Hallihallo!
Ich. hab. was. GANZ Verrücktes getan!! Wer mich kennt, kratzt sich jetzt am Kopf und fragt sich, was mit mir los war. Wer mich nicht kennt, fragt sich jetzt, was ich denn getan haben könnte, das den Titel "verrückt" verdient.
Es geht auf Neumond zu, die Abende sind klar. Es wird ab 23 Uhr dunkel, ich bin ein enorm schlafbedürftiger Mensch. Das passt schlecht zusammen. Dann war ich abends aber irgendwie schon um halb 8 so müde, dass ich dachte, es könnte sich doch lohnen, "vorzuschlafen" und um 23 Uhr wieder aufzustehen. Hahaaaaa, guter Witz. Sarah steht doch nicht nochmal ausm Bett auf, wenn nachts der Wecker klingelt. Aber Sarah will halt auch unbedingt wieder beobachten. Tja, was nun? An den Schreibtisch gesetzt, die Planung zu Papier gebracht, alles draußen aufgebaut und ab ins Bett.
Der Wecker klingelt. Äääääh, neee. Vergisses. Schlafen. Aber ... das teure Okularköfferchen, das Teleskop, alles steht mitnahmebereit im Garten und der Mann ist jetzt auch im Bett und passt nicht mehr drauf auf. Vielleicht doch langsam wach werden? Ganz langsam aber nur. Ich schlurfe (natürlich fertig angezogen in warmen Sachen) zum Wohnzimmer, spähe nach draußen, vielleicht ist es ja doch schon bewölkt und ich kann direkt zurück ins Bett. Nee. Funkeln, überall. Tja nu, Stiefel an, Decke drüber, raus. Kalt. Frische Luft. Ruhe. Haaaa, doch schön.
Die Tour beginnt, laut Wetterradar habe ich ungefähr bis kurz nach Mitternacht Zeit, bevor Wolken aufziehen sollen. Heute gibt es hauptsächlich Doppelsterne, bei Nachbars sind nämlich noch viele Lichter an. Es waren insgesamt bestimmt 15 STFs, STFAs und weitere. Hier ein paar Impressionen (abfotografiert, der Drucker tut zurzeit nicht):
Und einmal ohne Komponentenbuchstaben:
Das war ein ganz tolles Mehrfachsystem, mit den beiden riiiichtig eng beieinander stehenden Pünktchen B und C. Dass die anderen beiden zum System dazugehörten, wusste ich bei der Beobachtung noch nicht. Nachher bei Stelledoppie herausgefunden, auch schön!
Ein paar der interessanteren Beobachtungen ohne Zeichnung, dafür aber einmal mit Apfelkuchenoptik!
- STT 356 AB (Lyra): 7m3 | 9m2 und 3'' Abstand (80x) - für die nordöstliche, schwächere Komponente muss schon echt genau hingeschaut werden!
- STF 2351 (Lyra) 7m6 | 7m6 und 5'' Abstand (80x) - ein superkleines, superschwaches, superenges Augenpärchen, ganz dicht beieinander und gleich hell
- STT 352 (Lyra) 7m9 | 9m4 und 24,2'' Abstand zusammen mit BU 134 (Lyra) 7m9 |9m7 und 1,1'' Abstand in einem Bild - bei 50x ist STT 352 natürlich mühelos getrennt, die schwächere Komponente muss aber schon konzentriert beobachtet werden; ein zweites Paar ist auch mit im Bild und mit Zenitspiegel anstelle von Amiciprisma wäre das bei höherer Vergrößerung vielleicht sogar ganz knapp trennbar. Trotzdem. Ein Doppel-Doppel in einem Okular, immer toll!
- STFA 46 AB (Lyra) 6m0 | 6m2 und 38,7'' Abstand - springt mich regelrecht an bei der Suche nach dem Blinking PN, ganz durchdringende, gleich helle Sternpunkte, die zwar schon in einem sternreichen Umfeld stehen, aber deutlich heller hervortreten; südlich davon steht eine Kopie davon, aber in ganz schwach, das sieht zusammen aus wie die Gabeleinstiche im gedeckten Apfelkuchen
Beim Doppelstern STF 2397 in der Lyra bin ich hübsch konzentriert am Beobachten der 3,9'' Abstand, da kommt eine Satellitenkette von Nordwesten nach Südosten durchgerauscht, den Zufall muss man erstmal hinbekommen
Irgendwo auf dem Weg passt noch Kemble 2 rein, das wie eine kleine Cassiopeia aussehen soll. Ich finde, auf der Zeichnung erkennt man das nicht wirklich, weil ich auch Norden nach oben gedreht habe. Beim Live-Anblick hatte das die verblüffend schöne Ähnlichkeit!
Ich beende den Abend, denn auf einmal sieht es so aus (und ich habe die Helligkeit bei der Handyaufnahme so eingestellt, dass es ein wirklich authentisches Foto ergeben hat!) - nuvole bianche von Ludovico Einaudi ... oder doch der Plieninger Mitternachtshimmel?
Und "weil einmal keinmal ist" ... was ich nicht finde, aber es ist gerade eine passende Überleitung: Es ist Montag. Es ist Neumond. Es ist klar. Ich bin gerüstet und verrückt genug, um gleich nochmal vorzuschlafen und um 23 Uhr aufzustehen. Wieder soll ich eine Wolkenlücke bis Mitternacht haben. Tatsächlich fällt mir dieses Mal das Aufstehen schon viel leichter, ich brauche ja auch quasi nur noch zum gedeckten Tisch zu laufen. Also zum aufgebauten Teleskop, wo alles auf mich wartet.
Heute gibt es auf dem Silbertablett im Cygnus Verschiedenes:
- Planetarische Nebel: NGC 6884, NGC 7026
- Offene Sternhaufen: NGC 6819 Foxhead, Roslund 6, Bica 1 und Bica 2 (leider nur zwei Sternpunkte), M 39 NGC 7082
- zwei erfolglose Galaktische Nebel: war mir auch klar, aber wenn ich eh schon dort bin ... NGC 6888 Crescent und IC 5146 Cocoon
- das Sternmuster Hay-Merting 12, die Ananas: das fruchtige Sternmuster ist im Cygnus zu finden, zeigt bei 45x eine grob ovale Form und die Ananas ist definitiv gut vorstellbar! Leider ist die Zeichnung grandios gescheitert, ich habe die Proportionen nicht vernünftig hinbekommen und dann beschlossen, dass ich lieber weiter beobachte. Sehr empfehlenswert!
uuuuuuund
- ein DUNKELNEBEL!!! Jahaaa: B 168, der zigarrenförmige Schlauch. Bei 21x fahre ich die Strecke ab und meine schon, dass da ein Streifen mit weitaus weniger Sternen ist, durch die östliche Begrenzung bei Cr470 ist das Ende auch ganz gut erkennbar; bei 45x ergibt sich ein viel schönerer Anblick, denn das Okularbild ist insgesamt viel dunkler, wodurch die Abgrenzung von sternlosem Schlauch zu Sternumgebung deutlicher erkennbar ist. Sehr spannend!
So schnell ist die Stunde auch wieder um, graue Schlieren wabern inzwischen am Himmel entlang und ich packe vergnügt zusammen.
Gute Nacht zusammen
Sarah