Beobachtungsbericht Südafrika 22/23

  • Hallo zusammen,


    hauptsächlich bedingt durch schlechtes Wetter habe ich seit September keine Deep-Sky Beobachtungen am heimischen Himmel mehr gemacht und deswegen auch schon länger keinen Beobachtungsbericht mehr hier geschrieben. Da muss dann manchmal der Urlaub dafür herhalten... :) Um die Weihnachtsferien herum war ich mal wieder in Südafrika und konnte an einigen Abenden mit meinem 8" Reisedobson Deep Sky beobachten. In 3 Wochen, von denen nur eineinhalb abends ohne Mond waren, nutzte ich so 4 Abende für Deep Sky. Unter mittlerem Landhimmel, also dieses Mal keine Halbwüstenausflüge.


    Eines der Beobachtungsprojekte, mit denen ich mich beschäftigte, waren Nebel in der Großen Magellanschen Wolke. Bisher hatte ich den Tarantelnebel und unsystematisch einige weitere Nebel beobachtet, hatte das aber nie systematischer verfolgt.

    Das änderte sich mit einem Artikel, der im VdS Journal 82 (3/2022) erschienen ist. Auf Seiten 52-58 gibt es einen Artikel "Die Emissionsnebel der Großen Magellanschen Wolke" von Peter Riepe, Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg mit einem sehr spektakulären Foto. Für diejenigen, die das VdS Journal nicht lesen, das Foto findet man auch dort:

    Neuigkeiten

    Im VdS-Journal gibt es auch eine Version mit Beschriftungen dieser Nebel.


    Selbst für 8" Öffnung und Landhimmel bietet die Große Magellansche Wolke derart viele Nebel, dass nur ein Urlaub eigentlich nicht ausreicht. Ich konzentrierte mich beim visuellen Beobachten auf die obere Hälfte dieses Fotos, der Rest folgt mal in einem späteren Urlaub. :) Die Große Magellansche Wolke erreicht um diese Jahreszeit den höchsten Stand überm Horizont am Abendhimmel.


    Hier stelle ich ein paar dieser Nebel vor, die ich besonders spannend fand.

    Den großen und hellen Tarantelnebel nutzte ich dabei nur als Aufsuchhilfe, um mich auf Objekte zu konzentrieren, die für mich Neuland waren. In den Beschreibungen versuche ich mich mal kurz zu fassen und stelle meine Skizzen dazu.


    Die Nomenklatur dieser Nebel ist ziemlich komplex. Teilweise haben sie NGC/IC Nummern, ansonsten wurden die meisten von Karl G. Henize katalogisiert und werden in der Literatur meist mit "N" abgekürzt, in Simbad jedoch mit "LHA 120-N" und dann die Nummer. Unten nenne ich sie einfach Henize und dann die Nummer. Quelle ist dieses Paper:

    https://articles.adsabs.harvard.edu/pdf/1956ApJS....2..315H


    Außerdem gab es eine Veröffentlichung von R.D. Davies, K.H. Elliott, J. Meaburn. Die Objekte aus diesem Katalog werden mit "DEM L" abgekürzt:

    https://articles.adsabs.harvard.edu/pdf/1976MmRAS..81...89D


    Insgesamt hat sich herausgestellt, dass bei 67x Vergrößerung die meisten dieser Nebel kontrastreicher wirken, aber bei 120x Vergrößerung mehr Details sichtbar sind. Daher beobachtete ich die meisten dieser Nebel mit diesen beiden Vergrößerungen.



    NGC 1935 Komplex


    Sehr beeindruckender Nebelkomplex mit vielen hellen Filamenten und Knoten. Der Hauptbereich um NGC 1929, NGC 1935 und NGC 1936 ist in einen diffusen, schwachen, größeren Nebel eingebettet. Beobachtete Nebelteile: NGC 1934, NCG 1929, NGC 1935, NGC 1936, IC 2128, Henize 44G, Henize 44H, Henize 44E, Henize 44L, Henize 44M. (8”, 120x, UHC).




    NGC 2029/2032 Komplex


    Diese Strukturvielfalt an Nebeln muss man gesehen haben! Sehr beeindruckend!


