Servus beinand,
in einem anderen Thread, bei dem es zunächst um Probleme mit dem Okularauszug ging, drehte sich die Diskussion am Ende auch um das Auffinden von Deep Sky-Objekten bei hellem Himmelshintergrund: Crayford-Okularauszug mit M48 Adapter auf 2'' hält nicht
Ich greife mal das dort diskutierte Beispiel des Suchens des Ringnebels M 57 in der Leier auf. Ich hoffe, dass das o.k. ist Ceule
Das Problem war, dass Vega gut zu sehen war und auch im Teleskop gefunden wurde, die Kastensterne der Leier aber nicht mit bloßem Auge zu sehen waren (oder nicht erkannt wurden). Der Versuch, von Vega aus zu starten und irgendwie "unten rechts" den Ringnebel zu finden, scheiterte (was mich nicht wundert). Wie kann man da nun vorgehen?
Ich sehe folgende Probleme:
1.) noch zu ungenaue Orientierung am Nachthimmel
2.) fehlender Erfahrung beim Starhopping
3.) fehlende Erfahrung mit dem eingesetzten Sucher (der eigentlich nicht nötig wäre, wenn man z. B. ein Telrad verwendet)
Punkt 1 wird m.E. häufig unterschätzt. Man sieht Bilder von Astrofotografen, die einem den Atem rauben, teils auch aus Großstädten heraus und sagt sich "will auch!!!". Wer Eishockey spielen will, muss aber auch erstmal Schlittschuhlaufen erlernen und fängt nicht mit Schlagschüssen an.
Ich empfehle hier dringend eine drehbare Sternkarte und ein kleines Fernglas. Mit der Sternkarte kann man die Uhrzeit und Datum einstellen und kann dann sehen, welche Sternbilder grob in welcher Himmelsrichtung liegen. Als Anfang sollte man die hellsten Sterne suchen. Zum Beispiel das Sommerdreieck, das abends im Moment im Osten ist. Den Großen Bären sowieso, den kennen die meisten eh schon. Dann diesen als Leitsternbild nutzen, um den Zwilling zu finden (Verlängerung der Kastendiagonale). Im Westen findet man dann vor dem Untergang Castor und Pollux. Die Biegung des Schwanzes weiter verfolgen und so erst Arcturus, dnn Spica zu finden. Die beidem Kastenränder, die verlängert ein Dreieck bilden (Katsen ist ein Trapez) eben verlängern und so den Löwen finden.
Klingt nach Pillepalle, denn den Löwen kennt man ja (usw.). Aber es hilft, sofort einen Überblick zu haben. Man kann so auch abschätzen, wann der Löwe aufgehen wird, wenn er noch nicht sichtbar ist...
Ist man soweit, dann kann man bei zu hellem Himmel das Fernglas nutzen. Ferngläser werden vermutlich am Anfang unterschätzt. Hat man Vega identifiziert, aber der Himmel ist zu hell, um den Kasten der Leier zu erkennen, dann mit einem Fernglas mit kleiner Vergrößerung die Leier anpeilen. Anhand der drehbaren Sternkarte sollte klar sein, in welcher Richtung gerade der Kasten steht. Hat man Vega im Bild, dann sieht man auch das Sterndreick Vega-epsilon Lyrae-zeta Lyrae. Wo oben und unten ist, ist im Fernglas auch klar, da das Bild richtig steht und siehe da, man sollte jetzt den Kasten finden können. Fernglas weg, mit bloßem Auge dort hinsehen, wieder mit dem Fernglas – und vermutlich wird man dann doch mit bloßem Auge zumindest beta und gamma Lyrae auch mit bloßem Auge sehen. Man kann da dann mit bloßem Auge bereits das indirekte Sehen üben.
Wie kann man nun mit dem Teleskop M 57 finden? Ich nehme mal eines ohne Telrad, nur mit Sucher. Sprich: Starhopping. Und ich nehme mal einen Newton-Dobson ohne Prisma oder Zenitspiegel, also alles auf dem Kopf und Seitenverkehrt. Jetzt wird es schwierig. Man kann sich eine Sternkarte der Leier mit einem Bildbearbeitungsprogramm spiegeln, seitenverdehen und dann ausdrucken. Jetzt hat man die Sterne so auf der Karte, wie man sie im Teleskop und/oder dem Sucher sehen würde. Hat der Sucher einen Zenitspiegel, dann eben nur einmal gespiegelt ausdrucken. Wer die Leier nun schon ein bisserl kennengelernt hat (Schritt 1), der kann bei Vega starten und wird leicht epsilon Lyrae erkennen (Doppelstern - dass jeder nochmal doppelt ist, sieht man im Sucher noch nicht). Mit Vega und epsilon Lyrae sollte man jetzt auch zeta Lyrae finden, da das ein markantes Dreieck ist. Die Frage ist nur, ob der letzte Dreieckstern oben, unten (recht oder links, je nachdem wie Vega und epsilon Lyrae im Sucher liegen) zu finden ist. Und hier hilft die vorbereitete Sternkarte. Hat man jetzt zeta Lyrae gefunden, dann sollte man auch delta Lyrae finden können: wieder zurück zu Vega, direkt zu zeta Lyrae und jetzt nicht ganz gerade, sondern etwas in Richtung epsilon Lyrae gedreht weiter. Der Abstand ist nur etwas größer als von Vega zu zeta Lyrae - schiebt man weiter als von Vega dorthin, ist man zu weit, dann wieder retour zur Vega und von vorne.
