Servus beinand,
ich hatte vor kurzem ein Foto von NGC 4565 vorgestellt: NGC 4565 – die Spindel- oder Nadelgalaxie im Haar der Berenice
Mittlerweile hatte ich Zeit, das Foto zu analysieren und auszuwerten. Ich konnte von den zahllosen Galaxien, die ich finden konnte, 61 benennen und zudem 6 Quasare nachweisen. Und ein interessantes Objekt, das NGC 4565 umkreist. Und damit fange ich an: NGC 4565-AIMSS1 ist der Katalogname.
Links von NGC 4565, das zweitunterste, beschriftete Objekt. Dieser kleine Lichtpunkt ist in Wirklichkeit ein Sternhaufen. Sein Durchmesser beträgt 104 Lichtjahre, er enthält 8,19 Millionen Sonnenmassen und er umkreist die Spindelgalaxie. Ich habe keine visuelle Helligkeit finden können, aber er dürfte hier locker 19 mag haben. Die Kugelsternhaufen von NGC 4565 sind gut untersucht worden, auch mit Hilfe des Hubble-Teleskops, wobei dieser Haufen dabei nicht berücksichtigt wurde. Jedenfalls sind die hellsten als Kugelsternhaufen bestätigte Objekte von NGC 4565 schwächer als 20 mag. Einer der hellsten, KAZF 4565-28, liegt rechts der Galaxie ganz nah bei dem schwachen Stern auf Höhe der Oberkante der Beschriftung von NGC 4565 und ist hier auf dem Bild nicht mehr erkennbar.
Umso überraschender, wie hell NGC 4565-AIMSS1 ist (das NGC... muss man mitschreiben, denn es gibt eine ganze Reihe AIMSS-Haufen, deren Nummerierung bei jedem Mutterobjekt wieder bei 1 anfängt). Die Größe des Haufens entspricht dem eines sehr großen Kugelsternhaufens. Es kann aber auch ein Rest einer "geschälten" Zwerggalaxie sein (der nackte Kern derselben). Also entsprechend Omega Centauri bei unserer Galaxie. Deshalb wird dieses Objekt auch nicht offiziell als Kugelsternhaufen geführt, sondern als CSS (Compact Stellar System). Ich habe in der Originalpublikation nachgelesen (Norris et al. 2014 - leicht zu finden, wenn man den Objektnamen googelt). Dort werden die AIMSS-Objekte definiert, aber in ihrer Gesamtheit in Diagrammen ausgewertet. Eine Studie speziell zu diesem Haufen gibt es wohl noch nicht.
Jedenfalls ist das – abgesehen von Kugelsternhaufen des Andromedanebels – der erste extragalaktische Sternhaufen, den ich nachweisen konnte. Ihr könnt ja mal auf euren Fotos nachsehen. Ich vermute, dass ihn Viele finden werden, da hier ja einige Langzeitbelichter unterwegs sind.
NGP9 F378-0021738 sieht auch interessant aus, denn ich sehe da zwei Obejtke nebeneinander. Ich habe aber nur einen Eintrag für das Gesamtobjekt gefunden. NGP heißt "near galactic pole" und ist ein Kataloig von Galaxien nahe des galaktischen Nordpols, also der Umgebung in Coma und Virgo. Zu den drei hier markeirten NGP9-Galaxien habe ich aber noch nichts an weiteren Informationen finden können. Da muss ich mich weiter vertiefen - es soll ja Dauerregen kommen...
IC 3571 wiederum ist ein echter Begleiter von NGC 4565. Es ist eine irreguläre Zwerggalaxie, nur oder immerhin 16m9 hell (aber durch die große Fläche nicht gerade flächenhell) und quasi die Kleine Magellansche Wolke von NGC 4565 (eine große fehlt aber). Während NGC 4565 für uns edge-on erscheint, sehen Aliens von dort aus unsere Milchstraße in Aufsicht von Norden aus. Muss schön aussehen. Vielleicht freut sich gerade ein Alien in einem Internetforum darüber, dass es auf einem Foto Omega Centauri und die zwei Magellanschen Wolken nachweisen konnte... Wobei ich jetzt gerade nicht weiß, wie die relativ zu ihm liegen. Nicht, dass sie hinter der Milchstraße auf der anderen Seite sind und für das Alien daher nicht sichtbar.
