Wieso eigentlich dieser Metrisch/Imperial-Mix?

  • Hallo zusammen,


    Wahrscheinlich ist das eine dieser Fragen die mit "historisch gewachsene Willkür" beantworten werden kann....aber ungeachtet von Präferenzen....gibt es einen Grund warum Objektive und Steckmaße etc Imperial in Zoll angegeben werden, Brennweiten dann aber in MM?


    Ist doch eigentlich absurd, vor allem da viele ältere Okulare z.B. ja Runde 32 oder 31mm Steckmaße haben?


    Also....dass Amerikaner und Briten auf Zoll beharren...ja darüber lässt sich streiten. Aber wenn ich eine Apparatur habe die in einem Mix normiert ist wo ich dann bei jeder Kalkulation umrechnen muss...das macht ja erstmal wenig direkt ersichtliche Sinn.

    Bei Steckschüsseln werden Übersee ja auch Zollbrüche verwendet (16/37er Nuss....). Warum dann nicht bei Brennweiten auch? Oder eben anders herum ;)


    Viele Grüße,


    Andre

  • Gewachsene Strukturen.


    Nach dem 2. Weltkrieg hatten die Europäer andere Sorgen als 1,25" oder 2" Okulare für Fernrohre zu bauen, während die Astroszene speziell in den USA boomte. Und noch früher waren diese Maße noch gar nicht üblich. Das 2"-Maß brauchte man erst, als man entsprechend große Gesichtfelder abbilden wollte.


    Auch hilft ein Blick, woher man die ersten Okulare nahm, bevor spezielle Astrookulare entwickelt wurden. Da ist zum Einen der Mikroskopbereich mit seinen speziellen Standards und auf der anderen Seite das Militär (Panzerokulare). Das Thema Mikroskopie und Fotografie führte insbesondere dazu, dass man Objektiv- und Okularbrennweiten auch in den USA in Millimeter angibt.


    Die Briten spielten dabei eher eine untergeordnete Rolle. Für Hobbyastronomen ist das Wetter dort zu oft zu schlecht. Auch wenn das einige nicht davon abhielt, dort Herausragendes zu leisten.


    Umgekehrt haben selbst die Amis auch Standards in Millimeter übernommen, wie zum Beispiel bei Kleinbildkameras mit einem Filmnegativformat von 24 x 36 mm oder den Objektivbrennweiten. Hier war es Leica, die einfach einen 35mm-Filmstreifen für ihre Kameras umfunktionierte. Vorteil. Beim Entwickeln solcher Negative konnte man die gleichen Maschinen nutzen, wie sie für Kinofilme (Stummfilmzeit) genutzt wurden.

  • Diese Differenz geht ja durch die ganze Technik, Rohre gibt's auch hier in Zoll, nicht nur Fernrohre. Stativschrauben, Schrauben für Sicherheitsgurte ... Die 'Meterisierung' ist auch hier stecken geblieben. Inzwischen sind Schrauben kein Problem mehr. - Das Stativ von einem Gabel-C8 war zB. aus Japan/China ... dh. metrische Gewinde. Wedge, Motorgehäuse und Gabel waren bzw. sind UNC. Ich habe mir Schrauben aus England importieren müssen. Über Messinger DE war sowas nicht zu bekommen. Heute Internet, Amazon et altera .... Martin Birkmaier hat mir mal seinen 'Schatz' gezeigt, ein Schraubenregal mit Zollschrauben in erster Qualität! :) Von dem war auf Anruf doch was zu bekommen, - ein Geheimtip!


    Nur noch ein bißchen weiter verwirrt habend ... :D


    Tip zum Umgehen: Kauft Euch nur noch Holzspielzeug!


    Gruß

    Stephan

  • Bei uns im Ort gibt es einen Eisenwaren Händler, der verkauft noch einzelne Schrauben. Unter anderem hat er auch eine Riesen Auswahl an Zoll Schrauben mit allen Köpfen, Längen, Gewinden und Materialien. Der hat mir schon oft geholfen.

