Frühjahr ist Galaxienzeit (nebst Offenen und Kugelsternhaufen sowie PN) – Bericht vom 22.3.22

  • Servus beinand,


    eigentlich, ja eigentlich wollte ich gestern Nacht fotografieren. Aber manchmal ist es einfach nur von Vorteil, jederzeit aufs Visuelle umschwenken zu können. Ich wollte das letzte Zeitfenster nutzen, um von NGC 2440 RGBs zu sammeln, einem PN im Achterdeck des Schiffs. Der Himmel war schon tagsüber wunderschön blau, nur die Alpen lagen etwas im Dunst. Horizontnah wird es also nicht so toll werden, aber sonst sieht ja alles gut aus. Das vorhergesagte Seeing (meteoblue) war nicht optimal, aber sollte sich bei ca. 1" einpendeln. Und noch dazu: kein Frost mehr...


    Ich wollte diesmal früher als sonst raus, was mir ein erstes Problem machte. Sonst lege ich mein Teleskop zum Auskühlen raus auf die Terasse und wenn ich dann so gegen 21 bis 22 Uhr rausfahre, hatte es schon frostige Temperaturen erreicht und ich hatte wenig bis keine Probleme mit Tubusseeing. Da es aber tagsüber dermaßen warm war und dann bei Sonnenuntergang rapide kühl wurde, kam das Teleskop nicht mit. Ich wollte um halb neun starten und habe das Alignment gemacht, will an Sirius scharfstellen und der SDtewrn ist asymmetrisch. Na toll, eine einseitige Ausbuchtung im Donut. Und das richtig stark. Sah aus wie eine Luftblase. Also was im zenit eingestellt und erstmal gewartet... es wurde besser. Aber ich hätte tagsüber das Teleskop nochmal per Cheshire vorjustieren sollen. Es passte hinten und vorne nicht. Also auf Regulus und schonmal da justiert... Ich habe diesmal relativ lange dafür gebraucht. NGC 2440 war schon über den höchsten Punkt drüber. Also rübergefahren und 15 Sekunden pro Light gewählt. Und...: na toll, leichte Striche, wie kann das denn sein? Nochmal von vorne, nochmal eingenordet, nochmal Alignment, und erneut kurze Striche. Die Montierung lief unrund... Bei 30 s doppelt so lange Striche... hm, sie führt etwas zu langsam nach... Mir kam ein Verdacht... (Wieder daheim: PowerTank war ziemlich leer – offenbar hält er die Spannung nicht, wenn er zu leer ist, ich hatte ihn drei Nächte lang genutzt, da laut Beschreibung alle Vierteljahre der Akku deutlich entladen werden soll. Jetzt lade ich ihn wieder voll auf (bin gespannt, ob's das war, wie es heute läuft).


    Unsaubere Nachführung ist aber visuell kein Problem. Das alles hat aber viel zeit gekostet und der Mond wird ja aufgehen. Aber was soll's? Es ist sternenklar und das Teleskop kann man auch mit den Augen nutzen...


    Rahmenbedingungen:

    fst mindestens 6m2, noch kein Mond, Horizont weiterhin diesig, ansonsten beste Bedingungen, Temperatur ging runter auf 1°, später auf -0,5°C, trockene Luft, alles ideal.


    Los ging's mit Waterloo 2, einem kleinen Offenen Sternhaufen (oder Asterismus?) in der Auriga. Das kleine Muster wollte ich schon im Winter zeichnen, aber da war es schlicht zu kalt. Jetzt geht es wieder ohne Handschuhe:



    Norden ist oben, Osten ist links. Das Muster besteht aus auffallend hellen Sternen. Weitere Hintergrundsterne liegen jenseits von 15 mag, weshalb sie nicht zu sehen waren. Ich komme hier knapp jenseits von 14 mag, habe aber nicht alle Umgebungssterne eingezeichnet. Die Positionen stimmen sicher auch nicht sehr genau überein. Ob 6 bis 7 Sterne schon einen Haufen ausmachen?! Ich muss mal was über die Hintergründe recherchieren. Ist was für Schlechtwetterphasen.


