Klirrende Kälte Teil 2: die Nacht vom 28.2. auf den 1.3.2022 (Galaxien und Kugelsternhaufen)

  • Nachdem ich bereits von der Nacht davor berichtet hatte – siehe Klirrende Kälte, aber viel am Himmel zu sehen – ein ausführlicher Bericht vom 27./28.02.2022 mit Doppelsternen (Sirius und Co.), Kugelsternhaufen, Galaxien, Planetarischen Nebeln (etc.) – folgt hier nun der zweite Teil, die Folgenacht.


    Diesmal war es bereits beim Aufbauen lausekalt, -6°C und beißender Ostwind. Ich hatte deshalb eine Zwiebelschale mehr als in der Vornacht angezogen und diesmal sogar einen Schal dabei, den ich auch brauchte, da das Gesicht durch den Wind sonst sehr kalt geworden wäre. Einzige Schwachstelle bleiben die Hände, denn z. B. Okulare wechsle ich lieber ohne Handschuhe. Dafür hatte ich jetzt eine wieder aufgeladene Stirnlampe. Meinen Telrad habe ich noch nicht zu reparieren versucht, hatte also meine 1620 mm Brennweite ohne Sucher zu beherrschen. Geht scho!


    Der Himmel war zunächst nicht mehr ganz so gut wie am Vorabend. Lamda Ursae Minoris war nicht mehr zu sehen. Ich schätze die fst auf 6m0, also nicht schlecht, aber eben auch nicht phänomenal.

    Heute standen vor allem Kugelsternhaufen und Galaxien auf dem Programm. Und ich wollte jetzt wirklich irgendwie Tombaugh 2 fotografieren, einen Offenen Sternhaufen im Großen Hund. Und falls möglich, auch das Objekt des Monats März, doch dazu später mehr.

    Während des Aufbauens hat sich der Wind gelegt – es passieren noch Zeichen und Wunder. Insofern sollte das erste Fotoziel geklappt haben. Ich muss die Lights noch durchsehen und werde beizeiten das Stacking beginnen. Ich habe mehrere Fotos, die ich aufbereiten muss.


    Nachdem ich nun eine Stunde für Tombaugh 2 verbraucht hatte, habe ich noch RGB-Lights von NGC 2440 produziert (ein Planetarischer Nebel, den ich bereits mit OIII-Filter fotografiert habe und im Bericht von gestern auch visuell beschrieben habe). Dabei kam dann wieder etwas Wind auf und als ich dann noch NGC 4449, eine Galaxie in den Jagdhunden (OdM März 2022) fotografierte, frischte er so deutlich auf, dass ich jetzt die Kamera komplett weggepackt habe und nur noch visuell weitergemacht habe. Und das hat sich wirklich gelohnt.


    Also zu den visuellen Eindrücken:


    Als erstes habe ich NGC 4449 ins Visier genommen. Es handelt sich um eine irreguläre Zwerggalaxie in den Jagdhunden, die eine völlig verbeulte Balkenspirale ist, durch die eine andere kleine Galaxie hindurchgerauscht ist. Ein wirklich spannendes Objekt. Sie stand nun fast im Zenit, was die einzige Ausrichtung ist, die ich an meinem Teleskop unbequem finde. Ich muss mich auf den Boden setzen, dann geht es. Aber wo ein Wille, da ein Weg.


    So sah NGC 4449 für mich aus:


    Bereits bei 43x auffallend hell und da bereits für eine Galaxie ungewöhnlich; bei 81x regelrecht zerfranst aussehend: Gesamtform mehr oder weniger rechteckig, aber heller Kernbereich erscheint auf einer Seite gegabelt. Bei 201x blitzt ein Stern direkt neben der Galaxie auf – dieser hat laut Aladin / Gaia 13m7 G-mag, 14m4 BP-mag und 14m4 RP-mag) und ein weiterer später vor dem Nebelfleck selbst (laut Aladin / Gaia 13m7 G-mag, 14m3 BP-mag und 12m9 RP-mag). Helle Struktur erscheint nicht in mehrere Teile zerlegt, sondern ist zusammenhängend, aber eben hier besonders deutlich sich auf einer Seite gabelnd und zudem irgendwie zerfranst; Sternassoziationen oder abgetrennte Nebelbereiche sind aber nicht auszumachen.