    Das Problem liegt auch in Asien in der Historie. Die Amerikaner waren die ersten, die in Asien im grossen Stiel Auftragsfertigung begonnen haben. Und die haben das Vaccum der dort vorhandenen Normen und Standards natürlich mit ihren eigenen gefüllt. Das hat sich bei heute gehalten. In China bekomme ich noch immer problemlos an jeder Ecke z. B. Stahl Rundstäbe oder Rohre in 4,6,8 und 10 Zoll . 10mm oder 20mm hat Lieferzeiten, oder muss sogar importiert werden. Interessanter Weise führt diese Tatsache oft zu Probelem mit Lieferzeiten oder Kosten wenn deutsche Firmen etwas in Asien fertigen wollen.

  • Ob zöllig oder metrisch. Jeder Hersteller würde sofort von den Standards abweichen, wenn er die nötige Marktmacht hätte und am liebsten das gleich mit einem Trivialpatent oder besser mit einer 3D-Bildmarke (wie LEGO) schützen lassen, wenn er könnte.


    Die meisten Angaben zu Produkten beschreiben nur einen Standard. Ein 2"-Okular passt in eine 2"-Aufnahme, selbst wenn da ein Spiel von 0,2 mm sein muss, damit es reinpasst und somit die 2" technisch gar nicht stimmen.


    Eine 1/4-Zoll-Fotoschraube passt auf ein entsprechend ausgestattetes Stativ ... fertig. Keine Sau interessiert sich dafür, wie viele Gewindegänge es auf 25,4 mm hat, solange er so ein Teil nicht auf einer Drehbank selbst drehen muss. Und wer das macht, schaut in entsprechenden Tabellen nach bzw. schraubt es anschließend probeweise an und schaut, ob es passt.

  • Das Fotogewinde ist 1/4"-20. Die 20 sind TPI, tracks per inch, also Gewindegaenge pro Zoll.


    Ich denke, dass sich beim Fernrohrbau die Standards aus der Klempnerei etabliert haben, weil das in frueheren Zeiten der Amateurastronomie eine gaengige Quelle fuer Rohre war. Die meisten Fernrohrbauer hatten keine Drehbank, sondern haben marktuebliches Material als Halbzeug eingesetzt.


    Eine Aenderung waere ein Riesenaufwand. Zum Beispiel, neue Rohrleitungen metrisch zu machen. Das gaebe bei einer Altbausanierung zum Beispiel heilloses Durcheinander. Oder angenommen, das Stativgewinde wuerde ueber Nacht von 1/4"-20 auf M6x1mm geaendert. Da braeuchte man dann je nach Kamera Adapter fuer. So bleiben die historisch bedingten Standards zoellig.

    Eine Anekdote beim Adaptieren einer Polhoehenwiege an eine Dynamax-Gabel eines Bausch&Lomb 8000-SCTs aus den 1980ern, hergestellt in den USA: Ich fand dort an der Bodenplatte ein paar 1/4"-20-Gewindebohrungen. Dies war mir zu wenig, um die Gabel an die Polhoehenwiege eines Fremdherstellers zu adaptieren. Dann waren da noch groessere Gewinde. Ich proebelte mit einem US/UK-Gewindeschneidsatz herum, um dieses merkwuerdige Gewinde zu identifizieren. Am Schluss kam raus, es war M8x1.25, also ein stinknormales metrisches Gewinde!


    Ich bestelle uebrigens Spezialschrauben gern bei Ebay. Da gibt es fast alles in grosser Auswahl, auch wenn ich "UK only" auswaehle, um lange Lieferzeiten aus China zu umgehen. Zollschrauben sind beispielsweise fuer Motorradbastler ("Harley Davidson") unumgaenglich und sie werden wohl hauptsaechlich fuer diesen Markt noch rege in Neu angeboten. Ich weiss nun nicht, ob das in Deutschland auf Ebay auch so ist. Aber Laeden fuer Motorradzubehoer koennten eine gute Quelle sein.

