einer grünen PU Plane bedeckt. Im einfachsten Fall kann man die einfach abwischen, am Ende einer Korngrösse macht es sicher Sinn, sie mit dem Gartenschlauch komplett abzuspritzen. Bis auf etwas Schleifschlammgesprenkel war aber trotz gewalttätiger Behandlung des Spiegels mit sportlichem Strichtakt nichts auf der Plane.
Was ich auf jeden Fall noch mitnehme: T-Shirt, Hose und Crocs, die dann nur dort zum Einsatz kommen. Die Sandalen waren sichtbar eingesprenkelt
Die Blumenschale mit Granitplatte und Antiruschgitter kommt auf einen kleinen Rollwagen und raus in den Garten. Gründlich spülen, das wars. Damit kann ich sagen, dass sich meine Idee auch auf meine ersten Schleifer loslassen kann.
Die Werkstatt selber blieb sauber. Nächster Punkt auf der "geht das Liste" abgehakt.
Zu Hause habe ich dann das Spiegelchen noch genauer vermessen. Bisher wusste ich ja nur, dass ich in der Mitte etwas 0.64mm ausgebaggert hatte, aber ob das ganze sphärisch ist bei der robusten Behandlung durch Robelix?
Ein Bleistiftttest zwischendurch liess es vermuten, die Bleistiftstriche waren homogen nach ein paar Strichen weg.
Also nun zur Messung:
Ich habe 17 Punkte definiert: die Mitte und je acht Punkte bei 20 und 40mm Radius. Die Prismenschiene ist 14.94mm dick. Die Messresultate sind links auf dem Bild aufgetragen (vergesst die zwei Zahlen auf dem Glas).
Die linke Zahl ist die Absolutmessung der Schieblehre. Die rechte Zahl ist die Distanz ab Unterkannte Prismenschiene.
Wir sehen, dass in der Mitte 0.644 ausgebaggert sind. Nach der bekannten Formel bedeutet das einen Radius von 2112.8mm.
Die Messungen rundherum sind (für die ebenfalls fehlerbehaftete Handmessung) in allen Winkeln fast gleich. Das lässt darauf schliessen, dass die Kurve rotationssymmetrisch ist.
Nun, was sagen uns nun die 0.55mm bei 20mm und 0.27mm bei 40m Radius? Mit ein bisschen rumrechnen: sphärisch . Eine solche aufwändige Messung werde ich definitiv nicht mehr machen. Ging mir nur darum zu sehen, ob es mit der übergrossen Schleifschale und dem grossen Druck auf den Spiegel funktioniert.
Also: Weitermachen
Herzliche Grüsse Robert