    NGC 2040: Kleiner, kompakter Nebelfleck mit hellem innerem Bereich.
    NGC 2029, NGC 2032: Sehr beeindruckender Strukturreichtum. Drei helle Balken, von denen der mittlere auf der westlichen Seite scharf abgegrenzt ist. Der westliche Balken ist etwas schwächer. Die beiden westlichen mit einem weiteren Balken miteinander verbunden. Das alles eingehüllt in eine schwache, diffuse Nebelmasse.
    NGC 2020: Donutförmiger Nebel, Kreis mit Loch in der Mitte. Westliche Seite etwas heller.
    Henize 57A: Länglicher Nebelfleck, auf der östlichen Seite etwas heller. Nach Westen diffus auslaufend. Hellerer Bereich in gemottelte Sternansammlung eingebettet.
    (8“, 120x, UHC).





    Henize 144

    Henize 144: Hufeisenförmig gebogene Nebelstruktur. (8”, 120x, UHC). Südlich etwas abseits der offene Sterhaufen NGC 1983, in dem ich 5 Sterne auflösen konnte. Westlich davon der Kugelsternhaufen NGC 1953: Diffus, rund klein. (8”, 120x).




    Henize 64


    Henize 64B: Länglicher auffälliger Nebelfetzen, Henize 64C: Kleiner kreisrunder Nebel. (8“, 120x, UHC).




    NGC 1978


    Als Beifang ein Kugelsternhaufen, der ist da mittendrin. Er erscheint als elongierter, diffuser Fleck mit schwächerem ebenso elongiertem Außenbereich. Keine Sterne aufgelöst. 8“, 120x.





    Henize 70


    Runder, sehr schwacher diffuser Nebel, in dessen Mitte ein gemottelt wirkener offener Sternhaufen (RSL 673) eingebettet ist. (8“, 120x, UHC). Recht schwieriges Objekt. Die donutförmige Struktur habe ich nicht gesehen, nur anhand seines Außenumfangs nachvollziehbar.



    Henize 74 + DEM L 315


    Zwei nebeneinander liegende Nebelfetzen. Beide zusammen im Gesichtsfeld. Einfach, springen sofort ins Auge. (8“, 120x, UHC).




    Alles in allem beeindruckend, wie viele Nebel in der Großen Magellanschen Wolke mit 8" und bei nicht außergewöhnlichen Bedingungen erkennbar sind. Vor allem die hellen Vertreter aus dem NGC-Katalog sollten schon mit weniger Öffnung gehen. Und unter Wüstenhimmel und größeren Öffnungen könnte man vermutlich Wochen mit der Großen Magellanschen Wolke verbringen. :)



    Clear skies


    Robin

  • Hallo Robin,


    vielen Dank für die viele Arbeit! OK, die machst Du für Dich ;-), aber danke für die Arbeit es hier so ausführlich einzustellen :OK_hand: !


    Endlich auch mal wieder ein Bericht aus der Südhalbkugel, das war ja dünnen letzte Zeit. Es ist ein Glück da runter zu können zum

    Beobachten, ich schiebe das bis auf weiteres vor mir her - es fehlt auch die Gruppe um sich die Kosten etwas zu teilen, und die Flugpreise sind stark angestiegen.


    Die Magellansche Wolke ist wahnsinnig komplex im Teleskop, das kann ich bestätigen und wenn man das so akribisch mit Zeichnungen und Identifikation macht, wei Du - dann, stimmt, kann man Wochen damit verbringen. Zumal bei Hottie hatten wir ja die 16-Zöller und den 20-Zöller von Tim zur Verfügung. Plus besseren Himmel.


    Und das mit September - Dezember geht mir fast genau so. genau genommen hatte ich über Neujahr diesen Gedanken: "Siehst Du, Walter? Auch Herbst/Winter 2022/23 warst Du vor lauter unpassendem Wetter wieder kein einziges mal auf dem Feld für Deepsky. Kein Orion mehr seit gefühlt 3 Jahren. Du musst schon nach Südafrika um den Wintersternhimmel in Ruhe durchbeobachten zu können."

    NB: Im Dezember Neumond wäre es gegangen, aber -8 Grad bei 30kmh Wind und total erkältet - das fiel auch flach :-(. Januar wird auch nix, so wie es aussieht...


    CS,

    Walter

  • Hallo Robin,


    sehr schön, ich hab deinen Bericht auch mit großen Interesse gelesen, ich kann Walter nur zustimmen :).

    Und er weckt alte Erinnerungen und neue Sehnsüchte ...