So lernt man das Sternbild kennen... Man kann auch mal mit der Sternkarte vergleichen, welche schwächeren Sterne zu sehen sind, Muster erkennen (gute Übung für schwierige Objekte).
Hat man das geschafft, dann kann man auch versuchen, beta Lyrae zu finden. Zurück über zeta Lyrae zu Vega, von dort das Dreieck epsilon Lyrae-zeta Lyrae-Vega anschauen und dann die Seiten epsilon Lyrae-zeta Lyrae-anschauen und von epsilon über zeta Lyrae hier verlängern. Etwas mehr als die Doppelte strecke und minimal versetzt müsste hell beta Lyrae zu sehen sein. Erinnert man sich an die Richtung von zeta Lyrae zu delta Lyrae, dann muss man jetzt nur wieder in die Richtung schieben und man findet, weil hell und auffällig, gamma Lyrae. Dabei sieht man, dass direkt neben den beiden, delta und gamma Lyrae weiter unten je ein zweiter Stern zu sehen ist. Das hilft, wenn man mal direkt versucht, eine Kastenseite direkt einzustellen, die beiden parallelen Seiten nicht zu verwechseln. Gerne nochmal im Fernglas gegenprüfen - da sieht man dieses Muster auch schon gut.
Hat man das alles geschafft, dann erst lohnt es sich, auf halbem Weg zwischen den beiden Kastenstrenen halt zu machen und genau hier nach M 57 zu schauen.
Kein Meister ist vom Himmel gefallen. Das braucht Zeit. Es ist alles neu.
Wer mit dem Telrad arbeitet, muss natürlich den Kasten der Leier mit bloßem Auge sehen können. Wenn nicht, hilft wieder das Fernglas. Schafft man es nach ein Bisserl Übung mit dem Fernglas zu zielen, kann man den Ort, auf den man das Telrad ausrichten solle, erkennen. Damir ist gemeint: Schau z. B. wieder Vega mit bloßem Auge an. Beweg den Kopf nicht und halte jetzt das fernglas vor die Augen. Ist Vega jetzt relativ mittig im Bild? Oder muss man kreisen und suchen und findet dann den hellen Stern? Falls zweiteres, nochmal versuchen. Das hilft auch bei Naturbeobachtung (Ornithologen können z. B. sehr gut mit dem Fernglas zielen. Schafft man es, zu zielen, geht es auch andersherum. Fernglas wegnehmen und in gleiche Richtung weiterschauen. Jetzt sollte man in Richtung untere Kastenseite der Leier schauen. Dorthin den Mittelpunkt des Telrads stellen und man sollte am Ort sein.
Schwierigkeiten:
Das Hirn verweigert gerne den Dienst, wenn man richtig gedreht und gespiegelt wechselt (Fernglas, dann Teleskop). Das ist aber reine Erfahrungssache. Weiß man, dass man z. B. den Dobson nach "unten" schubsen muss, im Okular wäre das aber nach oben, dann kann man zwar durchs Okular sehen, aber man weiß ja, in welche Richtung man mit der Hand am Teleskop drückt und schiebt. Ich drücke das Teleskop bewusst nach unten und ignoriere, dass die Sterne jetzt nach oben wandern. Ich habe ja im Kopf, wie die Leier aussieht und kann die Schieberichtung auch so fühlen.
Zenit: Steht das Objekt im Zenit, ist es zwar am besten zu sehen, aber das Finden ist schwieriger. Ist das Teleskop in Richtung Südhorizont ausgerichtet (als Beispiel), dann weiß ich, links ist Osten, rechts Westen, Norden oben, Süden unten (also real, was die Bewegung des Teleskops angeht). Habe ich jetzt z. B. Antares im Bild, dann weiß man sofort, in welche Richtung man verschieben muss, um M 4 zu finden. Im Zenit ist das dem Hirn nicht so klar und es kommt schnell zu Herumrühren und Nichtsfinden.
Erste Objekte:
M 57 ist nicht wirklich gut geeignet, wenn man das Finden üben will. Ideal wäre es, wenn das Objekt direkt neben einem hellen, mit bloßem Auge gut sichtbaren Stern wäre oder es selber so hell ist, dass man es zudem noch mit bloßem Auge sehen kann bzw. im Sucher nicht übersehen wird. Zum Üben finde ich da ehrlich gesagt die Cassiopeia ideal. Das W ist so hell, das sieht man immer. Man muss hier lernen, zu unterscheiden, bei welcher Verbindungslinie des W man gerade ist und was in welcher Richtung liehgt. Und dann sind da überall diverse, teils helle Sternhaufen, die man alle abklappern kann. So kann man Sternhopping üben und erlernen.
