Frage zur Selbsthemmung eines Schneckengetriebes - Beschleunigung durch Übergewicht auf der Westseite möglich?

  • Hallo!


    Ich hab da mal eine generelle Frage zu Schneckengetrieben, speziell hier im Zusammenhang mit einer älteren 1b-Montierung von Zeiss.


    Als früherer Lego-Bastler war ich bislang der Ansicht, dass man ein Schneckengetriebe immer nur in einer Richtung betreiben kann, also dass die Schnecke nur das Zahnrad antreiben kann und nicht umgekehrt. Nachdem ich aber schon mehrfach bemerkt hatte, dass meine Montierung offenbar zeitweise zu schnell "zog" und dadurch Strichspuren auf manchen Aufnahmen zu sehen waren, bin ich stutzig geworden und nach einigem Suchen habe ich tatsächlich im Internet auch Textstellen finden können, in denen Schneckengetriebe beschrieben werden, die "ins Schnelle" übersetzen, zum Beispiel bei Zentrifugen. Natürlich sind die Schnecken hinschtlich Steigung usw. dann aber darauf optimiert. Ob beim Antreiben des Zahnrades Selbsthemmung auftritt, scheint zudem auch davon abhängig zu sein, ob das Getriebe läuft oder steht (Haftreibung/Gleitreibung).


    Ich habe meine Montierung bislang bewusst nicht perfekt ausbalanciert, sondern immer etwas mehr Last auf die Westseite gepackt, damit sie auf jeden Fall mitzieht, also quasi als Unterstützung der Drehbewegung. Ich habe nicht gedacht, dass dieses Übergewicht zu einer Beschleunigung der Nachführung führen könnte, aber mittlerweile ist das mein "Hauptverdächtiger" für manches verdorbene Foto. Kann es bei Schneckengetrieben in Montierungen, speziell bei der 1b, wirklich sein, dass nicht immer Selbsthemmung auftritt und das Übergewicht auf der Westseite kontraproduktiv ist? Ich nehme meistens mit einer Belichtungszeit von 30 s auf und erhalte so ungefähr bei 1/3 der Aufnahmen Strichspuren. Diese sind nicht lang - nur wenige Pixel- aber die Aufnahmen sind natürlich verkorkst. Am Einnorden liegt es nicht (2/3 der Aufnahmen sind ja gut) und zu langsam läuft die Montierung auch definitiv nicht. Auch ist es kein Pendeln/Spiel, denn die Bewegung ist immer in einer Richtung.


    Vielen Dank im Voraus!

    Karl

  • Karl,

    es gibt Getriebegeometrien, die tatsächlich ins Schnelle übersetzen, aber die wirst du nicht in einer astronomischen Montierung antreffen. Denk an eine Schiffschraube, die so steil ist, dass sie mit einer Umdrehung mehr Wegstrecke durchs Wasser schneidet als ihr Umfang ausmacht.


    Beim Einsatz von klassischen Linearmotoren ist deren Drehzahl immer auch vom Lastzustand abhängig. Und der ändert sich selbst bei selbsthemmenden Schneckengetrieben durch die Ausbalancierung.


    Selbsthemmung bedeutet, dass die Reibung im Getriebe hoch genug ist, das kein Drehmoment auf der Abtriebseite ausreichend ist, rückwärts durchs Getriebe auf die Antriebsseite eine Bewegung zu erzeugen. Die Reibung ist selbst wiederum vom Lastzustand abhängig, steigt mit dem Drehmoment bis zum Bruchmoment. So kommt man im Ergebnis zur "Selbsthemmung".


    Das heißt dennoch, dass antriebsseitig das nötige Drehmoment sehr wohl lastabhängig ist und bei Linearmotoren sich auf die Drehzahl auswirkt.


    Der eigentlich Hauptgrund für ein Üngleichgewicht beim Ausbalancierung ist vor allem, dass im Getriebe, die Zähne immer auf einer Zahnflankenseite kontakt haben und sich dies beim Nachführen nicht ändert, sonst bewegt sich das Teleskop im Zahnspiel unkonrtolliert.

  • Hallo Karl,


    eine überflüssige Ergänzung zu Kalles Erläuterung: Stark vereinfacht ist bei Kontakt Metall/Metall gefettet der Reibfaktor µ = 0,1. Woraus sich eine sichere Selbsthemmung bei Steigungswinkel bis 6° ergibt.


    es grüßt Lutz

  • Hallo Karl,


    normalerweise wird angeraten, die Montierung "ziehen" zu lassen, indem die Ostseite schwerer gemacht wird. Damit verbleibt der Kontakt der Schnckenflanke zum Rad auf einer Seite. Du laesst die Montierung "schieben", und das fuehrt tendenziell zu mehr Flankenspiel. Ich vermute, dass Deine Strichspuren darin begruendet sind. Versuche doch mal, die Montierung z.B. durch Gegengewichtsverlagerung im Osten schwerer zu machen.


    Ein weiteres Argument gegen eine unvollstaendige Selbsthemmung ist, dass sich dann ja das geklemmte und abgeschaltete Teleskop durch die Imbalanz noch drehen koennte. Dann wuerde das Fernrohr nach ein paar Tagen Lagerung irgendwo anschlagen. Eine solche Beobachtung habe ich noch nie gemacht (ausser, wenn ich in meiner Sternwarte versehenlich die Nachfuehrung anliess - zum Glueck gibt es Rutschkupplungen).


    Lutz hat es ja nochmal quantitativ auf den Punkt gebracht. Die Verzahnung bei den in Montierungen verwendeten Schneckenraedern bedingt eine sichere Selbsthemmung.

  • Hallo! Vielen Dank! Ich werde dann beim nächsten Mal ein wenig mehr Gewicht auf den Osten legen. :) Leider ist hier oben an der Küste die Deep-Sky-Saison wohl erst einmal vorbei, die "Zeit der hellen Nächte" beginnt bald. Viele Grüße, Karl

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