  • Jurgen,

    Du wohnst ja auch mitten in der imperialen Hölle. Auch wenn die schon weiter sind, als die Amis beim Umstellen auf Meter und Kilo. ^^


    Meine These ist ja, dass das Inch im mittelalterlichen England von einem Kerkermeister erfunden wurde. Für die Größe seiner Daumenschrauben.

  • Hi Kalle,

    die linearen Masse gehen ja noch. Ist ja nur ein Faktor 25.4, und dann Fuss (12 Zoll oder 304.8 mm). Ein Yard ist 0.9m, eine Meile 1.602 km. Das ist ganz einfach und linear.

    Diese Gallonen sind mir schon weniger verstaendlich. Dann noch diese Gewichte: Feinunzen, Unzen, das Pfund (454 Gramm) und dann machen 14 Pfund einen Stein ("Stone"). Auf der Personenwaage sind das dann dann beispielsweise 12 Stone 11 Pound. Das sind dann (12*14+11)*0.454kg = 81.266kg.

    Da sind die Zollangaben (die im Bruch und in Zweierpotenzen erfolgen, also z.B. 1/2", 1/4", 1/8", 1/16", 1/32"), wie auch die TPI, noch Gold gegen.


    Doch bevor wir hier weiter ueber Einheiten laestern, sollten wir Astronomen uns erstmal selbst an der Nase fassen: Magnituden - logarithmisch zur Basis 2.5 und hoehere Zahl bedeutet weniger Licht. Oder auch diese Parsecs, die im Unterschied zum Lichtjahr beispielsweise nicht wirklich vorstellbar sind, und sich trotzdem in der Wissenschaft durchgesetzt haben: Wackelt der Stern im halben Jahr 1 Bogensekunde, ist er 1 pc weit weg. Wackelt er 1/2 Bogensekunde, sind dies 2 pc und so weiter.

  • Doch bevor wir hier weiter ueber Einheiten laestern, sollten wir Astronomen uns erstmal selbst an der Nase fassen: Magnituden - logarithmisch zur Basis 2.5 und hoehere Zahl bedeutet weniger Licht. Oder auch diese Parsecs, die im Unterschied zum Lichtjahr beispielsweise nicht wirklich vorstellbar sind, und sich trotzdem in der Wissenschaft durchgesetzt haben: Wackelt der Stern im halben Jahr 1 Bogensekunde, ist er 1 pc weit weg. Wackelt er 1/2 Bogensekunde, sind dies 2 pc und so weiter.

    Servus Jürgen,


    für den Logarithmus kann aber kein Astronom etwas – wir Menschen nehmen unsere Umwelt eben zumeist logarithmisch wahr. Dass zwischen 1. und 6. Größenklasse ein Helligkeiztsunterschied von 100x festgelegt wurde, ist hingegen ja wiederum recht griffig. Die Nummerierung, je heller, umso kleiner, ist hingegen wirklich witzig. Liegt natürlich an der Historie, dass man Helligkeitsklassen gebildet hat. Und Klasse 1 ist ja auch beim Einkauf besser als Ware der Klasse 3, also 1. Größenklasse heller als 3. Größenklasse. Für mich durchaus völlig logisch, wenn auch mathematisch witzig. (Ist dir ja eh alles klar, sage ich mal so, aber ich finde das imperiale Maßsystem da viel viel schräger, vor allem mit Stones und Pounds, nicht zu vergessen dieses völlig hahnebüchene System der Grad Fahrenheit bei der Temperatur.


    Dass sich parsec gegenüber dem Lichtjahr durchgesetzt hat, finde ich hingegen wohl genauso kurios wie du. Vielleicht klingt "Parsec" cooler, weil kurz, eine Abkürzung und für viele Laien unverständlich...


    Wenn aber ein Land (wie die USA) beispielsweise eine Sportart, bei der ein Ball geworfen, gefangen und getragen wird, Football nennt (da w#re Hand Ball besser) und Europäern einreden will, dass der echte, mit dem Fuß gespielte Fußball "Soccer" zu heißen hat, dann muss man sich nicht wundern, wenn dieses Land auch bei Maßeinheiten krumm, schräg und kurios an Seltsamkeiten festhält. ;)


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

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