Hallo zusammen,
es ist endlich vollbracht: Ich bin „durch“ mit den 5513 DSLR-Aufnahmen, die beim Venustransit 2012 in Australien entstanden sind. Im letzten Teil der Auswertung ging es um die rund 516 Bilder vom Ein- und Austritt der Venus am Sonnenrand. Für mich war der Nachweis der Atmosphärenaureole der Schwerpunkt der ganzen Beobachtung. Ich hatte diesen (nur im deutschen Sprachraum Lomonossov-Ring genannten) sehr schmalen Lichtsaum beim Transit 2004 nur visuell beobachten können. Deshalb wollte ich ihn 2012 unbedingt fotografieren. Schließlich war das die letzte Chance für die nächsten 108 Jahre!
Schon im Vorfeld hatte ich mir Gedanken um die Instrumentengröße, das Seeing und die richtige Belichtungszeit gemacht. Zum Zeitpunkt des Transits ist Venus zwar in Erdnähe, doch im Verhältnis zu ihrem Durchmesser von 12100 km (58“) ist der für die Entstehung der Aureole verantwortliche Bereich der Atmosphäre sehr schmal. Von den für Beugungseffekte infrage kommenden 100 km gelten die unteren 50 km als optisch dicht. In Fachveröffentlichungen wird davon ausgegangen, dass die darüber liegende 50 km mächtige Schicht, die noch reich an Aerosolen ist, die Aureole entstehen lässt. Auf den Winkeldurchmesser der Venus gerechnet, sind 50 km aber gerade mal 0,24“! Und die sollen unter den Seeingbedingungen des Taghimmels zu sehen sein?! Auf jeden Fall eine Herausforderung an der Leistungsgrenze eines 110-mm-Apos.
So gesehen war es nicht verwunderlich, dass die Aufnahmen bei der ersten Sichtung keine Aureole zeigten. Erst nachdem der Kontrast extrem gestreckt war, offenbarte sich bei rund 5% der Bilder ein ganz zarter Saum. Fragmente der Atmosphärenaureole waren auf immerhin 30% zu erkennen. Um das Material statistisch zu untersuchen, habe ich jedes einzelne Bild auf einer Skala von 0 bis 4 bewertet und den zugehörigen f-Faktor berechnet, der reziprok zum Grad der Bedeckung ist. So zeigte sich, in welcher Phase des Ein- bzw. Austritts das Phänomen am ausgeprägtesten ist. Weil ich zuvor über die von PIPP berechnete Bildqualität ein Maß für das Seeing erhalten hatte, konnte dies der Aureolensichtbarkeit gegenübergestellt werden.
Aus den Grafiken geht hervor, dass die Aureole bei f-Werten zwischen 0 und 0,4 bzw. 0,6 auftritt, d. h. in der Zeit, in der die Venus halb oder ganz vor der Photosphäre der Sonne steht. Wie zu erwarten war, gibt es auch eine Beziehung zur Belichtungszeit. Aus etwas überbelichteten Aufnahmen ist die Aureole leichter zu extrahieren. Stärker wirkt sich jedoch das Seeing aus. Wenn das gut war, zeigte sich sogar bei leicht unterbelichten Aufnahmen ein Lichtsaum.
Schwierig war es, die durch Strecken sichtbar gemachten Aureolen nun wieder in die normal belichteten Transitbilder zu überführen. Erst beim fünften, sehr komplexen Workflow hatte ich den Eindruck, nicht nur schöne Bildchen produziert, sondern die Situation pixelgenau und weitgehend dem visuellen Eindruck entsprechend wiedergegeben zu haben. (Ich muss dazu sagen, dass ich mit einem kalibrierten Monitor arbeite. Es ist gut möglich, dass die Aureolen auf dem Handy oder Tablett nicht oder nur schwach zu erkennen sind.)
Dass die Aureolen in ihrem Verlauf nicht gleichmäßig intensiv sind, hielt ich zunächst für eine Folge des Seeings. Betrachtet man jedoch die Lage der Venusachse, könnte man eine Relation zum Breitengrad annehmen. Das ist im nächsten Bild veranschaulicht. Eine solche Abhängigkeit wurde übrigens auch von Profiastronomen betrachtet.
Und jetzt ein großes Kompliment an alle, die geduldig bis hierher gelesen haben und bereit waren, den Input gedanklich zu verarbeiten. Das ist nicht selbstverständlich in einer Zeit, in der die meisten nach nur fünf Zeilen unweigerlich dichtmachen. Also Danke, Leute, Ihr seid eine ganz besondere Spezies…
CS, Jörg