14 Nächte mit dem Zehnzöller unter dem Kreuz des Südens (zweiter und letzter Teil)


  • Am zweiten Abend hatte ich mir vor der Dunkeladaption Sirius vorgenommen, der steht zwar gute 30° hoch, aber funkelt doch deutlich. Egal, erstmal bei Rigel (ähnlicher Abstand, aber viel kleinerer Helligkeitsunterschied) ein Gefühl dafür bekommen, wie weit der Begleiter weg sein wird. Rigel ist gut zu trennen, viel Zwischenraum! Dann den Dobson hoch zu Sirius schwenken und das Handy so drehen, bis die Lage einiger Nachbarsterne auf dem Display zum Anblick im Übersichtsokular passt. Reinzoomen, bis der Begleiter sichtbar wird. Prima, der sollte genau zwischen den Beugungsspikes der Spinne zu finden sein, etwa bei halb 8. Auf gut Glück kommt das 3.5er Okular in den Auszug, und: Weia - Sirius sieht jetzt aus wie ein Kugelsternhaufen auf Amphetamin, ein wildes Gezappel kleiner Lichtfleckchen, die zur Mitte hin heller und konzentrierter werden. Es dauert eine Viertelstunde, bis ich mir sicher bin, dass an der erwarteten Stelle im Gezappel ein Fleckchen regelmäßig auftaucht. Aha, so sieht das also aus, wenn der Begleiter 10 Größenklassen schwächer als der Hauptstern ist... Bei München war mir eine Trennung in der bitterkalten Winterluft mit dem 18-Zöller nicht eindeutig gelungen, auch wenn meine Tochter ihn damals gesehen haben will.

    Einen Abend später ist die Luft deutlich ruhiger, und ich habe nach weniger als einer Minute eine positive Sichtung. Neben mir steht ein Berliner mit seinem 12-Zöller. Auch er braucht für die erste Sichtung länger, aber dann gelingt es immer schneller. (P.S.: habe hinterher festgestellt, dass der Wind mir einigen Sand auf den Spiegel geblasen hat, das davon gestreute Licht wird die Sache nicht einfacher gemacht haben).

    Später, als der Skorpion hoch steht, probiere ich mal Antares. Sieht lustig aus: Ein oranger Riese schiebt ein grünlich erscheinendes Sternchen ganz dicht vor sich her. Die App sagt: Positionswinkel 276° in 2.7" Abstand, also wirklich fast genau im Westen von Antares. Der ist im Gegensatz zu Sirius im Zehnzöller einfach zu trennen, hier sind's auch nur gut 4 Größenklassen Unterschied.

    Die Sterne haben noch mehr zu bieten als psychedelische Begleiter, jetzt wirds richtig bunt! Dazu wird das Spektroskop ausgepackt und in den Filterschieber geschraubt. Los geht es mit Gamma Velorum, ein binäres System mit dem hellsten Wolf-Rayet-Stern am Himmel. Diese Dinger sind ungeheuer heiß (ca. 60000K) und mehr als 100000 mal so hell wie die Sonne. Ihr immenser Strahlungsdruck hat die äußere Wasserstoffhülle weitgehend weggeblasen und man blickt auf tiefe heliumreiche Schichten mit den Fusionsprodukten des Heliums, besonders Kohlenstoff. Im Okular sieht man den üblichen Strich in den Regenbogenfarben, bei dem der kurzwellige Teil deutlich heller ist (weil der Stern so heiss ist). Das Besondere jedoch sind grelle Emissionslinien im Regenbogen, je eine gelborange und gelbgrüne, und eine blau-violette. Spektakulär! Auch Eta Carina ist wunderbar, wenn man sein Spektrum betrachtet. Man sieht mehrere Emissions-Linien: eine schwach im Violett (H-Gamma?), eine deutlicher im Blaugrün (H-Beta?), und am Ende leuchtet es richtig hell im Tiefrot (wohl H-alpha). Nimmt man das Spektroskop aus dem Strahlengang und vergrößert ordentlich (330-fach), so erkennt man den Homunkulus-Nebel, eine pink-orange bipolare Blase. Natürlich wird danach zur Übersichtsvergrößerung gewechselt und der Eta-Carina-Nebel mit Nebelfilter betrachtet - seeehr lange. Aber den Nebel kann ich mit Worten nicht angemessen beschreiben, den muss man gesehen haben!


