Drache oder Rochen? NGC 1664 im Fuhrmann und der in ihm enthaltene Karbonstern HN Aurigae

  • Servus beinand,


    aus der Nacht vom 12. auf den 13.9.2022 hatte ich hier bereits den Mirastern WY Cassipeiae in NGC 7789 (Carolines Rose) vorgstellt – siehe RE: WY Cassiopeiae – ein schöner Mirastern


    In derselben Nacht habe ich versucht, noch weitere Offene Sternhaufen abzulichten. Da die Cassiopeia mit NGC 7789 zwischendurch von Wolken verhüllt wurde, habe ich von NGC 7789 zwangsweise auf NGC 1664 wechseln müssen bzw. dürfen / können, da der Fuhrmann frei zu sehen war. Auf den Lights zeigte sich aber, dass doch Zirren durchzogen, aber was soll man tun?


    NGC 1664 bildet ein spannendes Sternmuster, was ihn optisch attraktiv macht. Die helleren Sterne sind zwischen 10m5 und 12m hell und daher leicht mit kleineren bis mittleren Optiken zu sehen, weshalb das Muster leicht zu erkennen ist. Es erinnert an einenklassischen Drachen, den man steigen lässt, mit Schnur und einem breit rautenförmigen Drachen. Die Freunde der Nacht finden aber, dass das Muster mehr an einen (Stachel)Rochen erinnert. Der gerade Schwanz ist dann eben gebogen, da er gerade schwimmt (nur den Stachel erkenne ich nicht). Je länger ich das Muster ansehe, umso mehr denke ich in der Tat an einen Rochen, weshalb ich den Haufen jetzt einfach mal Rochenhaufen nenne.


    Hier aber erstmal das Ergebnis aus der Nacht:



    Hier nochmal, aber mit eingezeichneter "Konstellation":


    Entgscheidet selber, ob das eher ein Drache oder ein Rochen ist...


    Die Daten zum Foto:


    12.9.2022, zwischen 02:25 und 03:22 Uhr MESZ

    180 Lights zu je 15 Sekunden wurden ausgewählt, also 45 Minuten Belichtungszeit

    Optik: mein 8-Zoll RC f/8

    Montierung: iOptron CEM 40g ohne Guiding

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II unmodifiziert (Vollformat)

    Stacking und erste Bearbeitung mit APP, dann mit FW und PS weiter bearbeitet

    Ort: nahe Dettenschwang


    Der nichtmehrganz-Vollmond störte gewaltig, die nacht war zudem sehr luftfeucht und immer wieder zogen Wolken durch. Keine guten Bedingungen, aber besser als wie im Moment gar keine...


    Auf dem Foto ist mir direkt ein orangeroter Stern im Sternmuster aufgefallen. Mit nur wenig Recherche kam ich auf dessen Namen: HN Aurigae. In einer frühen Arbeit wird er als zwischen 11m2 und 11m6 varrierend angegeben: https://www.cambridge.org/core…-in-open-clusters-div.pdf


    Die AAVSO gibt aktuell 11m2–11m7 an. Es handelt sich um einen Karbonstern, vergleichbar mit RR CrB (nicht zu verwechseln mit R CrB, der aber auch ein Kohlenstoffstern ist, aber in der Helligkeit durch Rußwolken komplett einknicken kann). Es ist ein halbregulärer Veränderlicher, der zwei Perioden zeigt, die ich überlagern: 1400 d, überlagert von einer Periode von 165 Tagen.


    Hier nochmal das Bild, mit HN Aur (markiert, beschriftet)


    Hier als Ausschnitt... ohne Vergleichshelligkeiten bringt das aber wenig, daher:



    Die visuellen Helligkeiten habe ich mit Aladin rausgesucht. Der Stern im Westen mit 11m0 ist für mich klar einen Tick heller, der 11m1 im Nordosten auch einen kleinen Tick heller, der 11m5-Stern nordwestlich ist m.E. schwächer... ich wäre irgendwo zwischen 11m2 und 11m3, also wohl im hellsten Bereich der Lichtschwankung. Leider habe ich keine Lichtkurve gefunden, kann also nicht einschätzen, wie lange der Stern so hell ist und ob das Absinken relativ schnell und kurz der Fall ist. Da fehlt mir noch das Hintergrundwissen. Da HN Aur Teil der auffälligen Sternenformation des Drachen/Rochen ist, kann jeder, der den Haufen mal fotografiert hat, selber nachsehen, in welchem Zustand er HN Aur findet. Natürlich nicht so spekatkulär wie ein Mirastern.