    Vorher hatte ich (hab' ich fast vergessen) endluch mal Castor angeschaut. In meiner Jugned konnte ich ihn (in den 80er Jahren) mit meinem kleinen Teleskop nicht trennen. Jetzt hat er mehr Abstand und ich habe ein dickereres Gerät. War natürlkich spielend einfach: schon bei 43x klar als Doppelstern erkennbar, bei 81 deutlich getrennt mit Abstand; Castor C nicht beachtet, aber wohl sicher sichtbar


    Als nächstes und da jetzt meine Augen schon an die Dunkelheit angepasst waren, habe ich mit NGC 4449 weitergemacht und festgestellt, dass ich große Mühe habe, eine Galaxie zu zeichnen. Ich habe im OdM-Thread über die Beobachtung ausführlich berichtet: RE: OdM März 2022 - irregulärer geht es kaum - NGC 4449


    Jetzt war ich neugierig, wie M 101, die Feuerrad-Galaxie, heute Nacht aussieht. Meine Notizen lauten:


    Schon bei 43x sehr großflächig mit hellem, zentralen Kern; Galaxie erscheint sehr groß, aber nach außen sehr lichtschwach, dennoch sind dunkel Staubbereiche erkennbar bzw. die Bereiche zwischen den Spiralarmen; bei 81x ist Spiralstruktur gut zu erahnen, danach wieder bei 43x fast besser, da die Galaxie eben doch sehr groß ist.


    Das letzte mal hatte ich sie am 1.1.2022 angeschaut und konnte da keine Spiralarme erkennen. Na also, geht doch! Der Himmel passte also wirklich.


    Mit dem Erfolg im Rücken wollte ich jetzt mal in Markarians Kette reinschauen. Und das hat sich gelohnt, so viele kleine Wattebausche auf kleinem Raum:



    Das ist nur meine Skizze aus der Nacht (draußen gezeichnet). Ich hatte erst im 38 mm-Okular skizziert, habe dann aber mit dem 20 mm nachgearbeitet und bin damit auch über das ehemalige Sichtfeld herausgefahren. Das 8 mm-Okular habe ich nicht verwendet, damit könnte ich vermutlich noch weitere Galaxien rauskitzeln. Ich habe nicht alle Sterne eingezeichnet, sondern nur ein paar zur Orientierung. Da ich schon beschriftet habe, habe ich hier nicht gespiegelt. Norden ist ungefähr unten, Osten links. Das Bild steht also Kopf (Zenitspiegel um 90° gedreht, um gut sehen zu können).


    Zu den einzelnen Galaxien habe ich notiert:


    M 86 (8m9): schon bei 43x sehr hell mit hellerem Kern und diffusem Außenbereich; bei 81x nur größer, keine Strukturen zu erkennen


    M 84 (9m2): schon bei 43x sehr hell mit hellerem Kern und diffusem Außenbereich; bei 81x nur größer, keine Strukturen zu erkennen; Staubband nicht erkennbar


    NGC 4387 (12m0): wirkt bei 43x stellar, erst bei 81x wird es ein diffuser Fleck


    NGC 4388 (11m0): erst bei 81x gut zu erkennen; sehr schmal, schöne Spindel!


    NGC 4413 (11m9): bei 43x stellar erscheinend, bei 81x dann diffus aufgelöst


    NGC 4425 (11m9): bei 43x nicht aufgefallen, bei 81x dann diffus, aber nur die Kernregion, nicht als auffallend länglich gesehen


    NGC 4435 (10m8): schon bei 43x auffällig, bei 81x klar diffus, kompakter als NGC 4438


    NGC 4438 (10m0): schon bei 43x auffällig, bei 81x klar länglich, sehr hell


    NGC 4443 (11m1): nur mit 81x beobachtet (38mm-Okular nicht verwendet); deutlich diffus, ohne Details, nur hellerer Kern vor diffusem Äußeren erkennbar


    NGC 4473 (10m2): nur mit 81x beobachtet (38mm-Okular nicht verwendet); sehr hell, großflächig und diffus


    NGC 4477 (10m4): nur mit 81x beobachtet (38mm-Okular nicht verwendet); sehr hell, flächig und diffus


    NGC 4479 (12m4): nur mit 81x beobachtet (38mm-Okular nicht verwendet); wirkt fast stellar, sehr schwach


