Liebe Freunde der visuellen Beobachtung,
ich möchte imstande sein, die Durchsicht und das atmosphärische Seeing an meinem Standort in jeder Beobachtungsnacht zu bestimmen, damit ich Vergleiche ziehen kann.
Anhand welcher Sterne bestimmt Ihr die visuelle Grenzgröße? Ich habe gelesen, man "darf" dazu sowohl eine Brille tragen (wie ich es tue, um die Sterne mit bloßem Auge scharf zu sehen) als auch das indirekte Sehen anwenden. Sehe ich also z. B. den Kastenstern $\eta $ Ursae Minoris (m = +4m95) indirekt, werde ich sicher keine schwächeren Sterne am Himmel wahrnehmen und kann die vis. Grenzgröße sicher zu fst = 5 mag bestimmen. Welche zirkumpolaren Sterne nehmt Ihr, um fst bis hinunter zu 7m0 zu bestimmen?
Möchte ich außerdem das atmosphärische Seeing angeben, bieten sich mir u. a. zwei Skalen an. Die Pickering Skala (1 bis 10): Pickering Skala und die davon etwas abgewandelte Skala (0 bis 6) von Kafalis & Pilz.
Was mich zu allererst verwirrt, ist, dass die Pickering Skala den fokussierten Stern nimmt, um in dessen Bild anhand der Speckles das Seeing zu bestimmen. Die Skala von Stathis und Uwe setzen den leicht unscharf gestellten Stern voraus, also die Beurteilung seines extrafokalen Beugungsbildes bei gegebener kleiner AP, das ich vom Sterntest oder von der Justage am Stern her kenne.
Habe ich richtig verstanden, dass man das Seeing tatsächlich anhand beider Bilder (Stern im Fokus und unscharfes Beugungsbild) völlig unabhängig voneinander bestimmen kann?
Wenn ja, wie kann ich einen Pickering-Wert angeben, wenn ich gänzlich unerfahren darin bin und nicht weiß, wie Sterne im Fokus bei höheren Vergrößerungen aussehen können? Für mich sehen sie immer gleich aus, nämlich ein Knäuel aus Spaghettis (= Speckles), das wabert. Ich kann da beim besten Willen nicht in 10 Stufen unterscheiden. Vor allem habe ich bis jetzt noch nie ganze Beugungsringe um das Airy-Scheibchen des fokussierten Stern gesehen, was Pickering 7 bis 10 entspräche. Sicher kommt das daher, dass ich zu wenige Nächte hatte und keine solche gute Nacht erleben durfte, oder kommt das eher daher, dass ich einen nachweislich nicht beugungsbegrenzten Hauptspiegel habe und er mir das Erkennen viell. perfekter Nächte anhand des Abbildes einfach nicht erlaubt?
Einfacher wird es bei der Skala von Stathis und Uwe. Da ich eine abgesunkene Kante im HS habe, sehe ich extrafokal keine Beugungsringe im leicht unscharf gestellten Stern. Daher werde ich das eher am intrafokal unscharf gestellten Stern tun, um eine Einschätzung zu gewinnen. Hierzu die Frage: Stathis und Uwe sprechen beim leicht unscharf gestellten Stern von Zappeln und Wabern, welches Begriffe sind, die sehr subjektiv sind. Was bedueten sie im Detail? Außerdem: Sehe ich die Beugungsringe im intrafokal unscharf gestellten Stern, sehe ich sie eher nicht zappelig im Sinne von Hin- und Herspringen, sondern den Rand des Scheibchens mehr oder weniger ununterbrochen durchgehend und ruhig, aber die Schlieren in der Scheibe sind enorm, so dass die inneren Ringe unterbrochen werden. Ich vergleiche das immer mit Amöben unter dem Mikroskop: Die "Schlieren" bewegen sich völlig ungeordnet in alle möglichen Richtungen durch das Bild. Sind es also eher die Ringe an sich, deren Unruhe ich beobachten muss, um einen Seeing-Wert nach Kafalis und Pilz abschätzen zu können?
Ich fühle mich etwas unwohl beim Schreiben des letzten Absatzes, da er ja auch nur absolut subjektiv ist und ich nicht weiß, wie ich das besser beschreiben soll. Ein Foto kann ich ja nicht machen. Vielleicht findet sich ja jemand doch in diesen Beschreibungen wieder und weiß, was ich meine
Vielen Dank für die interessanten Antworten, wie Ihr das so in der Praxis macht, wenn Ihr zeichnet und das Seeing dazu angeben wollt.
Viele Grüße und CS
Micha