Zeit, einen weiteren Ausschnitt näher anzusehen:
Wir sind jetzt nördlich bzw. nordwestlich von NGC 4565. IC 3543 ist genauso wie NGC 4565 eine edge-on-Galaxie, nur viel weiter entfernt, 286 Millionen Lichtjahre (NGC 4565 nur 55 Millionen Lichtjahre). Ein Staubband kann ich hier nicht erkennen. Die Ausrichtung ist parallel zu NGC 4565, was irgendwie witzig ist. Die visuelle Helligkeit ist übrigens 15m8.
IC 3546 ist eine Spiralgalaxie mit zwei sehr schönen Spiralarmen, aber dafür wären mehr Brennweite und Belichtungszeit nötig. Man kann hier aber schon erkennen, dass der Nebelfleck vom hellen Kern ausgehend nicht homogen nacxh außen diffuser und schwächer wird. Dass es also keine elliptische Galaxie ist, ist schon zu erahnen. Als Helligkeit habe ich 15m3 gefunden.
Am spannendsten finde ich aber natürlich QSO B1233+264, einen Quasar mit z = 1,69 und visuell 19m4. Der ist schon sehr weit von uns entfernt.
Übrigens sind viele der sehr schwachen Fleckchen oben im Bild weitere Galaxien, die ich aber bislang nicht benennen konnte (also weder mit Aladin noch mit den Pretty Deep Maps). Die Grenzgröße liegt hier bei ca. 20 mag.
PGC-Nummern soll man laut SIMBAD nicht mehr verwenden (der Versuch, einen Principle Galaxy Catalogue aufzustellen, ist offenbar gescheitert), weshalb die ersten etwas über 3 Millionen wenn, dann als LEDA nebst Nummer bezeichnet werden sollen und die drüber besser mit der SDSS-Bezeichnung (mit Koordinaten dahinter). Die PGC-Nummern werden von den aktuellen datenbanken nicht mehr angenommen, tauchen aber in diversen Sternkarten noch auf. Wenn ich also so hohe PGC-Nummern auf den Bildern habe, dann habe ich die Galaxien nur mit den Pretty Deep Maps benennen können, nicht aber mit Aladin.
LEDA 1768433 ist beispielsweise 2,7 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt und trotzdem noch 18m5 hell. Diese Galaxie muss schon extrem hell sein. Von NGC 4565 aus ist diese Galaxie für den oben angedachten Außerirdischen auch nicht viel heller, denn die 55 Millionen Lichtjahre mehr oder weniger machen da den Kas net fett. Finde ich total faszinierend. Für andere ist das dann nur ein kleiner Fleck, ein Wattebausch oder wird gar nicht erst beachtet (oder bei der Bildbearbeitung weggebügelt). Ich freue mich aber über all diese kleinen Flecken. Wenn ich mir vorstelle, wie viele Welteninseln ich auf den Fotos schon sehen kann, dann bekomme ich einfach ein ganz anderes Gefühl für die unglaubliche Größe des Alls und für die schier unmögliche Zahl von Galaxien. Nicht von ungefähr sind PGC-Nummern bis über 4 Millionen vergeben worden. Und auch nicht von ungefähr hat man da aufgegeben und nimmt einfach die Koordinaten als Namen.
Schauen wir weiter...
Jetzt sind wir knapp südöstlich von NGC 4565 (also unterhalb links). Und ich sehe gerade, das sich bei einer Galaxie die Beschriftung vergessen habe. Das muss ich später mal nachholen. Die Galaxie oben rechts (SDSS...) ist die hellste des kleinen Galaxienhaufens, zu dem sie gehört (die weiteren Flecken neben ihr). Ich habe aber bei SIMBAD keine visuelle Helligkeit finden können. Die vielen Flecken in der Umgebung sind alles weitere Galaxien. PGC 4334184 gehört demnach zu einem anderen Galaxienhaufen und ist nur scheinbar in direkter Nähe, denn sie ist heller als diese SDSS J123647+255131. Viel mehr, als dass sie existieren und dort eben sind, habe ich bisher nicht finden können.