    Ja, die Große Magellansche Wolke ist ein einziges Wimmelbuch, ein ungeheuer reichhaltiges Schatzkästchen an lohnenden Objekten :P.

    Ich hab dein Areal auf der Spezialkarte D29 im isDSA-Atlas nachvollzogen, wo die von dir beobachteten Henize-Nebel ja eingezeichnet sind. Ich kannte die noch nicht alle, definitiv eine Anregung fürs nächste Mal Südhimmel. Und deine beiden erstgenannten Komplexe sind natürlich enorm eindrucksvoll - ich zitiere aus meinem Südafrikabericht von 2018:


    "Der Pfad nach Nordwesten führt zum famosen N 44 - Komplex (um NGC 1934/35/36), einer Kette heller kleiner Nebel am Rand einer Sternassoziation. Wir haben ihn auch 'Samtpfötchen' getauft, ein schon im Fünfling ganz tolles Objekt. ... , dann am Gebiet NGC 2014/2020 vorbei bis zum 'gebrochenen Herz' (NGC 2032/35), einen durch einen markanten Dunkelstreifen geteilten Gasnebel - großartig !"


    Alles in allem beeindruckend, wie viele Nebel in der Großen Magellanschen Wolke mit 8" und bei nicht außergewöhnlichen Bedingungen erkennbar sind. Vor allem die hellen Vertreter aus dem NGC-Katalog sollten schon mit weniger Öffnung gehen.

    Allerdings, ich zitiere mal Haley, was er zum Eindruck in dem kleinen 66mm Wilhelmine Refraktor schreibt 8) :


    "Da gibt es ja neben dem 2070 [= Tarantelnebel] tonnenweise bombastischer Highlights. Diese Ecke geben wir uns auch in der Wilhelmine. Dort ist der Hauptkörper geformt aus zarten Diamanten, eingelagert sind endlose Sternassoziationen, Nebel und Globulars. Nur noch feist!"


    Servus

    Ben

  • Hi noch mal,


    eines wollte ich noch dazu schreiben. Für etwaige Neu Interessenten für eine Reise dort runter.


    Ich war ja jetzt zwei mal da. einmal im April, das andere mal im Oktober.


    April fand ich viel reichhaltiger, Besonders wegen der großen Magellanschen Wolke hoch am Himmel. Natürlich auch den Milchstraßenkern im Zenit.

    Aber diese Dichte an hellen Objekten auf derart engen Raum, das kann man nicht beschreiben - das muss man erlebt haben.


    Ach ja eine Frage Robin. Winter sollte ja eine ungünstige Beobachtungszeit sein. Wie war denn die Ausbeute an Beobachtungstagen bei Dir in % sozusagen?


    CS,

    Walter

  • Hallo Walter und Ben,


    vielen Dank für eure Kommentare! Wegen des Vergleichs April vs Oktober.. Der April ist ja durchaus vergleichbar mit dem März, von der "Südsommer-Milchstraße von Vela bis Centaurus abends und bis zum Milchstraßenzentrum gibt es da extrem viel zu beobachten. Oktober auch noch das Milchstraßenzentrum und sehr viele Galaxien abseits der Milchstraße. Klingt ja beides spannend. :)


    Süd-Sommer ist eine ungünstige Beobachtungszeit in der Kalahari wegen Regenzeit. Also dort tendenziell oft tagsüber Sonnenschein und abends Gewitter. Ich war dieses Mal wieder an der Südküste / Garden Route. Da ist ein ziemlich gemäßigtes Klima ohne ausgeprägte Regen- und Trockenzeiten.

    Im westlichen Karoo (z.B. Tankwa Karoo National Park, sehr dunkel und abgelegen, da war ich dieses Mal aber leider nicht) gibt es statistisch gesehen von Oktober bis März am wenigsten Niederschlag.


    Dieses Mal war mein Zeitplan nicht gerade Deepsky-optimiert, mit 10 Abenden, an denen der Mond abends / vor Mitternacht unterm Horizont war. Davon konnte ich 4 Abende für Deep-Sky nutzen. Und einen Abend für die Marsbedeckung durch den Mond Anfang Januar. Mehrere mondbeschienene Abende waren wolkenlos, aber die habe ich gar nicht genutzt. Das ist auf jeden Fall eine bessere Rate als hierzulande um die Jahreszeit.


    Clear skies


    Robin

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