    Die Spektralklasse ist übrigens C(N5) laut AAVSO.


    Ich hatte überlegt, einen eigenen Thread im Veränderlichen-Unterforum aufzumachen, aber es überschneidet sich doch deutlich mit NGC 1664. Daher habe ich beide Objekte hier zusammen gelassen (passt eh, da HN Aur ja zu NGC 1664 gehört).


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Hallo Christoph,


    danke für deine schöne Beschreibung des offenen Haufens. An das Objekt kann ich mich gut aus der Zeit erinnern, als ich noch rein visuell unterwegs war. Damals hatte ich den „kite cluster“ mit zwei Jungs aus der Nachbarschaft in Augenschein genommen. Wir waren alle drei sehr angetan, den Drachen sofort zu erkennen. An einen Rochen hat keiner gedacht. So ist das, wenn man durch eine Beschreibung von vorne herein in eine bestimmte Richtung gelenkt wird.


    Viele Grüße

    Heinz

  • Hallo Christoph,


    eine wunderschöne Gegend dort - und eine ebensolche Beschreibung zum Schmökern anregend. Danke dafür!

    Außer Konkurrenz, aber mit etwas mehr Feld aufgenommen am 2.9.2022 mit dem EvoGuide 50ED & SV305 (IMX290) auf AZ-EQ6 am 107PHQ, ohne Guiding, ohne Filter, direkt aus SharpCap ohne weitere Nachbearbeitung, 46 x 4s, aufgenommen in Abensberg.

    Auch hier sticht HN Aur deutlich hervor. Bin immer wieder überrascht, was dieser kleine Refraktor leistet.

    Gruß,

    Peter

  • Servus Christoph


    Ein tolles Bild, tolle präsentation und ein wunderschöner Haufen! Sehr gelungen!


    Btw: Ich bin für Rochen, weil das einfach wunderbare hochinteressante Tiere sind, die einen schönen Haufen verdient hätten 😀


    CS, Seraphin

  • Servus Heinz,


    ja, das Muster ist visuell schon sehr auffällig, finde ich. Ich habe ihn auch zuerst visuell besucht und kam erst heuer dazu, ihn zu fotografieren. Es ist ein Haufen, den man sofort wiedererkennt ;-).



    Servus Peter,


    ja, in der Tat, auch bei deinem Foto sticht HN Aur richtig heraus. Da die beteiligten Sterne sehr hell sind, braucht es keine lange Belifhtungszeit, um das Sternmuster zu fotografieren. Und HN Aurigae ist mit sienem schönen Orange einfach ein i-Tüpfelchen.



    Servus Seraphin,


    danke dir! Ich bin mittlerweile auch klar auf Seiten des Rochens. Drache ist eh doppeldeutig, da man ja nicht sofort an den Drachen an der Schnur denkt, wenn man von ihm spricht. Und ja, Rochen sind sowas von elegant und zudem hochinteressant. Ich bleibe auch beim Rochen ;-).


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Hallo zusammen,


    ich habe in meinen Aufzeichnungen "gegraben" und folgende Notiz v. 30.12.2019 zu NGC 1664 gefunden:


    Der offenen Haufen zeigt bogenförmige Sternketten und hebt sich deutlich vom Milchstraßenhintergrund ab. Er hat eine dreieckig-gebogenen Form, die an eine Haifischflosse erinnert


    Jeder sieht's auf seine Weise ;) .


    Viele Grüße

    Uwe

    "Hängst hier die ganze Zeit rum und wartest auf uns"

    Fünfhundertsechundsiebzig Milliarden Dreitausendfünfhundertneunundsiebzig Jahr", sagte Marvin. "Ich hab sie gezählt."...

    Die ersten zehn Millionen Jahr waren die schlimmsten...und die zweiten zehn Millionen Jahre waren auch die schlimmsten.

    Die dritten zehn Millionen Jahre haben mir überhaupt keinen Spaß gemacht. Danach habe ich ein bisschen die Lust verloren"

    (D. Adams)

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