LEDA 1746033 ist mit 17m3 regelrecht hell. Das kann man hier auch gut nachvollziehen, denn man kann sogar einen helleren Galaxienkern erkennen.
PGC 4334287 ist nur 19m0 hell, PGC 4334573 wiederum nur 19m5. Auf dem Bild erscheint erstere Galaxie aber schwächer zu sein. Die Erklärung ist für mich, dass erstere diffuser, größer ist und deshalb eine geringere Flächenhelligkeit hat. Wenn man oben IC 3571 mit 16m9 vergleicht... sehr hell erscheint diese Galaxie ja trotzdem nicht, weil sie eben scheinbar viel größer ist (also größer auf dem Foto).
NGP9 F378-0038074 ist übrigens 18m8 hell. Im direkten Vergleich mit PGC 4334573 kann man den Helligkeitsunterschied gut ausmachen, finde ich.
So, ein letzter Ausschnitt:
Wir sind jetzt ganz im Südosten des Gesamtfotos angekommen. Man sieht, dass hier die Sterne nicht mehr sauber sind, sondern verzogen sind. Für meine Vollformatkamera ist das nackte Teleskop nicht bis in die Ecken scharf (das wusste ich aber schon beim Kauf). Aber die nutzbare Bildfläche ist für mich insgesamt groß genug, dass ich hier keinen teuren Korrektor brauche (ein großer Vorteil des RC, finde ich, dass er ohne Zusatzlinsen, völlig nackt gut abbildet.
Warum ich diesen Ausschnitt zeige? Weil wieder ein Quasar abgebildet ist: SDSS J123734+253819 mit z = 0,55 und einer visuellen Helligkeit von 18m9. Er wäre punktförmig, wenn er nicht auch etwas verzogen worden wäre. Bei LEDA 1742871 (18m3 hell) sind wieder sehr viele, kleine Wattebauschen. Auch das ist ein Galaxienhaufen, denn Aladin gibt für LEDA 1742871 an, dass es die hellste Galaxie eines Galaxienhaufens sei. Die schwächeren Mitglieder habe ich aber bisher nicht benennen können. Auf dem Foto dürften 5 Sterne und 24 Galaxien (inkl. dem Quasar) sein (oder 5 Sterne und 23 Galaxien...?), jedenfalls weitaus mehr Galaxien als Sterne. Würde ich das untere, rechte Eck ausschneiden, hätte ich nur Galaxien ohne Vordergrundsterne im Bild. Unsere Milchstraße ist in Richtung ihres Nordpols für uns schon sehr dünn. Erneut kann ich nur Spock zitieren und "faszinierend" sagen.
Hier noch die Gesamtansicht:
Man kann natürlich nichts mehrgut lesen, da das Bild zu stark komprimiert ist, aber man kann die Bildausschnitte daran wiedererkennen, die ich hier ausführlicher vorgezeigt habe. Damit kann jeder, der möchte, seine eigenen Fotos von NGC 4565 nach diesen kleinen, fernen Wattebauschen absuchen.
Und wer weiß, vielleicht finden manche ja sogar Kugelsternhaufen wie KAZF 4565-28. Was man an der Übersicht auch gut sehen kann: die Hintergrundgalaxien sind hier nicht gleichmäßig verteilt. Auf der rechten Bildhälfte war ich nicht fauler, es war dort nur viel weniger zu finden / beschriften. Auch faszinierend.
Vielleicht konnte ich ein Bisserl mir meiner Faszination anstecken. Astrofotografie ist für mich einfach mehr als Pretty Pictures zu erstellen.
Liebe Grüße,
Christoph