    Siehe auch hier: RE: OdM März 2022 - irregulärer geht es kaum - NGC 4449


    Auf Fotos sieht man natürlich vielmehr, vor allem regelrechte, kleine Knoten (Sternassoziationen / Sternhaufen), aber dafür sind 8 Zoll wohl etwas zu klein. Wer keine Nebelfleckchen mag, der wird hier natürlich wenig Spektakuläres sehen. Wer sich aber daran erfreuen kann, was das Auge so gerade noch wahrnehmen kann, der wird hier auf seine Kosten kommen. Der Deep Sky Reiseführer von Stoyan gibt einen Stern. Aber schon der rechteckige Umriss, die seltsame Verteilung der Helligkeit im Nebelfleck und die beiden netten Vordergrundsterne, die aufblitzen, würden mich zu mehr Sternchen verleiten. Hell ist sie mit 9m4 auch und mit 6,2 x 4,4‘ auch ziemlich großflächig. Sie ist ja auch n „nur“ 12 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Ein Nachbar sozusagen. Die große Magellansche Wolke sieht übrigens sehr ähnlich aus (nur viel größer natürlich, da viel näher). Aber die kann ich ja von Oberbayern aus nicht sehen. Dann halt doch NGC 4449.


    Wenn man schon in den Jagdhunden verweilt, dass schadet es nicht, sich auch NGC 4490 anzuschauen. Nicht nur die Nummer ist recht ähnlich, sondern auch das, was man sieht. Erneut etwas Irreguläres. Es sind zwei Galaxien, die gerade kollidieren. Der Kollisionpartner hört auf die Katalognummer NGC 4485. Zusammen sind sie auch als Arp 260 oder Holm 414 geläufig.


    NGC 4490:


    Heller, diffuser Nebelfleck mit deutlich hellerem Kern, insgesamt regelmäßiger geformt als NGC 4449 im Vergleich, aber insgesamt auch ungewöhnlich für eine Galaxie, was den Umriss betrifft. Sie ist etwas plump, leicht gebogen, stumpf endend und hat eben einen kleinen, hellen Kern, was wieder normal erscheint. Die Begleitgalaxie NGC 4485 ist deutlich zu erkennen.

    Mit 9m5 und einer Größe von 6,4 x 3,2‘ ist sie scheinbar fast so groß wie NGC 4449, nur mit 27 Millionen Lichtjahren mehr als doppelt so weit entfernt. Das macht sie nicht zu einem Schwergewicht, aber eben um etwas mehr als doppelt so groß.


    NGC 4485:


    Sehr deutlich zu erkennen, diffus, berührt NGC 4490. Mit 11m7 ist NGC 4485 schon deutlich schwächer, aber sie ist auch nur 2,4 x 1,8‘ groß, weshalb ihre Flächenhelligkeit wieder der von NGC 4490 ähnelt. Beide sind sehr gut und deutlich zu sehen.


    Der Wind nahm nun weiter zu, es wurde noch kälter, aber der Himmel wurde jetzt besser. Also kein Grund, einzupacken. Der Löwe stand noch hoch genug am Himmel, also mal schnell M 95 und M 96 angesehen:


    M 95:


    Die Balkenspirale ist nicht zu erkennen, letzten Endes nur der Balken (länglicher Nebelfleck mit hellem Kern, nur diffus, keine weiteren Strukturen). Mit 9m8 ist M 95 auch ziemlich hell und sie misst immerhin 7,4 x 5,0‘ bei 30 Millionen Lichtjahren Abstand.


    M 96:


    Die Balkenspirale ist auch hier nicht zu erkennen, erinnert visuell an eine elliptische Galaxie (länglicher Nebelfleck mit hellem Kern, nur diffus, keine weiteren Strukturen). M 96 ist mit 9m3 einen Tick heller als M 95 und mit 7,8 x 5,2‘ fast gleich groß.


    Also bis auf ihre Nähe zueinander nicht wirklich spektakulär. Aber eben schön helle Nebelfleckchen. Für mehr muss man wohl deutlich mehr Öffnung haben. Weiter ging’s nun mit Kugelsternhaufen. Man könnte meinen, die sehen eh alle gleich aus, aber weit gefehlt, sehr weit sogar.