Später kann man auch lernen, im Sucher die schwächeren Sterne zu nutzen, um Stück für Stück den dort zu sehenden Formen zu folgen: da ein Dreieck, da eine gebogene Sternenkette, die verlängert führt zu einem sehr kleinen Dreieck (usw....).
Wozu das alles, wenn es GoTo gibt?
Also weg vom Dobson, wobei es da auch ein Push-To gibt.
Nun, auch mit einer parallaktischen Montierung und GoTo schadet es nicht, Starhopping zu berherrschen. Man will beispielsweise eine Kette von Sternhaufen abklappern, aber ein paar sind keine NGC-Objekte und nicht in der Datenbank der Montierung. Echt jetzt, Koordinaten rausschreiben und alle einzeln eingeben? Wozu? Sternkarte ausdrucken, entsprechend passend spiegeln und dann per Pfeiltasten von Haufen zu Haufen manövrieren. Das macht viel mehr Spaß und man weiß, wo man ist, was man anschaut.
Oder das Objekt ist so schwach, dass man exakt wissen muss, wo es sich befindet, um es indirekt gerade noch rauszukitzeln. Mikrostarhopping sozusagen, auch wenn das GoTo die Stelle halbwegs genau gefunden hat.
Nochmal zurück zum Dobson:
Später, wenn man Übung hat, klappt das Starhopping mit Fernglas plus Dobson immer besser. Mit dem Fernglas kann man bei größeren Hoppelstrecken noch mal gegenchecken, welche helleren Sterne auf dem Weg liegen, um dann etappenweise im Teleskop diese zu finden und nachzuhoppeln.
Ich selber kenne das Starhopping per Sucher, dann das "Mikrostarhopping" durch das Übersichtsokular noch aus den 80er Jahren. Ich hatte damals ein 114er Newton mit manueller, parallaktischer Montierung. Da blieb mir nichts andere übrig. Telrad kannte ich nicht (gab's das schon?). Mit einem Dobson habe ich bis vor kurzem noch nicht herumgefuhrwerkt. Meine erste Dobsonerfahrung entspricht daher dem eines Anfängers. Mir hatte es da sehr geholfen, die Schieberichtung richtig herum zu fühlen (ich drücle nach unten, nach links usw.) und nicht die verdrehte Bewegungsrichtung der Sterne als Bezug zu nehmen. So ging das quasi automatisch, ich musste nicht auf die Schubsrichtug achten, das das von allein ging und konnte auf die Sterne an sich achten, die ins Blickfeld kamen.
Steht dann aber das Teleskop am Zielpunkt und man sucht nach sehr lichtschwachen Fuzzies, kann das Verdrehen noch zuschlagen. Bei meinem RC habe ich einen Zenitspiegel, beim Dobson natürlich nicht. Bei der "Mikroorientierung" habe ich daher auf der falschen Seite einer Sternlinie gesucht, also spiegelverkehrt am falschen Ort. Das kam davon, dass ich im Kopf hatte, wo ich in der Nacht zuvor das Galaxiechen gesehen hatte und jetzt im Dobson hätte umdenken müssen.
Da es jetzt doch recht viel Text wurde, zusammenfassend, was ich empfehlen würde:
1.) Sternbilder kennenlernen, nur mit bloßem Auge und mit einem kleinen Fernglas zur Unterstützung bei zu hellem Himmel (um z. B. auch den ganzen Kleinen Bären zu sehen)
2.) Schon ohne Teleskop bei Abend-/Nachtspaziergängen das indirekte Sehen üben. Das geht auch bei bedecktem Himmel (Objekte, Bäume, Türme werden heller und deutlicher, wenn man sie indirekt anschaut - geht nur im Dunklen, nicht in der Großstadt auf der Flaniermeile)
3.) Sich gut auf die ersten Beobachtungen vorbereiten: Sternkarten vorbereiten, gespiegelt ausdrucken...
4.) Mit hellen, einfachen, großen Objekten beginnen, die leicht zu finden sind. Wer im Süden wohnt, kann z. B. M 4 nehmen und sich dann im Skorpion orientieren. M 71 im Pfeil ist auch sehr leicht zu finden. M 11 im Schild. Es gibt viele helle, einfache Objekte
5.) Spaß am Starhopping finden. Es ist Brainjogging: Mustererkennung par excellence
6.) Immer wieder üben, üben, üben
Da ich keine Frage gestellt habe, sondern nur versucht habe, aus meiner Sicht zu erklären: bitte gerne widersprechen, diskutieren, andere Tipps geben oder auch bestätigen, unterstreichen usw. Was sind eure Erfahrungen?
Liebe Grüße,
Christoph