    Das Spektroskop kam in den weiteren Nächten noch oft zum Einsatz, z.B. für Gamma Crucis (sehr schöne Absorptions-Banden), R Hydrae, Theta Muscae, Rasalgethi, Albireo, R Leonis, RS Cancri, Sephdar, Y CVn ... Ein Astrophysiker mag darüber schmunzeln, sich Spektren ANZUSEHEN, aber ich bin ja zum Spaß hier!


    Einen Abend habe ich mit Kugelhaufen verbracht. Es hat schon etwas, wenn man innerhalb weniger Minuten den bekannten M13 mit den südlichen Platzhirschen Omega Centauri, NGC104, M22, NGC6752, M4 und NGC6397 vergleicht. Auch die ebenfalls sehr hellen NGC2808, 6541, 362, 6388 und 3201 waren prächtig! Wir können aber auch anders, ganz anders! Willkommen auf der dunklen Seite der Pracht: Palomar 9 war noch einfach, Pal 7 und 8 waren bei Aufsuchvergrößerung direkt zu halten und wirkten im 13er indirekt granular. Für Terzan 3 und 7 musste ich mir schon stärker die Augen verdrehen. Pal 11 konnte ich in einem langestreckten Sterndreieck als ganz schwache Aufhellung wahrnehmen, wenn das Teleskop leicht bewegt wurde. Pal 12 war dann richtig grenzwertig...


    Was es sonst noch gab: Den Kometen C/2017 K2 (PANSTARRS) als kleines, wanderndes Bällchen in Ophiuchus und die Supernova in NGC4647 (ein Sternchen genau zwischen dieser Galaxie und der benachbarten M60, das da nicht hingehört). A propos, ich hatte noch ein Erlebnis mit einem Stern, der nicht an seinen Platz gehörte. Beim Star-Hopping zu Palomar 11 stolperte ich über ein Sternmuster, das nicht zur Anzeige in SkySafari passen wollte. Wie das? Im Okular war ein Stern zuviel! Also einen Screenshot machen und den überzähligen Stern einzeichnen, den ich auf 7.5 mag schätze. Wird wahrscheinlich ein heller Asteroid sein, aber was, wenn nicht ?! Naja, am nächsten Morgen habe ich mir dieses Gebiet im POSS angeschaut und da war der Stern natürlich drauf - also keine Nova entdeckt. Auch in Stellarium auf dem Rechner eines Sternfreundes ist der fragliche Stern zu sehen. Da ist wohl im Katalog von SkySafari etwas durch die Ritzen gefallen...


    Insgesamt waren tatsächlich alle 14 Nächte völlig wolkenlos, aber selbst an einem derartig guten Standort sind nicht alle Nächte gleich. Dem visuellen Beobachter fällt dies z.B. am Kohlensack auf, der manchmal tiefschwarz ist und manchmal nur dunkelgrau. Die Fotografen auf der Farm haben mir dann bestätigt, dass sie in solchen Nächten einen schwachen grünen Hintergrund auf ihren Bildern haben - Skyglow. Den kann ich nicht vom Gesehenen abziehen wie die Fotografen ihre Dark Frames, also nutze ich eine der besonders dunlen Nächte ohne erkennbaren Skyglow zur Beobachtung von Dunkelnebeln. Wie dunkel es war, fällt gut am Pfeifennebel auf, der sich heute deutlich als Hinterteil eines Dunklen Pferdes zeigt. Am einen Ende der Pfeife findet sich der Schlangennebel. Mit 24mm und etwas Eingewöhnung zieht sich tatsächlich eine S-förmige Dunkelschlange durch den Hintergrund schwacher Sterne. Direkt südlich davon stehen noch zwei kompakte schwarze Flecken. Sehr deutlich war auch B64, der zusammen mit dem Kugelsternhaufen M9 einen schönen Anblick bietet. B84 war als langestreckter Dunkelschlauch zu sehen, auch B90, B263, B50 und B55 habe sich gut abgehoben. Am besten gefallen hat mit der Tintenklecks, B86, der direkt neben dem offenen Sternhaufen NGC6520 steht. Daneben gibt es noch den obskuren Kugelsternhaufen Djorgowski 2, den ich vom 24-Zöller kenne, aber im 10-Zöller nicht gefunden habe. Am Rand der sehr sternreichen Kleinen Sagittariuswolke, M24, waren B92 und B93 deutlich als dunkle Kleckse zu erkennen.