    Also viele, kleine Wattenbausche. Ich hätte noch weiter hin und her suchen können, aber ich fand das gesehene so schön, dass mir das erstmal gereicht hat. Inzwischen ist der Rabe hoch genug, um mal rüber zu NGC 4361 zu schauen, einem PN, den ich im Moment auch fotografisch auf den Zahn rücke:


    NGC 4361 (10m9, 2,1' Durchmesser): bei 43x bereits als diffuser Fleck erkennbar; bei 81x bereits mit erkennbarem Zentralstern; bei 203x Zentralstern klar erkennbar; Nebelfleck zeigt nun Struktur, man erkennt, dass er nicht einfach nur rund ist, sondern in sich inhomogen, mehr ist aber nicht auszumachen.


    Weiter gings zu NGC 4038/39, den Antennengalaxien (10m3 und 10m4): schon bei 43x als große, diffuse Fläche gut erkennbar; bei 81x erkennt man, dass der Fleck asymmetrisch wirkt und aus zwei helleren, gebogenen Teilflecken besteht, in deren Mitte ein Loch erscheint


    Nachdem das so gut klappte, und der Horizont jetzt etwas besser wurde, ging es zeinem Pendant von M 101...


    M 83 (7m5), Südliche Feuerrad-Galaxie: Bei 43x fast nicht zu erkennen, fast stellar wirkend (nur der helle Kern ist erkennbar); bei 81x nicht viel besser, etwas diffus um den Kern herum, da eben doch sehr horizontnah (8° über dem Horizont)


    Naja, immerhin gesehen, die steht ja schon sehr weit im Süden...


    Also als Ausklang noch etwas Sight Seeing – erst zwei bekannte Galaxien, dann ein paar Kugelsternhaufen:


    M 81 (7m0, Bodes Galaxie:( schon bei 43x auffallend hell und groß; bei 81x schließlich bei längerem Betrachten mit einem gebogenen Staubstreifen, der die Spiralstruktur andeutet


    M 82 (8m6, Zigarren-Galaxie:( schon bei 43 auffallend hell und langgestreckt; bei 81x noch zusammen mit M 81 im Gesichtsfeld; Galaxie ist auffallend lang und schmal, aber breit genug, um Struktur zu zeigen (mehrere Knoten im Nebelfleck)


    M 5 (5m7): schon bei 43x bis ins Zentrum in Einzelsterne aufgelöst; ein besonders heller Stern des Haufens steht vor dem zentralen Nebelfleck, weiter außen ist noch ein gleichheller Stern; äußerst hübsch!


    M 13 (5m7): wie immer bis ins Zentrum aufgelöst. Bei 81x sind die dunklen Kanäle bereits sichtbar und auffällig - wenn man darauf achtet, ist das sehr markant und hübsch!


    M 92 (6m5): sehr kompakt und mit kleinem, auffallend hellem Zentrum; schon bei 43x in Einzelsterne aufgelöst, bei 81x bis ins sehr helle Zentrum; sehr kompakter, schöner Haufen, der trotzdem in Einzelsterne zerfällt


    Dann noch schnell in die Leier:


    M 57 (8m8, Ringnebel:( wieder sehr deutlicher, ellipsoider Ring mit Helligkeitsvariationen; kein Zentralstern erkennbar


    Jetzt ging der Mond auf und ich habe meine sieben Zwetschgen wieder eingepackt.


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Hallo Christoph,


    ein wie gewohnt interessanter und schön detaillierter Bericht !


    [M101] ... dennoch sind dunkel Staubbereiche erkennbar bzw. die Bereiche zwischen den Spiralarmen; bei 81x ist Spiralstruktur gut zu erahnen, danach wieder bei 43x fast besser,


    Das finde ich für einen 8-Zöller schon eine sehr gute Ausbeute ! Im 10-Zöller hab ich da auch immer gerne nach den drei helleren NGC-Knoten 5447, 5461 und 5462 (wenn ich die Nummern noch richtig im Kopf habe ;) ) geschaut - die gehören zu den einfacheren Details.


    Ja, das Zentrum des Virgohaufens ist schon äußerst ergiebig. Das Feld mit M84 und M86 plus umgebender Galaxien als Ganzes im Okular ist für mich einer der besten visuellen Eindrücke, die man überhaupt in einem Fernrohr bekommen kann :P .


    Servus

    Ben

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