    M 53 in Coma Berenices war der erste auf dem Programm:


    Der kompakte, helle Kugelsternhaufen erscheint schon bei 43x körnig, aber es blitzen noch keine Sterne hervor. Der Fleck ist in der Mitte deutlich heller. Bei 81x blitzen erste, nadelfeine Sterne aus dem Nebelfleck heraus, vor allem am Rand des Haufens; bei 203x sind es indirekt um die 40 Sterne, die erkennbar sind, die aber asymmetrisch verteilt sind. Sehr hübsch; nach Wikisky beginnen die Sterne bei 13m3, die 40 gesehenen gehen vermutlich bis knapp über 14mag. 60000 Lichtjahre Entfernung sind eben schon ein Wort.


    Das bestätigt, dass der Himmel wirklich gut wurde, denn für die große Zahl an Sternen muss es bis jenseits von 14mag gegangen sein, was ich erkennen konnte. M 53 ist ja einer der wirklich hellen und großen Haufen, mit immerhin 7m7 und 12,6‘ Durchmesser. Lohnt sich also.


    NGC 5053 ist nur 1° von M 53 entfernt – also hat man hier zwei Kugelsternhaufen scheinbar nebeneinander:


    Was für ein Kontrast zum nur 1° entfernt stehenden M 53! Bei 43x ist ein nur sehr schwacher, diffuser, nebeliger Bereich erkennbar. Wenn der Himmel auch nur etwas stärker aufgehellt wäre, wäre dort vermutlich nichts zu erkennen. Bei 81x ist der Nebelhintergrund noch sehr schwach zu erkennen, aber weniger deutlich, dafür sind aber die ersten Einzelsterne erkennbar – 5 Sterne können indirekt gesehen und teils gehalten werden; die hellsten Einzelsterne liegen bei nur 13m9. Bei 203x sind dann immer mehr Sterne indirekt erkennbar. Der Sternhaufen erinnert absolut nicht an einen Kugelsternhaufen, sondern sieht wie ein locker verteilter Offener Sternhaufen aus, dessen Einzelsterne an der Wahrnehmungsgrenze sind. Es gibt kein erkennbares, verdichtetes Zentrum, sondern nur einzelne, immer wieder mal aufblitzende, dann nicht mehr zu haltende Sterne. Indirekt sind es über 20, die erkennbar sind, aber schwer zu zählen (ich kam auf knapp 40, habe aber vermutlich einige doppelt gezählt). Das Auge muss auch völlig dunkelangepasst sein. Der Nebelfleck an sich war recht leicht zu sehen, wenn auch sehr kontrastarm, aber die Einzelsterne sind an der Grenze des Möglichen. Daher sehr spannend, dies visuell zu probieren.


    Heftig ist dabei, dass NGC 5053 näher zu uns als M 53 steht. Er hat „nur“ 53500 Lichtjahre Abstand zu uns. Es ist also ein sehr zerzauster, sternenarmer Kugelsternhaufen. Ich muss mal bei Gelegenheit die Hintergründe recherchieren. Nur noch 3500 Sterne sind in ihm enthalten, was für einen Kugelsternhaufen sehr mager ist. Auf Fotos mit sehr großen Teleskopen kann man den Kugelsternhaufen als solchen erkennen, denn er hat schon noch ein sternreicheres Zentrum. Für mich visuell im 8-Zöller wirkt er aber wirklich wie ein sehr zerstreuter Offener Sternhaufen an der Wahrnehmungsgrenze. Er ist noch schwieriger als Tombaugh 1 (der ein Offener Haufen ist). Im Unterschied zu diesem ist er aber bei geringer Vergrößerung dann doch als schwacher Nebelhauch zu sehen. Seine 9m0 verteilen sich auf eine Fläche mit 10‘ Durchmesser. Also sehr dezent.


    In der Nacht fand ich ihn aber faszinierender als den hellen, „leichten“ M 53. Ich kann also NGC 5053 wärmstens empfehlen, wenn man bei gutem Himmel seinen 8-Zöller mal testen will. Vielleicht geht’s auch mit 6 Zoll?! Man muss nur viel Zeit mitnehmen und sich auf den Haufen einlassen. Ich habe locker eine Dreiviertelstunde mit ihm verbracht, um das Maximum an Sternen herauszukitzeln.