    Wer in einer so dunklen Nacht in dieser Gegend unterwegs ist, wird natürlich auch bei den Gasnebeln in und um den Schützen vorbeischauen. Der Schwan, M17, war mit Filter wunderbar strukturiert: Über dem Kopf hatte er ein Krönchen, der Körper war von schrägen dunkleren Streifen gezeichnet und ost-südöstlich waren schwache großflächige Nebelmassen zu erkennen. In M16, dem Adlernebel, war südlich des Sternhaufens indirekt ein schmaler, dunkler Keil zu erkennen, der von Südosten in den Nebel drang. Weitere Dunkelflecken konnte ich aber mit 10 Zoll nicht erkennen. Schön war auch der Trifid, M20. Die Dunkelschläuche wirkten fast wie auf einem Foto. Im Lagunennebel hatte es mir die Sanduhr angetan; bei 330-fach war die schön zu erkennen, direkt daneben in einem dunklen Fleck das schwache Sternchen, das die Sanduhr beleuchtet. Neben der Kleinen Saggitariuswolke habe ich noch NGC6590 und 6589 besucht. IC1283 war grenzwertig, aber eindeutig. Außerdem gefallen haben mir die Reflexionsnebel bei Rho Ophiuchi, die Katzenpfote NGC6334 und der große Emissionsnebel NGC6188 in Ara.


    Auch in der Umgebung von Eta Carina gab es viel zu sehen: Den großen und schwachen IC2948 ("Running Chicken") um Lambda Centauri (ein rennendes Huhn war nicht zu erkennen, aber dafür Gum 39 und RCW61 dicht daneben), Carinas Lächeln NGC 3199 und die schönen, komplexe Nebelgruppen um NGC3603 und 3581.


    Früher am Abend stand noch Herschel's Bleistift NGC2736 auf dem Programm, ein schwacher, langestreckter Kreidestrich, der auf einer Seite ganz schwach auffächert. Dort in der Nähe habe ich mit Hilfe eines Fotos einzelne Filamente des Vela-SNR abgefahren. Der ist riesig groß und seeehr schwach, ein paarmal hab' ich mich verfahren und mußte zurück auf Los...

    Die härteste Nuss des Aufenthalts war CG1, eine Kometarische Globule in Puppis. Die genaue Position hatte ich mit dem POSS verifiziert. Dort war mit 24mm eine extrem schwache Aufhellung östlich von einer sternarmen Region zu vermuten. Die Aufhellung schien im Süden etwas heller zu sein, hat aber der Dunkeladaption nicht geschadet ;)

    Natürlich standen auch viele Galaxien auf dem Programm, besonders schön: NGC6744 in Pavo, das Grus-Quartett und spät in der Nacht NGC55 und 253. Sehr hell und detailreich: M83 und M104. Am anderen Ende der Nahrungskette steht Barnard's Galaxie NGC6822, schwach, aber eindeutig.


    Die 14 Nächte sind wieder viel zu schnell vergangen, mit reicher Ausbeute (die Buchhalterin im Handy listet 284 Beobachtungen) bin ich zurückgeflogen. Leider sagt die Buchführung auch, dass bei mittlerweile 7 Namibia-Reisen es nun zum drittenmal Ärger mit eingechecktem Gepäck gab, das wurde mir erst dreieinhalb Tage nach der Ankunft in Frankfurt nachgebracht. Da nichts kaputt war und das erst auf dem Rückflug passiert ist, will ich mich nicht weiter beklagen. Werde mir aber überlegen, ob ich das nächste mal nicht den Aufpreis für ein zweites Handgepäckstück in Kauf nehme...



    Danke für Eure Geduld!

    Norbert

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!