    Danach musste natürlich auch NGC 4147, ebenfalls ein Kugelsternhaufen in der Coma Berenices, aufgesucht werden:


    Ein sehr kleiner, sehr kompakter Kugelsternhaufen mit nur 4,4‘ Durchmesser, bei dem erst bei 203x die ersten Sterne zaghaft aufblitzen. Nur 3 Sterne konnten erkannt werden, aber keiner davon ist dauerhaft zu halten, auch indirekt nicht – an der Wahrnehmungsgrenze! Neben dem Haufen ist ein 13m3 heller Stern, der klar zu erkennen ist. Nach Wikisky sind die hellsten Haufensterne ab 15m2, was die Sichtung von drei Sternen fraglich erscheinen lässt bzw. erklären würde, warum keiner der Sterne selbst indirekt zu halten ist. Aufblitzen jenseits von 15 mag im 8-Zöller= Puh, offenbar aber möglich, wenn der Himmel entsprechend dunkel ist. Der Nebelfleck selber hat einen hellen Kern und ist typisch für einen unaufgelösten Kugelsternhaufen. Um ihn wirklich aufzulösen, braucht man wohl deutlich mehr Öffnung. Die Entfernung ist wie bei m 53 mit 60000 Lichtjahren auch sehr groß, aber im direkten Vergleich ist der Haufen mit 10m4 deutlich lichtschwächer. Er ist eben wirklich kleiner, auch in absoluter Größe.


    Es zeigt sich wieder, dass die scheinbare Helligkeit von flächigen Objekten schwierig einzuschätzen ist. NGC 5053 soll mit 9m0 ja mehr als 3x so hell sein, ist aber real viel viel lichtschwächer. Dabei kann man nicht einfach die Fläche nehmen und eine Flächenhelligkeit angeben, da diese ja zum Kern hin immer heller wird. Man kann also den hellen Zentralbereich sehen, die Peripherie aber eben nicht (die ist viel lichtschwächer). Wenn aber wie bei NGC 5053 kein hellerer Kernbereich zu sehen ist, dann verschmiert die Helligkeit doch auf die ganze Fläche. Deshalb ist der Kern von NGC 4147 viel heller als NGC 5053.


    Mittlerweile ist wieder der Skorpion aufgegangen, der Zentaur reckt seine nördlichen Ausläufer auch wieder über den Horizont und selbst das Sternbild Wolf (also die nördlichen Sterne desselben) ist zu sehen, obwohl dessen nördlichsten Sterne nicht gerade hell sind. Es ist jetzt halb fünf Uhr morgens und der Kälte (jetzt um die -10°C hier auf 700 m) und der Restmüdigkeit von der durchgemachten Nacht am Vortag musste ich nun doch Tribut zollen. Also alles eingepackt und ab nach Hause. Dann einen Frühmorgengassigang mit meiner Hündin und dabei nochmal den Sommersternhimmel bewundert… Die Scutum-Wolke war zu sehen, der Schwan (und auch der Adler) vollständig in der Luft, die Milchstraße strukturreich. Der Sommer kommt näher. Dann wird es nachts viel angenehmer sein, aber dafür erst spät dunkel und früh wieder hell. Dann doch lieber saukalt und Ostwind, dafür aber stundenlanges Spechtelvergnügen. Und meine Finger zeigten keine Erfrierungskennzeichen. Sie hatten folglich simuliert, als sie mir mittteilten, dass sie Kälteschmerz verspüren (beim Abbau des Equipments).


    Die dritte Nacht war entgegen der Wettervorhersage bei mir erneut klar. Da musste ich aber sehr früh raus und ich musste Schlaf nachholen. Deshalb beende ich mit diesem zweiten Teil meine Beobachtungsschilderungen der neumondnahen Nächte Ende Februar/Anfang März.


    Als Fazit: im Frühjahr sollte man sich nicht nur von den unzähligen Galaxien fangen lassen. Man findet auch schöne und spannende Kugelsternhaufen. Und damit meine ich nichtmal M 13. Den habe ich ganz bewusst ausgelassen, denn den habe ich schon so oft angeschaut. Faint Fuzzies wie NGC 5053 haben da einen ganz eigenen Reiz. Trotzdem wird auch M 13 bald mal wieder Ziel werden (den Mercedesstern suchend oder schwache Galaxien in seiner Umgebung).


    Liebe Grüße,
    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

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